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Rundschreiben Nr. 02 / 2012

Rundschreiben Nr. 02-2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Das hört man gerne. Aber wie sieht es mit den Menschen mit Behinderungen aus? Gibt es auch für sie eine bessere Arbeitsmarktlage? Leider nein. Die Arbeitslosigkeit ist hier 2011 um 6,13 Prozent gestiegen, genau wie 2010. Um diese Zahl etwas zu verdeutlichen: es gibt derzeit ca. 180.000 arbeitslos gemeldete schwerbe-hinderte Menschen.
Sie als Schwerbehindertenvertretung haben die Aufgabe, die in Arbeit stehenden Kolle-ginnen und Kollegen zu unterstützen, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und natürlich auch um deren Arbeitsplatz zu sichern. Und wir sprechen hier immerhin um ca. 10.400 Beschäftigte des Landes Berlin. Wollen wir hoffen, dass wir diese Zahl halten können.

Themen in diesem Rundschreiben

  • Neues Schulungsprogramm des Integrationsamtes erschienen – Anmeldung auch online möglich
    Das LaGeSo bietet für 2012 wieder zahlreiche Schulungsveranstaltungen für Schwerbe-hindertenvertretungen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte sowie an-dere Beschäftigungsvertretungen zum Thema „Arbeit und Schwerbehinderung“ an. Die Schulungsbroschüre liegt unseren Schwerbehindertenvertretungen des Landes Berlin bei. Alle anderen lesen bitte hier, wo und wie sie an die Beschreibung der Kurse kommen.
  • BEM: Überwachungsrecht des Betriebsrats/Personalrats
    Der Betriebsrat/Personalrat hat darüber zu wachen, dass Arbeitgeber seiner Verpflichtung, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen, nachkommt. Hierfür muss ihm der Arbeitgeber die Namen derjenigen, bei denen die Voraussetzungen für ein BEM vorliegen, nennen.
  • Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung
    Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war.
  • Entschädigung wegen der Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers
    Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle.
  • Dies und Das
    • Rückwirkende Anerkennung einer Behinderung
    • Barrierefreiheit: EU-Gesetz und neues Portal
    • Buchtipp: Rechte der Schwerbehinderten
    • Werden Hörgeräte billiger?
    • Ambulante Therapie auf Krankenschein
    • Bundesagentur bezahlt Dolmetscher
    • Infos zum Studium für Behinderte
    • Testamente für Menschen mit Behinderung
    • Neues Online-Portal: Sport-Nachrichten

Neues Schulungsprogramm des Integrationsamtes erschienen – Anmeldung auch online möglich

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales – Integrationsamt – bietet für das Jahr 2012 wieder zahlreiche Schulungsveranstaltungen zum Thema „Arbeit und Schwerbehinderung“ an. Die Schulungsangebote richten sich entsprechend § 102 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) vor allem an

  • Schwerbehindertenvertretungen
  • Beauftragte der Arbeitgeber
  • Betriebs- und Personalräte sowie andere Beschäftigtenvertretungen.

Nach Maßgabe freier Plätze können gegebenenfalls andere Personen an diesen Kursen teilnehmen, Voraussetzung dafür ist, dass es zu deren beruflicher Aufgabe gehört, Menschen mit Behinderungen hinsichtlich des Arbeitsplatzes zu beraten.

Das neue Schulungsprogramm ist soeben erschienen. Erstmals liegt bereits zu Jahresbeginn das Programm für das gesamte Kalenderjahr vor, was allen Interessierten eine längerfristige Planung ermöglicht.
Das Veranstaltungsprogramm mit ausführlicher Beschreibung der Kurse sowie einem Anmeldeformular ist im Internet unter www.berlin.de/lageso/arbeit/schulung veröffentlicht oder zu beziehen unter:

Landesamt für Gesundheit und Soziales
Integrationsamt
Sächsische Straße 28/30
10707 Berlin
E-Mail: integrationsamt@lageso.berlin.de
Ansprechpartnerin Frau Pietsch 90 229 – 33 05

BEM: Überwachungsrecht des Betriebsrats/Personalrats

Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen, nachkommt. Hierfür muss ihm der Arbeitgeber die Namen derjenigen, bei denen die Voraussetzungen für ein BEM vorliegen, nennen. Einer Einwilligung der Betroffenen bedarf es dazu nicht (BAG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 ABR 46/10).
Der Arbeitgeber, ein Unternehmen der Luft- und Raumfahrttechnik, hatte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des BEM geschlossen. Danach erhält das Gremium Quartalsweise eine Übersicht über die Mitarbeiter, die innerhalb des letzten Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Der Arbeitgeber wollte die Namen jedoch nur herausgeben, wenn die Betroffenen zustimmen. Die Arbeitnehmervertretung bestand darauf, sämtliche Namen zu erhalten.

Das BAG gab dem Betriebsrat Recht. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber, allen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, ein BEM anzubieten. Ziel ist es, zu klären, wie sich die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwinden und der Arbeitsplatz erhalten lässt. Ob der Arbeitgeber dieser Pflicht nachkommt, hat der Betriebsrat zu überwachen, § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX. Dies kann er nur, wenn er die Namen der Betroffenen kennt. Dem stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen. Der Arbeitgeber darf die Nennung daher nicht davon abhängig machen, dass die Beschäftigten zustimmen.

_(BAG, Beschluss vom 07.02.2012 – 1 ABR 46/10)_

Bemessung des Grundgehalts nach Besoldungsdienstalter stellt keine Altersdiskriminierung dar

Das Verwaltungsgericht Weimar – 4 K 1005/10 We – hat am 9. Januar 2012 die Klage eines Verwaltungsamtmannes bei einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts des Freistaats Sachsens auf Gewährung des Grundgehalts aus der höchsten Stufe (Endstufe) in der Besoldungsgruppe A 12 zurückgewiesen.
Der Beamte, der die Gewährung des Grundgehaltes im Jahr 2010 statt aus der Stufe 10 aus der Stufe 12 (Endstufe) seiner Besoldungsgruppe A 11 im Widerspruchsverfahren geltend machte und dann gerichtlich einforderte und durch den dbb – beamtenbund und tarifunion – anwaltlich vertreten wurde, berief sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG – und die einschlägige Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit sowie des Europäischen Gerichtshofes.

Das Verwaltungsgericht hat die Bemessung des Grundgehalts nach § 27 Bundesbesoldungsgesetz – BBesG – in der maßgeblichen Fassung sowohl im Rahmen des AGG als auch nach der Richtlinie 2000/78/EG, die durch das AGG ins deutsche Recht umgesetzt worden ist, für zulässig erklärt und betont, dass das festgesetzte Besoldungsdienstalter nicht als rechtswidrige Diskriminierung wegen des Alters verboten ist.

In den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts Weimar ist dazu ausgeführt:
“Anders als in der auch vom Kläger angeführten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung geht es dabei nicht um ein Lebensalterssystem. Lebensalterstufen für Beamte wurden nie eingeführt. Für die Bestimmung des für die Einordnung in die Besoldungsstufen maßgeblichen Besoldungsdienstalters nach § 28 BBesG, stehen für die Tätigkeit im Beamtenverhältnis als wertvoll anerkannte Berufserfahrungen – einschließlich solcher mit anerkannter Sozialrelevanz – im Vordergrund, während das Lebensalter der Beamten lediglich eine pauschalisierenden Berechnungsfaktor bildete (vgl. § 28 Abs. 1 BBesG), dessen Konkretisierung durch den individuellen beruflichen Werdegang erfolgt (§ 28 Abs. 2 und 3 BBesG).”

Das Verwaltungsgericht Berlin hat bereits am 24. Juni 2010 – VG 6 K 17.09 – in einem rechtskräftigen Urteil die Klage eines Beamten auf Lebenszeit im Amt eines Amtsrates (Besoldungsgruppe A 12) beim Bezirksamt Treptow-Köpenick auf Gewährung des Grundgehalts nach der Endstufe abgewiesen.

Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Auf dieser Grundlage hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts – ebenso wie die Vorinstanzen – entschieden, dass die von einem größeren Softwareunternehmen erklärte Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags einer Außendienstmitarbeiterin unwirksam sind. Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Beklagte vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die seit In-Kraft-Treten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des AGG zum 18. August 2006 umstrittene Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an.

Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Der Senat hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

_Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 -_

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Teilurteil vom 24. März 2010 – 6/7 Sa 1373/09 –
Das volle Urteil finden sie unter: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=960dd31239adc8b5cb4e01527fc7733d&nr=15551&linked=urt

Entschädigung wegen der Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Diese Vermutung kann der öffentliche Arbeitgeber durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, welche nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwerbehinderung betreffen. Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter.

Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von
einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700,00 Euro verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat der Senat aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.

_Bundesarbeitsgericht, Urteil 16. Februar 2012 – 8 AZR 697/10 -_
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 5. Oktober 2010
- 13 Sa 488/10 -

Hilfsmittel – keine weitergehende Leistungsansprüche aufgrund UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen

Leitsatz:
In der gesetzlichen Krankenversicherung haben Versicherte keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl zur Teilnahme am Vereinssport. Das gilt auch für Kinder und Jugendliche.

Orientierungssätze:
Aus dem am 3. Mai 2008 in Kraft getretenen „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (UN-Konvention) können keine über § 33 SGB V hinausgehende Leistungsansprüche hergeleitet werden.
Eine nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX begründete Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers (hier: Krankenkasse) erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl. z.B. BSG vom 26.10.2004- B 7 AL 16/04 R= BSGE 93, 283?SozR 4-3250 § 14 Nr. 1).
Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts vom 18.05.2011 – B 3 KR 10/10 R

Auszüge aus dem Kurzinhalt:
Der 1999 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet an einer spastischen Tetraplegie. Er ist deswegen auf den Rollstuhl angewiesen, mit dem er auch von der Beklagten versorgt ist. Zusätzlich zu dem Sport- und Bewegungsangebot der von ihm besuchten Schule für Körperbehinderte beteiligt er sich seit Mitte 2007 an dem wöchentlichen Training und Spielen einer Rollstuhlbasketball-Jugendmannschaft eines Rollstuhl-Sportclubs, der mit seiner Ersten Mannschaft in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga vertreten ist. Deshalb beantragte er im Januar 2008 die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl. Der vorhandene Aktivrollstuhl bremse beim Rollstuhlbasketball die Geschwindigkeit ab und sei viel zu schwer zu handhaben als ein Sportrollstuhl. Zudem sei das Unfallrisiko mit einem Sportrollstuhl deutlich geringer.
Die Beklagte Lehnte den Antrag ab.

Das Sozialgericht (SG) hat den Sport-Übungsleiter des Rollstuhlsportvereins als Zeugen vernommen und die Beklagte sodann antragsgemäß verurteilt, den Kläger mit einem „geeigneten Sportrollstuhl“ zu versorgen; ein solcher Rollstuhl sei zu dessen sozialer Integration und damit zur Erfüllung eines Grundbedürfnisses erforderlich (Urteil vom 15. Juli 2009).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen: Die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl überschreite den Bereich des Basisausgleichs, für den die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beim mittelbaren Behinderungsausgleich ausschließlich zu sorgen hätte. Vereinssport müssen nach der Zuständigkeitsverteilung des SGB IX nicht die Krankenkassen, sonder die Sozialhilfeträger ermöglichen. Für dessen Leistungspflicht bestünden vorliegend mangels Bedürftigkeit indes keine Anhaltspunkte (Urteil vom 21. Januar 2010).

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger, dass die Entscheidung des LSG in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe. Danach sei der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes in den Kreis Gleichaltriger auszurichten. Dazu gehöre auch die aktive Betätigung in einem Sportverein.

Der Senat hat die Revision zurückgewiesen, weil der Kläger durch den ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellten Aktivrollstuhl bereits ausreichend versorgt und damit seinem Grundbedürfnis auf Mobilität erfüllt ist. Besondere zusätzliche qualitative Merkmale, die eine ergänzende Ausstattung mit einem Sportrollstuhl rechtfertigen können, bestehen vorliegend nicht.
Eine darüber hinausgehende sportliche Betätigung oder die Ausübung von Vereinsport, auch in reinen Behinderten-Sportgruppen, müssen nach Zuständigkeitsverteilung des SGB IX nicht die Krankenkassen, sondern allenfalls die Sozialhilfeträger ermöglichen; für deren Leistungspflicht bestanden vorliegend mangels Bedürftigkeit indes keine Anhaltspunkte.
Der Kläger konnte sich auch nicht mit Erfolg auf das „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention war zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten.

Art. 20 UN-Konvention: Danach verpflichten sich die Vertragstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB, insbesondere des SGB IX, Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden zumindest für den Bereich der GKV durch die UN-Konvention nicht begründet.
Die Krankenkasse ist auch nicht nach dem Leistungsrecht eines anderen Reha-Trägers zur Gewährung des Sportrollstuhls verpflichtet. Allerdings oblag der Beklagten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangenem Reha-Träger die Prüfung aller weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchgrundlagen. Denn der materiell-rechtlich-eingentlich zuständige Reha-Träger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Reha-Träger eine im Sinne von § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist.
Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten oder Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte Krankenkasse.

Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht zu beanstanden. Insbesondere ist dem Kläger ein Sportrollstuhl zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf sozialhilferechtlicher Grundlage zur Verfügung zu stellen. Denn nach den Feststellungen des LSG fehlt es dafür jedenfalls an einer Bedürftigkeit des Klägers. Das die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, dieser Frage im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 103 Satz 1 SGG weiter nachzugehen, kann dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden. Im Gegenteil ist im aufgeforderten LSG-Urteil ausdrücklich festgehalten, dass die fehlende Bedürftigkeit des Klägers von seiner Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2010 bestätigt worden ist, diese Feststellung des LSG ist vom Revisionsvorbringen nicht als fehlerhaft gerügt worden. Offen bleiben kann deshalb, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Rollstühlen als Leistung der Eingliederungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden kann.

Dies und Das

Quelle: Kobinet, nullbarriere, Tagesspiegel, DBSV

  • Rückwirkende Anerkennung einer Behinderung.
    Der Familienratgeber der Aktion Mensch weist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) hin, das aufzeigt unter welchen Umständen eine Behinderung auch rückwirkend anerkannt werden kann. Eine Behinderung wird in der Regel erst anerkannt, wenn bei der zuständigen Behörde ein Antrag gestellt wurde. “Eine Behinderung kann aber auch rückwirkend anerkannt werden, wenn ein besonderes Interesse vorliegt (§ 6 Abs 1 Satz 2 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)). Ein besonderes Interesse liegt nach dem Urteil des BSG vor, wenn aus der rückwirkenden Anerkennung der Behinderung ein Anspruch auf die abschlagsfreie Rente für Menschen mit Schwerbehinderung entsteht”, schreibt der Familienratgeber.
    Hier können Sie das Urteil lesen: https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=142242
  • Barrierefreiheit: EU-Gesetz und neues Portal
    Die Europäische Kommission plant ein Europäisches Barrierefreiheitsgesetz. Um die Meinung der Öffentlichkeit dazu einzuholen, hat die Kommission bis zum 29. Februar 2012 eine Online-Umfrage freigeschaltet. Teilnehmen können alle Bürger der EU, aber auch Unternehmen sowie öffentliche und private Organisationen der Zivilgesellschaft.
    Hier finden Sie mehr Informationen und den Link auf die Umfrage: www.barrierefreiheit.de .
    Welche Aspekte Bauherren, Planer und Architekten beim barrierefreien Planen, Bauen und Gestalten von Gebäuden und Einrichtungen berücksichtigen sollten, erklärt die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen im neuen “Portal Barrierefreiheit”. Neben Fachbegriffen werden Rechtsgrundlagen erläutert und Videos mit Planungshinweisen zum Beispiel für die Gestaltung von Aufzügen und Fluren zur Verfügung gestellt.
    Hier finden Sie das Portal: www.unfallkasse-nrw.de/portal-barrierefreiheit .
  • Buchtipp: Rechte der Schwerbehinderten
    Beschreibung: Alles über Ihre Rechte als Schwerbehinderter, Autor: Jochen Link, Band 23, 2011, 127 Seiten, kartoniert Aktueller Preis: € 6,90, ISBN 978-3-648-01792-0

In diesem TaschenGuide erfahren Sie alle wichtigen Details rund um das Schwerbehindertenrecht. Lesen Sie, wie Sie den Antrag korrekt stellen und was Sie bei nachträglichen Änderungen des Gesundheitszustands tun können. Zudem erfahren Sie, welche Folgen die Einstufung als Schwerbehinderter hat.
Inhalte: Der Weg zum Schwerbehindertenausweis: Wie das Verfahren abläuft. Was tun, wenn die Behörde den Antrag ablehnt. Vom Vorstellungsgespräch bis zu Überstunden: die besonderen Rechte von Schwerbehinderten in Ausbildung und Beruf. Das Thema Geld: Ermäßigungen bei Steuern und Abgaben, soziale Absicherung.
Extra: Anhang mit wichtigen Adressen.

  • Werden Hörgeräte billiger?
    Es gibt Hoffnung. Hoffnung nicht nur für die hörgeschädigten Patienten sondern auch für die Krankenkassen: Die oft sehr teuren Hörgeräte können günstiger werden. Das Bundeskartellamt will für mehr Wettbewerb beim Vertrieb der Geräte sorgen. Die Behörde machte den Weg frei für ein breites Angebot und damit auf für mögliche Preisvorteile. Kassenpatienten können bisher oft nur zu niedergelassenen Hörgeräteakustikern gehen, die auch von den Krankenkassen unterstützt wurden. Künftig können sie und Kassen auch eine alternative Versorgung nutzen, wie den direkten Bezug über den behandelten HNO-Arzt. Die nun verbotenen Einschränkungen betreffen von Kassen bezahlte Geräte ohne eigene Zuzahlung.
  • Ambulante Therapie auf Krankenschein
    Kassenpatienten die nach einem Hirntrauma oder Schlaganfall an geistigen oder seelischen Störungen leiden, können sich künftig auch auf Kassenkosten behandeln lassen. Dies beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen und Ärzten einvernehmlich in Berlin. Jährlich erleiden etwa 550.000 Menschen in Deutschland eine Hirnschädigung. Für etwa 40.000 bis 60.000 ist eine ambulante Behandlung angezeigt. Für sie verbessert sich damit künftig die Versorgung, sofern das Bundesgesundheitsministerium keine Einwände erhebt.
  • Bundesagentur bezahlt Dolmetscher
    Die Bundesagentur für Arbeit muss einem gehörlosen Auszubildenden den Gebärdendolmetscher bezahlen. Das geht aus einem Urteil des rheinlandpfälzischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Koblenz hervor (Az.: 7 A 10405/11, OVG). Es handle sich um „eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation im Rahmen der Arbeitsförderung“, hieß es zur Begründung. Als Träger solcher Maßnahmen müsse die Agentur für Arbeit die Kosten tragen. In dem Fall geht es um einen gehörlosen 20-Jährigen, der im August 2008 eine Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker angetreten hätte. Für die Berufsschulbesuche des Mannes hatte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung die Kosten für einen Gebärdendolmetscher gezahlt.
  • Infos zum Studium für Behinderte
    Auch “Behinderte” können ein Studium aufnehmen. Viel entscheidender als für andere ist für sie jedoch eine gründliche Vorbereitung sowie sorgfältige Wahl der Ausbildungsstätte, da die baulichen Gegebenheiten der Hochschule, Wohnungsfragen, Mobilitätsprobleme, Klärung eventuell notwendiger Pflege, technische Lernhilfen, Vorleser und Vorleserinnen etc. pp. für den “behinderten” Studierenden besonders wichtig sind. Um euch eventuelle Zweifel und Ängste vor der Aufnahme eines Studiums zu nehmen, haben wir eine Reihe von Informationen zu diesem Thema gesammelt.
    Das Portal Studis online hat Informationen zum Studium für Menschen mit Behinderung zusammengestellt. Unter anderem geht es um die Studienplatzbewerbung mit Härtefallanträgen über das Portal hochschulstart.de. Infos unter www.studis-online.de/Studieren/studieren-mit-behinderung.php
  • Testamente für Menschen mit Behinderung
    Der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Menschen (BVKM) hat seinen Rechtsratgeber „Vererben zugunsten behinderter Menschen“ aktualisiert. Die neue Broschüre erläutert die erb- und sozialhilferechtlichen Aspekte, um ein so genanntes Behindertentestament anzulegen. Mit dessen Hilfe können Eltern ihrem behinderten Kind finanzielle Mittel zukommen lassen, ohne dass das Sozialamt auf die Erbschaft zugreifen kann. Die Neuauflage berücksichtigt das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2011, worin das Gericht seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Das Urteil eröffne damit neue Möglichkeiten, wie ein Behindertentestament gestaltet werden kann, teilt der BVKM mit. Der Ratgeber ist im Internet und per Post erhältlich.
    Kontakt: Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Menschen e.V., Brehmstraße 4-7, 40239 Düsseldorf, Telefon: 0211/640 04-0, www.bvkm.de
  • Neues Online-Portal: Sport-Nachrichten
    Die neueste Meldung aus der Fußball-Bundesliga direkt neben einer Nachricht zum Rollstuhltanzen: Das bietet das Portal www.behindertensport-news.de . Als erster Anbieter veröffentlicht der Dienst Nachrichten über Leistungssportler mit und ohne Behinderung. Außerdem bietet die Seite ausführliche Informationen aus dem Behinderten-Breitensport, unterteilt nach Blinden-, Gehörlosen-, Rollstuhl- und Schwerhörigensport. Wer selber über Sportereignisse berichten oder Beiträge kommentieren möchte, kann sich als Autor der Internetplattform anmelden. Ein Newsletter und ein Online-Shop runden das Angebot der Seite ab.