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Gegenwärtig bemühen wir uns um die Überarbeitung unseres Internetauftritts. Daher bitten wir um Verständnis, wenn einige Bereiche der Website derzeit nicht auf dem aktuellen Stand sind.

Rundschreiben Nr. 01 / 2011

Rundschreiben Nr. 01-2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir hoffen, sie hatten alle einen guten Start ins Jahr 2011 und konnten sich schon mit ihrer Funktion als „frisch“ oder erneut gewählter Vertrauensperson der Schwerbehinderten Menschen anfreunden.

Im Büro der HVP ging bereits eine Vielzahl von Wahlergebnissen ein, die wir nun mit unseren Daten abgleichen, ändern oder hinzufügen müssen. Falls sie uns noch nicht ihre Daten übermittelt haben, finden sie im Internet unter Rundschreiben Nr. 12-2010 ein Formular, welches sie ausfüllen und an uns senden können.

Im Zuge der Aktualisierung stellen wir auch unsere Datenbearbeitung um. „Nur wer nichts macht, macht keine Fehler“ und somit möchten wir sie bitten, es uns nachzusehen, falls uns ein Fehler unterlaufen ist und möchten sie im gleichen Zuge bitten, uns direkt darauf Aufmerksam zu machen. Vielen Dank!

Themen des heutigen Rundschreibens:

  • Beinbruch auf Weihnachtsfeier ist Arbeitsunfall
    Alle Jahre wieder gibt es die Weihnachtsfeier im Kollegenkreis. Mal fade Pflichtveranstaltung. Mal feuchtfröhliches Fest. Mal zahlt der Chef. Mal zahlt man selbst. Je nach dem, wie das Fest organisiert ist, gilt Feiern als Arbeit im Sinne des Gesetzes. Bei einem Arbeitsunfall zahlt die gesetzliche Unfallversicherung die Behandlung. Es kann Verletztengeld oder sogar Rente geben.
  • Verstärkung der körperlichen Beschwerden durch psychische Leiden
    Zwar ist es bei Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 20 bedingen, vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dies gilt aber nicht, wenn diese Gesundheitsstörungen – hier psychische Leiden – zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden führten
  • Kündigung trotz Schwerbehinderung – Mitteilung versäumt
    Im Betrieb des Arbeitgebers (AG) wurde ein Interessenausgleichsverfahren durchgeführt. Es sollten Kündigungen ausgesprochen werden und eine Kollegin stand auf der entsprechenden Liste. Der AG wusste nicht, dass die Kolln. einen GdB von 40 hatte.
  • Ausstellung des Schwerbehindertenausweises
    Durch den Schwerbehindertenausweis wird nicht nur das vorliegen von Schwerbehinderung nachgewiesen. Vielmehr wird in Zusammenhang mit der Ausstellung des Ausweises auch der Grad der Behinderung festgestellt und auf dem Ausweis eingetragen.

** Eingliederungshilfe für behinderte Menschen: doppelt so viele Empfänger wie noch vor 15 Jahren
** Rente mit 67 – Regierungsbericht
** Beipackzettel endlich gut lesbar
** Mut-mach-Buchtipp: Mein Leben lang nierenkrank

Bericht über die Abwesenheiten der Beschäftigten des unmittelbaren Landesdienstes Berlin im Jahr 2009

Pressemitteilung vom 07.12.2010, 18:10 Uhr

Zum ersten Mal wird mit dem jetzt vorliegenden Bericht der Statistikstelle Personal eine Gesamt-Abwesenheitsquote der Beschäftigten des unmittelbaren Landesdienstes ermittelt: Sie liegt bei 22,4 %. Die durchschnittliche Abwesenheitszeit eines Beschäftigten beträgt 81,9 Kalendertage (von insg. 365 Tagen) und summiert sich für die Beschäftigten insgesamt auf rd. 8,7 Millionen Kalendertage.
In diese Berechnungen sind Abwesenheiten wegen Urlaub, wegen Krankheit/Heilkuren, Abwesenheiten aus familienbezogenen Gründen (wie z.B. Mutterschutz oder Elternzeit) und aus sonstigen Gründen (z.B. Freistellungen für Schöffentätigkeit, Dienstbefreiungen für Tätigkeiten als Wahlhelfer, Wehr- bzw. Ersatz-/Zivildienst etc.) eingeflossen.

Nicht einbezogen sind Abwesenheitszeiten, die durch Fortbildungen oder Dienstreisen entstehen (beides „Dienst am anderen Ort“) oder die auf Grund von Arbeitszeitausgleich (z.B. Anwendungs-Tarifvertrag, Sabbatical, Blockfreizeiten) entstehen. Letztere werden in einem gesonderten Teil des o.g. Berichts separat ausgewiesen. Sie haben einen Umfang von rd. 1, 46 Millionen Kalendertagen (3,7 % der Sollzeit).

Das umfangreiche Zahlenmaterial gewährt sowohl behördenübergreifende wie behörden- und bezirksspezifische Einblicke in Abwesenheitszeiten und Abwesenheitsgründe. So werden auch die Behörden / Bezirke in die Lage versetzt, sich – auf Grund der einheitlichen Methodik – mit anderen Behörden / Bezirken vergleichen zu können.

Erstmalig liegt damit eine Datenbasis vor, die eine umfassende Analyse der Personalsituation im Land Berlin ermöglicht. Derart umfassende Vergleichszahlen liegen aus anderen Bundesländern nicht vor.

Beinbruch auf Weihnachtsfeier ist Arbeitsunfall

Unfall bei Feierlichkeiten

Sozialgericht Berlin – Urteil vom 16. Dezember 2010 – S 163 U 562/09 (liegt schriftlich noch nicht vor): Auch ein Beinbruch im Bowlingcenter ist als Arbeitsunfall von der Unfallversicherung gedeckt, wenn sich der Unfall auf einer betrieblichen Weihnachtsfeier ereignet.

Alle Jahre wieder gibt es die Weihnachtsfeier im Kollegenkreis. Mal fade Pflichtveranstaltung. Mal feuchtfröhliches Fest. Mal zahlt der Chef. Mal zahlt man selbst. Je nach dem, wie das Fest organisiert ist, gilt Feiern als Arbeit im Sinne des Gesetzes. Bei einem Arbeitsunfall zahlt die gesetzliche Unfallversicherung die Behandlung. Es kann Verletztengeld oder sogar Rente geben.

Am Nachmittag des 16. Dezember 2008 traf sich ein Team von Mitarbeitern der Eingangszone des Jobcenters Lichtenberg zur Weihnachtsfeier im Bowlingcenter „Big Bowl“. 17 von 20 Kollegen machten mit, die Teamleiterin fiel wegen Erkrankung ihres Kindes überraschend aus. Als die Gruppe von der Bowlingbahn ins Restaurant wechseln wollte, stolperte die damals 55 jährige Klägerin über eine Stufe und brach sich das linke Bein. Sie war monatelang krank geschrieben und musste 3 Wochen zur Kur.

Von der zuständigen Unfallkasse Berlin begehrte die Klägerin die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall. Die Unfallkasse lehnte ab. Es sei keine offizielle Weihnachtsfeier der Behörde gewesen, sondern nur die private, selbst organisierte Veranstaltung eines kleinen Teams. Zudem habe die Feier außerhalb der Dienstzeit stattgefunden.

Auf den Tag genau 2 Jahre nach dem Unfall wies das Sozialgericht Berlin nun die Auffassung der Unfallkasse zurück: Es war ein Arbeitsunfall. Dazu zählen alle Unfälle, die der versicherten Arbeit zuzurechnen sind, im Unterschied zu Unfällen im privaten Bereich. Unfälle im Zusammenhang mit Betriebsfeiern oder Betriebsausflügen sind versichert, wenn es sich um eine „betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung“ handelt. Das Gericht befragte die damalige Teamleiterin. Dann stellte es fest: Die vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Betriebsfeier lagen vor:
Die Feier soll die Betriebsverbundenheit unter Kollegen und mit den Chefs fördern,

Der Chef billigt und fördert die Feier, übernimmt z. B. die Organisation. Er oder sein Vertreter machen selbst mit (oder hatten dies – wie hier – zumindest fest vor).

Alle Betriebsangehörigen (bei großen Betrieben – wie hier – wenigstens alle einer Abteilung) können teilnehmen, nicht nur einige ausgewählte.

Weitere Entscheidungen zum Thema Arbeitsunfall bei Betriebsfeiern

Weihnachtsfeier von Kriminalbeamten in „Gletscher“ – Skihalle (S 67 U 575/04 – Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2005):
Am 5. Dezember 2003 fand die Weihnachtsfeier eines Berliner Kommissariats der Inspektion „Verbrechensbekämpfung“ in einer Pankower Skihalle statt. Der gemeinsame Skikurs endete für eine damals 42 jährige Berliner Polizistin mit einem Schulterbruch. Das Gericht entschied: Kein Arbeitsunfall, da die Feier nicht vom Chef gebilligt war. Der Polizeipräsident habe extra „Hinweise zur Durchführung von Betriebsausflügen“ erlassen. Danach ist für die Anerkennung als betriebliche Veranstaltung Voraussetzung, dass eine gewisse Mindestzahl von Mitarbeitern teilnehmen kann („mindestens ein Referat“). Diese Mindestzahl ist nicht erreicht gewesen, weshalb es auch keine „von der Autorität des Dienstherrn getragene Veranstaltung“ gewesen ist, sondern eine private Kollegenfeier.

Querschnittslähmung nach Sturz in Spree (S 25 U 121/10 – Urteil vom 4. Oktober 2010):
Am 1. Juli 2008 warteten an den Bootsstegen im Treptower Park rund 30 leitende Krankenpfleger auf die Ankunft von Drachenbooten, um einen Betriebsausflug zu unternehmen. Es herrschten 30 ° C. Plötzlich fiel der Kläger vollständig bekleidet kopfüber in die hier nur 60 cm tiefe Spree. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Nach Befragung von Kollegen erkannte das Gericht einen Arbeitsunfall an: Der Kläger ist eindeutig während einer betrieblichen Veranstaltung verunglückt. Ob er wegen der Hitze ins Wasser gefallen oder aus Übermut eigenmächtig gesprungen ist, war nicht aufklärbar. Damit war im Zweifel zu Gunsten des Klägers zu entscheiden. Die Unfallkasse hätte beweisen müssen, dass es sich um einen gewollten Kopfsprung gehandelt hat, der nicht mehr im Zusammenhang mit dem Betriebsausflug stand.

Folgenreiche Straßenbahnfahrt nach Eisbeinessen (S 98 U 794/08 – Urteil vom 9. Dezember 2010):
Am Freitag, den 15. Februar 2008, feierte eine Gruppe von Ein-Euro-Jobbern ihren Abschied aus einem Förderprojekt. Es gab Eisbein, für das jeder 5 Euro zahlen musste. Der Kläger fuhr gegen 23.30 Uhr mit der Straßenbahn nach Hause. In einer Linkskurve fiel er vom Sitz und brach sich einen Wirbel. 10 Tage lag er im Krankenhaus. Das Sozialgericht entschied: Kein Arbeitsunfall. Grundsätzlich ist zwar auch der Arbeitsweg mitversichert. Das gilt aber nicht, wenn zwischen Arbeit und Weg eine Unterbrechung von mehr als 2 Stunden liegt. So war es hier, denn eigentliches Dienstende war bereits um 16.30 Uhr. Die Feier war keine (die Arbeitszeit gewissermaßen verlängernde) Betriebsveranstaltung. Die Idee kam allein von den Mitarbeitern. Diese organisierten und zahlten alles selbst. Die Chefin stellte nur den Raum zur Verfügung.

Pressemitteilung, Berlin, den 17.12.2010, Rückfragen: Senatsverwaltung für Justiz

Verstärkung der körperlichen Beschwerden durch psychische Leiden

LSG Berlin-Brandenburg – 13 SB 366/09 – Urteil vom 09.09.2010

Zwar ist es bei Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 20 bedingen, vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Dies gilt aber nicht, wenn diese Gesundheitsstörungen – hier psychische Leiden – zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden führten.

Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren über die Höhe des bei der Klägerin festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Auf den Antrag der 1943 geborenen Klägerin von März 2002 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

a) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsstörungen durch Fußfehlform, Krampfaderleiden (30),
b) Bluthochdruck (10).

Das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens “G” verneinte er.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az. S 9 SB 76/03 hat die Klägerin die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50 und des Merkzeichens “G” begehrt. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte angefordert sowie Beweis erhoben durch Einholung der Gutachten des Chirurgen Dr. K vom 25. April 2004, ergänzt durch Stellungnahme vom 29. Juli 2004, und des Nervenarztes Dr. L vom 22. September 2004. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2004 hat die Klägerin beantragt, den Gutachter Dr. L für befangen zu erklären. Die damalige Vorsitzende der Kammer hat in einem Vermerk von Februar 2005 festgehalten, dass der Prozessbevollmächtigte auf einen Beschluss verzichte und sie ein neues Gutachten einhole. Der Beweisanordnung war ein gerichtliches Schreiben an die von ihr als Sachverständige bestellte Anästhesistin Dr. B beigefügt, wonach das Gutachten des Dr. L nicht zu verwerten sei. Daraufhin hat die Klägerin auf einen Ablehnungsbeschluss gegen Dr. L verzichtet. Unter dem 28. September 2005 hat die Sachverständige Dr. B ihr Gutachten erstattet.

Das Sozialgericht Potsdam hat – nach dem Wechsel der Vorsitzenden – den Beklagten mit Urteil vom 31. August 2006 verurteilt, einen GdB von 40 ab September 2003 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. auf das Gutachten des Nervenarztes Dr. L abgestellt. Der Ansicht der Klägerin, dass das Gutachten nicht verwertbar sei, ist es nicht gefolgt. Aufgrund dieses Urteils hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 28. September 2006 bei der Klägerin einen GdB von 40 ab September 2003 festgestellt.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht mit Urteil vom 16. Mai 2007 (Az. L 13 SB 162/06) das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Nach Einholung von Befundberichten und des Gutachtens des Allgemeinmediziners und Diplompsychologen B vom 18. Juni 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Oktober 2009 die nunmehr nur noch auf Zuerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage abgewiesen: Ein Gesamt-GdB von 40 sei bis Mai 2009 bei berücksichtigungsfähigen Einzel-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, von 20 für die chronisch-venöse Insuffizienz und von 20 für die psychische Störung mehr als großzügig bemessen, jedoch ab Juni 2009 unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 30 für die nach überzeugender Einschätzung des Sachverständigen B sich verstärkt habende psychische Störung gerechtfertigt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, bei ihr lägen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vor, die mit Einzel-GdB von 30 bzw. 30 bis 40 zu bewerten seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2003 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 28. September 2006 zu verpflichten, bei der Klägerin ab 2. Juni 2003 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Festsetzung eines GdB von 50 ab 2. Juni 2003.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 1996, 2004, 2005 und – zuletzt – 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten “Versorgungsmedizinischen Grundsätze” in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP – ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre – abgelöst haben.

Im Anschluss an die Ergebnisse des Sachverständigen B in dessen Gutachten vom 18. Juni 2009 hat die Sozialmedizinerin Dr. H in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. September 2009 die Krampfaderbildung beider Beine mit Stauungszeichen, das postthrombotische Syndrom am rechten Bein und die Fußfehlform mit Ballenbildung mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet. Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen, da sie den Vorgaben in Nr. 26.9 (S. 74f.) der AHP bzw. in Teil B Nr. 9.2.3 (Bl. 50) der Anlage zu § 2 VersMedV entspricht. Trotz des Fehlens rezidivierender Entzündungen erscheint der Einzel-GdB von 30 insbesondere im Hinblick auf die ausgeprägten Stauungszeichen und das ausgeprägte postthrombotische Syndrom unter Berücksichtigung der Fußfehlform gerechtfertigt.

Die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule sind bei der Klägerin mit einem Einzel-GdB von 20 bis 30 anzusetzen. Zwar haben die gerichtlichen Gutachter – insoweit übereinstimmend und überzeugend – die Funktionseinschränkungen seitens der Wirbelsäule als nur gering- bis mittelgradig einschätzt. Dem Wortlaut der Vorgaben in Nr. 26.18 (S. 116) der AHP bzw. in Teil B Nr. 18.9 (Bl. 90) zufolge, wonach ein Einzel-GdB von 30 (bis 40) erst bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten in Betracht kommt, wäre hiernach ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen, wovon auch der Beklagte im Anschluss an die Bewertung durch den Sachverständigen B ausgeht. Diese Betrachtungsweise berücksichtigt jedoch nicht, dass bereits für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ein Einzel-GdB von 20 vorgesehen ist. Vorliegend sind, worauf der Sachverständige Dr. K in seinem Gutachten vom 25. April 2004 hingewiesen hat, Veränderungen am gesamten Achsorgan der Klägerin nachweisbar, weshalb hier, um den Funktionsbeeinträchtigungen hinreichend Rechnung zu tragen, in Übereinstimmung mit diesem Gutachter die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule bei der Klägerin bereits mit einem Einzel-GdB von 20 bis 30 zu bewerten sind.

In seinem Gutachten vom 18. Juni 2009 hat der Sachverständige B für die psychischen Störungen der Klägerin einen Einzel-GdB von 20 ab Juni 2003 vorgeschlagen. Er hat die Fixierung der Klägerin auf deren körperliche Beschwerden diagnostisch einer Somatisierungsstörung zugeordnet und auf den hausärztlichen Befundbericht der Allgemeinmedizinerin Dr. H vom 17. August 2003 verwiesen, die mitgeteilt hat, dass die Klägerin seit Mai/Juni 2003 zunehmend an Depressionen und psychovegetativen Störungen leide und eine psychotherapeutische Behandlung aufnehmen werde. Diese Einschätzung hält der Senat für überzeugend, denn sie bewegt sich in dem nach Nr. 26.3 (S. 48) der AHP bzw. in Teil B Nr. 3.7 (Bl. 27) für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen vorgesehenen GdB-Rahmen von 0 bis 20. Ob der Einzel-GdB für das psychische Leiden der Klägerin entsprechend dem Vorschlag des Sachverständigen B im Hinblick auf die Chronifizierung der Somatisierungstörung ab Gutachtenerstellung auf 30 zu erhöhen ist oder ob – wie die Klägerin vorträgt – wegen ihrer Depressionen insgesamt anzuheben ist, kann dahinstehen. Denn hierauf kommt es nicht an. Bereits bei Berücksichtigung eines Einzel-GdB von 20 ist der Klägerin der von ihr begehrte GdB von 50 zuzuerkennen.

Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Nr. 19 Abs. 3 der AHP bzw. Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Aus den beiden höchsten Einzel-GdB von 30 für die Krampfaderbildung beider Beine mit Stauungszeichen, das postthrombotische Syndrom am rechten Bein und die Fußfehlform mit Ballenbildung einerseits sowie von 20 bis 30 für die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule andererseits ist unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Auswirkungen aufeinander und im Hinblick auf das mit einem Einzel-GdB von 20 bewertete seelische Leiden ein Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Zwar ist es nach Nr. 19 Abs. 4 der AHP bzw. Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV bei zusätzlichen leichten Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 20 bedingen, vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Vorliegend ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass die psychischen Leiden, wie sich aus dem Befundbericht der Hausärztin Dr. H vom 17. August 2003 ergibt, schon Anfang Juni 2003 zu einer weiteren subjektiven Verstärkung der körperlichen Beschwerden führten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.

Kündigung trotz Schwerbehinderung – Mitteilung versäumt

Im Betrieb des Arbeitgebers (AG) wurde ein Interessenausgleichsverfahren durchgeführt. Es sollten Kündigungen ausgesprochen werden und eine Kollegin stand auf der entsprechenden Liste. Der AG wusste nicht, dass die Kollegin einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 hatte.

Dies war auch nicht offensichtlich. Noch während der laufenden Verhandlungen über die Kündigungen zwischen AG und BR stellte sie einen neuen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung. Leider teilte sie jedoch dem AG dies nicht mit. Dann kam die Kündigung und die Kolln. reichte Kündigungsschutzklage ein.

Erstmalig mit Übersendung der Kündigungsschutzklage erfuhr der AG von dem Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung. Die Kündigungsschutzklage ging zwar rechtzeitig innerhalb der 3-Wochen-Frist ein, die Klage wurde dem AG aber erst 4 Wochen nach Ausspruch der Kündigung zugestellt. Tatsächlich wurde der Kolln. dann auch später ein GdB von 50 zugesprochen. Deshalb berief Sie sich auch auf den besonderen Kündigungsschutz nach SGB IX sowie auf darauf zurückzuführende Fehler in der sozialen Auswahl.

Zu spät, wie das LAG feststellte. Der AG habe erst nach Ablauf von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung vom Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung erfahren. Dies sei zu spät gewesen. Daher könne sich die Kollegin nun nicht mehr auf den Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und damit zusammenhängende Auswahlfehler berufen.

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Juli 2010 – 1 Sa 403 e/09

Ausstellung des Schwerbehindertenausweises

Rechtsgrundlagen §§ 68 bis 70 SGB IX

Schwerbehinderte Menschen haben zahlreiche Nachteilsausgleiche, vor allem auch in Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis (z.B. Sonderurlaub). Um die Schwerbehinderung zu beweisen, wird in der Regel die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises gefordert. Dieser Ausweis wird auf Antrag des schwerbehinderten Menschen ausgestellt. Zuständige Stellen sind die Behörden, die für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständig sind (in der Regel das Versorgungsamt). Einzelheiten regelt das Landesrecht.

Durch den Schwerbehindertenausweis wird nicht nur das vorliegen von Schwerbehinderung nachgewiesen. Vielmehr wird in Zusammenhang mit der Ausstellung des Ausweises auch der Grad der Behinderung festgestellt und auf dem Ausweis eingetragen.

Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist im Übrigen nur zu treffen, wenn ein GdB der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt.
Feststellungen zum GdB der Behinderung werden nicht getroffen, wenn dies bereits behördlicherseits (z.B. in einem Rentenbescheid) geschehen ist. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft vor, wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit festgestellt.

Wichtig: Wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen. Der Anspruch auf die Nachteilsausgleiche ergibt sich aus Merkzeichen, die auf dem Schwerbehindertenausweis eingetragen werden.

Der Schwerbehindertenausweis wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist (z.B. kein ausreichender GdB mehr). Im Übrigen wird der Ausweis berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist.

Mehr Infos zum Thema Schwerbehindertenausweis finden Sie in der Broschüre „Behinderung und Ausweis“ vom LaGeSo, die Sie dort kostenlos anfordern können oder im Internet unter www.lageso.berlin.de

Dies und Das oder in Kürze mitgeteilt

  • Eingliederungshilfe für behinderte Menschen: doppelt so viele Empfänger wie vor 15 Jahren
    Die Zahl der Empfänger von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen hat sich seit 1994 verdoppelt: Bezogen im Jahr 1994 in Deutschland etwa 360 000 Menschen entsprechende Leistungen, waren es in 2009 rund 725 000 Menschen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, nahmen 1994 somit 4 von 1 000 Einwohnern mit einem durchschnittlichen Alter von 30 Jahren die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Anspruch. Fünfzehn Jahre später erhielten 9 von 1 000 Einwohnern diese Hilfe. Ihr Durchschnittsalter lag bei 33 Jahren.

Weitere Auskünfte gibt: Antje Lemmer, Telefon: (0611) 75-8157, www.destatis.de/kontakt

  • Rente mit 67 – Regierungsgericht
    Die Bundesregierung hält an der Rente mit 67 fest. Das geht aus dem Bericht der Bundesregierung hervor. Die Altersgrenzen werden ab 2012 von derzeit 65 Jahren schrittweise über 18 Jahre hinweg auf das 67. Lebensjahr angehoben. Ziel sei die Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch die Altersgrenze für die Rente für schwerbehinderte Menschen wird von heute 63 Jahren schrittweise um zwei Jahre auf 65 Jahre angehoben. Die Altergrenze für den vorgezogenen Rentenbezug wird dabei von 60 auf 62 Jahre erhöht. Dabei bleibt es bei einem maximalen Abschlag von 10,8 % bei einer frühesten möglichen Inanspruchnahme drei Jahre vor dem abschlagsfreien Bezug (s. Punkt 2.5.4 des Berichts). Den gesamten Bericht „Aufbruch in die altersgerechte Arbeitswelt“ finden Sie hier:

www.bmas.de/portal/49086/anlage

  • Beipackzettel endlich gut lesbar
    Blinde und sehbehinderte Menschen können die Gebrauchsinformationen von Arzneimitteln jetzt auch in für sie lesbarer Form im Internet abrufen. Die Online-Beipackzettel sind seit Juni 2010 unter der Internetadresse www.patienteninfo-service.de abrufbar. Diese Web-Site ist barrierefrei gestaltet. Die Kontrastansicht soll Sehbehinderten das Lesen erleichtern, ist aber auch für Normalsichtige gut geeignet.

Dieses neue Angebot wurde von der Rote Liste Service GmbH in enger Kooperation mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) entwickelt. Letzterer hat bereits vor einigen Jahren gefordert, Beipackzettel in einer auch für Blinde und Sehbehinderte geeigneter Form anzubieten. Die Arzneimittelinformationen können in vier Formaten abgerufen werden: Normaldruck, Großdruck speziell für Sehbehinderte, als Web-Site, die auch elektronisch vorgelesen werden kann und als navigierbares Hörbuch im DAISY-Format.

Es haben bereits viele Pharma-Hersteller ihre lesbaren Gebrauchsanweisungen auf das Infoportal gestellt. Der Patienteninfo-Service soll nach und nach um weitere Gebrauchsanweisungen aufgestockt werden.

  • Ein Mut-mach-Buchtipp: „Mein Leben lang nierenkrank“
    „Wir können trotz Beeinträchtigungen unsere Träume erfüllen, nur müssen wir sie gründlicher vorbereiten als gesunde Menschen“ – so lautet das Lebensmotto von Marion Petznik, der Autorin von „Mein Leben lang nierenkrank“. Marion Petznick schreibt, wie es für sie war, von der Dialyse abhängig zu sein, und wie die Nierentransplantation ihr Leben nachhaltig verändert hat. Sie erzählt weiter, wie sie es trotz ihrer Erkrankung geschafft hat, ihre Ziele zu verwirklichen. Ihre Biographie ist ein Mut-mach-Buch, das Menschen in ähnlichen Situationen zur Hilfe zur Selbsthilfe anregen möchte. Ihre Erfahrungen mit der Erkrankung motivierten die Autorin dazu, sich in Selbsthilfegruppen zu engagieren und eine eigene Seminarreihe für andere Betroffene zu entwickeln. Sie entwickelte die Idee für ein bundesweites Netzwerk, auf dem das „Heim-Dialyse-Projekt“ aufbaut. Außerdem ist Marion Petznick Initiatorin und Vorsitzende des Vereins „Heim-Dialyse-Patienten e.V.. Das Buch enthält zudem praktische Tipps zu Ernährung, Reisen und Sport für nierenkranke Menschen.

Mein Leben lang nierenkrank. Buch von Marion Petznick, 248 Seiten, Paperback, erschienen 2010, Preis 13,90 Euro, ACABUS Verlag, Hamburg