Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute in mehreren Verfahren die Rechtswidrigkeit jahrelanger Überwachungsmaßnahmen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (Bundesamt) festgestellt. Seit 1998 bis September 2006 wurden Telefonate, E-Mails und Post der Kläger abgehört bzw. überwacht. Anlass war der vom Bundesamt behauptete Verdacht, diese seien Mitglieder der zur linksautonomen Szene gerechneten sog. „militanten gruppe.“
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts hat in ihren Urteilen festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahmen von Anfang an nicht vorlagen. Eingriffe in die Telekommunikationsfreiheit seien nur als letztes Mittel der Aufklärung zulässig, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben oder von vornherein aussichtslos seien. Bereits im Antrag auf Anordnung der beabsichtigten Überwachungsmaßnahmen beim hierfür zuständigen Bundesministerium des Inneren hätte das Bundesamt diese Voraussetzungen bezogen auf den konkreten Sachverhalt darlegen müssen. In seinen Anträgen habe es aber nicht hinreichend konkret begründet, dass die mit den Maßnahmen beabsichtigte Erforschung des Sachverhalts nicht auf andere Weise hätte erfolgen können. Auch hätten keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den vom Bundesamt geäußerten Verdacht vorgelegen, die Kläger gehörten der „militanten gruppe“ an. Vielmehr sei aus der Analyse von Verlautbarungen verschiedener Gruppen auf die Identität der Gruppenmitglieder geschlossen worden, ohne dass ein hinreichender Bezug zu den einzelnen Klägern hergestellt worden sei. Auch andere Verhaltensweisen der Betroffenen, wie z. B. zeitweises Nichttelefonieren, habe das Bundesamt ohne weitere konkrete Anhaltspunkte unzutreffender Weise als tatsächliche Anhaltspunkte für den angenommenen Verdacht angesehen.
Gegen die Urteile kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.
Urteile der 1. Kammer vom 1. März 2012 – VG A 391.08 u.a.