Die Präsidentin des Kammergerichts
- Pressestelle der Berliner Strafgerichte -
Mehr als 13 Jahre nach dem spektakulären Überfall auf eine Bankfiliale in Berlin-Zehlendorf hat eine Jugendkammer den heute 33 Jahre alten Angeklagten Rodi I. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die Kammer hob zudem den gegen I. seit Juli 1995 bestehenden Haftbefehl auf.
Vier Mittäter des Angeklagten hatten am Vormittag des 27. Juni 1995 maskiert und schwer bewaffnet die Bank gestürmt, Schüsse abgegeben und unter Bankangestellten und Kunden insgesamt 16 Geiseln genommen. Neben Lösegeld in Höhe von 17 Millionen DM hatten sie das Bereitstellen eines Hubschraubers und weiterer Fluchtfahrzeuge gefordert. Im Falle der Nichterfüllung ihrer Forderungen hatten die Täter mit der Exekution von Geiseln gedroht. Diese harrten bis zum Eingreifen der Polizei um 4.00 Uhr am Morgen des 28. Juni 1995 in Todesangst aus. Währenddessen hatten die Täter im Keller die Schließfächer der Bankfiliale in dem großbürgerlichen Bezirk Berlins aufgehebelt und waren mit mindestens 16, 3 Millionen DM längst unbemerkt über ein zuvor in monatelanger Arbeit erstelltes Tunnelsystem verschwunden.
Der Tatbeitrag des in der Hauptverhandlung geständigen Angeklagten Rodi I. hatte zum einen in der Mithilfe am Bau des Tunnels gelegen. Am Tattag selbst war er durch diesen unter die Bank vorgedrungen und hatte gemeinsam mit einem weiteren Mittäter den Zu-gang zur Bank hergestellt. Mit einem „Kuhfuß“ hatte I. Schließfächer aufgehebelt, die Beute sortiert und war schließlich beim Abtransport und der Flucht durch den Tunnel beteiligt.
Während seine fünf Mittäter alsbald festgenommen werden konnten und durch das Landgericht Berlin im Juli 1996 zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und 13 Jahren verurteilt wurden, war der Angeklagte untergetaucht und hielt sich im Libanon auf. Nur drei Monate später wurde er dort festgenommen, angeschossen und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt: Rodi I. verbüßte von Oktober 1995 bis Oktober 1998 Haft im Libanon.
In Ermangelung eines entsprechenden zwischenstaatlichen Abkommens hinderte die dortige Verurteilung nicht die Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland.
Das im Libanon abgegebene Geständnis des Angeklagten sei indes unverwertbar für den hiesigen Prozess, urteilte das Gericht. Im Rahmen der heutigen Hauptverhandlung hatte der Verteidiger die eindringliche und glaubhafte Schilderung des Angeklagten über Folter, schwere Misshandlungen während der Vernehmungen und schlechte Haftbedingungen im Libanon verlesen.
Die Sache sei „bemerkenswert“ und wohl einzigartig, was Tat, Persönlichkeit des Angeklagten und Auswirkungen betreffe, befand der Vorsitzende in seiner mündlichen Urteilsbegründung.
Es handele sich um ein Verbrechen, das ganz deutlich zwei Seiten habe: einer gewissen Faszination könne man sich in Anbetracht des Tunnelbaus und der Planung des Einbruchs einerseits nicht entziehen. Auf der anderen Seite stünden die Qualen der Opfer in der Bank, die zum Teil aufgrund ihrer Erlebnisse noch heute in ihrer Lebensführung schwer beeinträchtigt seien. Diese Tatfolgen müsse sich der Angeklagte zurechnen lassen, auch wenn er nur im Tunnel und im Keller der Bank tätig geworden sei und keinen Kontakt zu den Geschädigten gehabt habe. Der Angeklagte selber sei zum Tatzeitpunkt noch sehr jung und von seinem älteren Bruder, einem der Mittäter, beeinflusst gewesen. Dieser habe in Berlin bei ihm Vaterstelle angenommen, weil sich seine Eltern stets im Libanon befunden hätten. Er habe sich weder vor noch nach der Tat je etwas zu schulden kommen lassen, sondern führe heute ein rechtschaffenes Familienleben in Schweden.
Die Schwere des Verbrechens und das Bedürfnis nach einem gerechten Schuldausgleich bedingten aber noch heute die Verhängung einer Jugendstrafe.
Selten seien die Urteile der Kammer jedoch praktisch so „bedeutungslos“, schloss der Vorsitzende die Begründung: Während die erlittene Auslieferungshaft des Angeklagten in Schweden in der Zeit vom 2. Juni bis zum 29. August 2008 im Verhältnis 1:1 auf die heute verhängte Jugendstrafe anzurechnen sei, müsse man eingedenk der Haftverhältnisse im Libanon auf die dort erlittene Freiheitsentziehung den Maßstab 1:2 anwenden, so dass die heute erkannte Strafe als verbüßt zu gelten habe.
Das Urteil ist rechtskräftig; sowohl Angeklagter als auch Staatsanwaltschaft haben auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet.
Presseberichterstattung vom 4. Juni 2008 bis 4. September 2008
Iris Berger
Pressesprecherin