Ermittlungsverfahren gegen einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes wegen mutmaßlich fehlerhafter Visa-Erteilungen eingestellt

Pressemitteilung vom 09.12.2024

Ein Ermittlungsverfahren gegen einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, der durch die mutmaßlich fehlerhafte Ausstellung von Visa afghanischen Staatsangehörigen die Einreise nach Deutschland ermöglicht haben soll, hat die Staatsanwaltschaft Berlin eingestellt. Nach Auswertung der ermittelten Unterlagen liegen keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten mehr vor.

Gegenstand des auf eine Strafanzeige des Bundespolizeipräsidiums vom 15. Februar 2024 von Amts wegen eingeleiteten Ermittlungsverfahrens war ursprünglich die Einreise von 16 Personen aus Islamabad, die am 18. Januar 2024 am Flughafen Hannover zur grenzpolizeilichen Einreisekontrolle vorstellig geworden waren. In den vorgelegten Ausweispapieren waren Visa vermerkt, obwohl die Reisepässe (aus unterschiedlichen Gründen) nicht visierfähig waren. Fünf dieser Visa soll der hiesige Beschuldigte ausgestellt haben, die übrigen elf Reisepässe wurden von einem anderen Mitarbeiter visiert. Das Ermittlungsverfahren wird insoweit von der Staatsanwaltschaft Cottbus geführt.

Bei Ankunft eines Charterfluges aus Islamabad in Leipzig am 1. Februar 2024 wurde ein weiterer afghanischer Einreisender bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle vorstellig, bei dem ebenfalls der Verdacht bestand, dass dessen Reisepass ein von dem hiesigen Beschuldigten fehlerhaft ausgestelltes Visum aufwies.

Aus den weiteren Ermittlungen ergaben sich zudem Hinweise auf vier zusätzliche Fälle einer möglicherweise fehlerhaften Visumserteilung. Insgesamt waren somit zehn Fälle Gegenstand des Berliner Verfahrens.

Die nun erfolgte Verfahrenseinstellung beruht darauf, dass aus rechtlichen Erwägungen selbst dann keine Anhaltspunkte für ein strafbares Handeln des Visaentscheiders gegeben wären, wenn die Eintragung dieser Visa tatsächlich nicht vorschriftsgemäß erfolgt wäre.

Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, dass alle eingereisten Personen ohnehin faktisch infolge des humanitären Sonderverfahrens zur Aufnahme von Schutzbedürftigen afghanischer Ortskräfte aus Islamabad („Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“) einreiseberechtigt waren.

Durch die zur Erteilung von Visa festgelegten Verfahrensvorschriften soll daher in erster Linie die Identität der Einreisenden sicher festgestellt, also verhindert werden, dass Visa für nicht einreiseberechtigte Personen ausgestellt werden. Deshalb wären sogenannte „Proxy-Ausweise“ (hier handelt es sich nicht um Fälschungen, sondern um Ausweise, die ohne eine Vorsprache des Passinhabers ausgestellt wurden), wie sie in neun Fällen vorgelegt wurden, nicht visierfähig. Es hätte vielmehr das Verfahren zur Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer*innen (RAfA) durch eine andere Dienststelle eingeleitet werden müssen. Gleiches gilt für den Reisepass einer weiteren Person, der – nach den eigenen Angaben der betroffenen Person – ein unrichtiges Geburtsdatum enthielt. Dies beruhte auf einer Fortschreibung schon fehlerhafter Angaben in der der afghanischen Geburtsurkunde.

In allen Fällen bestanden keine Zweifel an der Identität der Einreisenden. Das bedeutet: Wären die möglicherweise nicht eingehaltenen Verfahrensvorschriften beachtet worden, wäre den letztlich eingereisten zehn Personen – darunter sieben Kinder im Alter zwischen einem und acht Jahren – das entsprechende Visum erteilt worden, weil sie einreiseberechtigt waren.

Anknüpfungspunkt für strafbare Handlungen könnte vor diesem Hintergrund allenfalls die vorsätzliche Nichteinhaltung des vorgesehenen Verfahrens sein.

Ein hinreichender Tatverdacht für eine mittelbare Falschbeurkundung im Amt nach § 348 des Strafgesetzbuches liegt allerdings nicht vor: Entscheidend ist hier die Art der Beurkundung. Bei sogenannten „Dispositivurkunden“, zu denen Visa zählen, wird inhaltlich nicht das Vorliegen eines vom Urkundenaussteller geprüften Sachverhalts bezeugt, sondern eine amtliche Entscheidung in Kraft gesetzt. Von einer „Unrichtigkeit“ kann deshalb nur ausgegangen werden, wenn der beurkundete Verwaltungsakt tatsächlich nichtig wäre. Hierfür reicht die einfache, formelle Rechtswidrigkeit nicht aus. Nichtig wäre die Visa-Erteilung nur, wenn der darin liegende Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden formellen oder sachlichen Fehler leiden würde und dies bei vollständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich wäre. Das ist hier schon deshalb nicht der Fall, weil die Visa ohnehin zu erteilen gewesen wären.

Auch eine Urkundenfälschung nach § 267 des Strafgesetzbuches liegt nicht vor, weil der Beschuldigte die Pässe durch die Anbringung der Visa nicht verfälscht, deren eigentlichen Erklärungsgehalt also nicht verändert hat.

Für eine Rechtsbeugung gemäß § 339 des Strafgesetzbuches fehlt es daran, dass der Beschuldigte – anders als z.B. ein Richter – nicht selbständig ein rechtlich vollständig geregeltes Verfahren zu leiten oder zu entscheiden hatte.

Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz (strafbar als „Einschleusen von Ausländern“ gemäß § 96 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes) scheitert letztlich daran, dass die einreisenden Personen selbst keine strafbaren Handlungen begangen haben, die der Beschuldigte durch die verfahrensfehlerhafte Visa-Erteilung hätte unterstützen können.

In einem zweiten in diesem Zusammenhang bei der Staatsanwaltschaft Berlin geführten Ermittlungsverfahren dauern die Ermittlungen derzeit noch an. Dieses Verfahren wird gegen einen anderen Mitarbeiter des Auswärtigen Amts geführt. Anknüpfungspunkt für ein möglicherweise strafbares Verhalten ist hier der Vorwurf, der Beschuldigte habe in dem Wissen, dass ein gefälschter afghanischer Pass vorgelegt worden ist, die Weisung erteilt, diesen zu visieren.