Wegen ihm warfen sich die Menschen von den Klippen: Lord Byron ist der
Inbegriff des romantisch-revolutionären Künstlers. Sein Stück Sardanapal
gehört zurück auf den Spielplan unserer Theater.
Ein Plädoyer von
Fabian Hinrichs.
Vor 150 Millionen Jahren war es in Europa warm und feucht und riesige
Brontosaurier fraßen Zypressenwipfel kahl. Vor 15.000 Jahren dann
herrschte Eiszeit, die Erdoberfläche war von meterhohen Gletschern
bedeckt, Leben war keines zu finden. Das weiß man. Und es erstaunt
niemanden. Und auch, dass die Zeit jeden von uns totschlägt und selbst
vom großen Alexander nur Staub bleibt, der ein Spundloch stopft, ist
schon oft gedacht und geschrieben worden. Dass aber ein Mann, der vor
200 Jahren dem Seelenzustand einer ganzen Zeit seinen Namen lieh, nach
dessen Tod sich Frauen von Klippen und Männer in Mutlosigkeit stürzten,
dass dieser Mann und all seine Werke vollkommen vergessen wurden, – das
ist bemerkenswert, ernüchternd und zu betrauern.
Dieser sehr vergessene Mann, Dichter, Politiker, Reisende, Magersüchtige
und Freiheitskämpfer mit deformierten Achillessehnen, von dem hier die
Rede ist, war George Gordon Byron, damals auch bekannt als Lord Byron.
Die kulturelle Bewegung, die seinen Namen trug, nannte sich
„Byronismus“, der „Weltschmerz“, ein furchtbarer, lebenslanger Schmerz,
den er hätte nur enden können, wenn die Welt geendet wäre. Und die
vergessenen Werke des angelsächsischen Erfolgsautors Nummer Eins der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heißen „Manfred“, „Childe Harold“,
„Kain“ und – „Sardanapal“. Aber während „Nathan der Weise“ und überhaupt
Lessing im Allgemeinen ruhig eine Zeit lang auf der Ersatzbank der
Theaternationalmannschaft Platz nehmen könnten, verdient insbesondere
die mühelose, frecherweise als Tragödie bezeichnete und Goethe gewidmete
peinlicherweise vergessene Melange aus Tragödie, Burleske und Melodram
namens „Sardanapal“ eine strahlende Wiedergeburt.
Runtime: Thu, 12/10/2023 to Thu, 12/10/2023