Auszug - Rote Stolpersteine gegen das Vergessen
Der BzVV informiert zu seinen Gründen, die vom Antragsteller zum
Antrag eingereichte schriftliche Begründung nicht auf der Drucksache abdrucken
zu lassen. Er habe sie abgelehnt. Seiner Auffassung nach wurde in der
Begründung die Menschenwürde anderer angegriffen. Sie wurden beschimpft,
verächtlicht gemacht oder verleumdet. Mittels Verachtung und Ablehnung sollte
eine schärfere Haltung gegen Bevölkerungsteile erzeugt werden. Dieses ist
seiner Meinung nach nicht zulässig. Nach GO kann jeder Antrag nach Aufruf des
Tagesordnungspunktes auch mündlich begründet werden. Dazu erteilt er Herrn
Voigt das Wort. Ab hier wurde ein Wortprotokoll erstellt. Herr Voigt: Herr Vorsteher,
verehrte restliche Damen und Herren, die noch anwesend sind. Ich lasse mir
natürlich das ausdrückliche Begründungsrecht, was ja im § 34 Abs. 1 geregelt
ist, nicht nehmen. Ich verwehre mich natürlich ausdrücklich gegen den Versuch
einer Zensur. Wie wichtig es ist, unsere Forderung Rote Stolpersteine gegen
das Vergessen, können wir alleine daran sehen, dass in 2 großen Berliner
Tageszeitungen in den letzten Tagen die Behauptung aufgestellt wurde, im
Bereich des Bezirkes Neukölln würde sich die NPD mit solchen Anträgen
lächerlich machen, da dies ja amerikanische Besatzungszone gewesen sei und
offensichtlich eine völlige Unkenntnis in der Redaktion und bei der Redakteurin
und bei dem Redakteur darüber gewesen ist, dass Berlin ab dem 23. April in
Gänze von sowjetischen Truppen besetzt worden ist. Herr Vorsteher, erlauben Sie
mir ein Zitat aus einem Fischer-Taschenbuch zu meinen Ausführungen. Und zwar
möchte ich gerade, um hier nicht den Eindruck zu erwecken, einseitige
Schuldzuweisungen zu machen, einen unverdächtigen Schriftsteller nehmen, einen
politisch nicht rechtslastigen, nämlich Bertolt Brecht. Der schreibt 1948 über
die Enttäuschung und Verbitterung unter den Arbeitern und ich zitiere wörtlich:
Immer noch, nach 3 Jahren, zittert unter den Arbeitern, höre ich allgemein
die Panik, verursacht durch die Plünderungen und Vergewaltigungen, nach, die
der Eroberung von Berlin folgten. In den Arbeitervierteln hatte man die
Befreier mit verzweifelter Freude erwartet. Die Arme waren ausgestreckt. Aber
die Begegnung wurde zum Überfall, der die 70-Jährigen und 12-Jährigen nicht
schonte und in aller Öffentlichkeit vor sich ging. Es wird berichtet, dass die
russischen Soldaten noch während der Kämpfe, von Haus zu Haus, blutend,
erschöpft, erbittert, ihr Feuer einstellten, damit Frauen Wasser holen konnten,
die Hungrigen aus den Kellern in die Bäckereien geleiteten, die unter Trümmer
begrabende Ausgegrabenen halfen. Aber nach dem Kampf durchzogen dann betrunkene
Horden die Wohnungen, holten Frauen, schossen die Widerstand leistenden Männer
und Frauen nieder, vergewaltigten vor den Augen der Kinder, standen in
Schlangen an vor den Häusern. Dies, denke ich, ist eine Realität, die man
in Berlin nicht vergessen darf und nicht vergessen sollte, wenn man diesen Tag,
den 23. April umdeuten will in einen Tag der Befreiung. Da ich hier Brecht in
Gänze zitiert habe, möchte ich noch einmal betonen, dass es der NPD nicht darum
geht, die Russen an sich zu diffamieren, denn es ist natürlich bekannt, dass es
einen entsprechenden Befehl gab, dies nicht zu tun. Es ist auch bekannt, dass
dies in der Sowjetarmee unter Strafe stand. Aber uns ist auch bekannt, dass in
den ersten 14 Tagen davon so gut wie kein Gebrauch gemacht worden ist. Und wenn
man den allgemeinen Zeugenaussagen Glauben schenkt, dass 60 bis 70% der Frauen
in Berlin vergewaltigt worden sind, dann sind das in der Tat etwa 800.000 bis
980.000 Frauen, die damals geschändet worden sind, ganz zu schweigen von denen,
die umgebracht worden sind, die verschleppt worden sind und wenn sie wieder
kamen, teilweise erst nach 10 Jahren wieder kamen. Uns ist dieser Antrag sehr,
sehr wichtig, um einmal nicht zu vergleichen sondern dafür, zu sagen, dass wir
diese Zeit in Berlin nicht vergessen dürfen und wie wichtig es ist, haben die
beiden großen Tageszeitungen von Berlin gezeigt, dass offenbar hier keine
Unterrichte mehr in den Schulen darüber stattgefunden haben, dass Berlin von
der Roten Armee besetzt worden ist, ja selbst die Schlussredaktionen nicht in
der Lage waren, dies rechtzeitig zu korrigieren. Wenn man nun in der Tat rote
Stolpersteine in Köpenick oder in ganz Berlin pflastern würde, dann bräuchten
wir sicherlich keinen roten Platz sondern wäre die Stadt oder der Bezirk Köpenick
rot gepflastert. Und ich denke, dass man diesem Antrag auch mit der notwendigen
Würde begegnen soll und mit dem Respekt vor den Zeitzeugen, die heute noch
leben. Ich fühle mich schon betroffen, wenn, Herr Igel, Sie eben einen
E-Post-Brief vorlesen von entsprechenden Drohungen, die mich tagtäglich per
E-Post, per Brief oder Telefonanruf erreichen und die heute an der Tagesordnung
sind und sie in einer Demokratie unüblich sein sollten. Wir wollen gerade mit
diesem Antrag einmal dazu beitragen, dass man am 23. April auch in Köpenick
nicht von Befreiung sondern von Besetzung sprechen muss. Hier endet das Wortprotokoll. 3 Minuten Pause gemäß einem GO-Antrag der CDU-Fraktion. Aussprache: Herr Thuge: Sicher werden sich einige
Anwesende wundern, warum ausgerechnet er, als Einzelbezirksverordneter der
Allianz Graue Panther gegen diesen perfiden Antrag der NPD spreche. Seine
Biographie möchte er möglichst emotionslos und aber doch mit allen Nachdruck
hier vortragen. Sein Vater Ernst S. wurde im Herbst 1943 im Circus Krone von
der Gestapo verhaftet, weil er als Circusclown Späße über den
"Gröfatz" gemacht hat. Er wurde im Januar 1944 ins KZ-Bergen/Belsen
transportiert und dort von den Nazis ermordet. Und nun zum perfiden NPD-Antrag
" Rote Stolpersteine". Der NPD-Antrag ist eine unerlaubte und perfide
Kopie des Projekts Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der seit
1994 bereits mehr als 13 000 kleine Betonwürfel mit einer Messingplatte direkt
vor der Haustür von Opfern des Nationalsozialismus einließ, in mehr als 280
Städten und Gemeinden Deutschlands, in Berlin fast 1700, ausschließlich
finanziert von privaten Spendern! Das weiß die NPD offensichtlich nicht, wenn
sie damit ein Bezirksamt befassen will. Möge die NPD doch mal versuchen den
Antrag in Moskau oder gar Wolgograd einzubringen, mal sehen, was das von der
Hitlerdeutschen Wehrmacht überfallene Russische Volk dazu sagt. Auch er habe
als Kleinkind die Bomben der Angloamerikanischen Bomberverbände in
Hamburg-Rothenburg auf den Kopf bekommen, in Luftschutzbunkern leben und später
in Ruinen spielen müssen. Kein Demokrat aber käme heute auf die Idee, gegen die
Briten und Amerikaner Stolpersteine einzulassen. Wir haben längst begriffen,
das alle 4 Alliierten uns vom Hitlerfaschismus befreit haben. Die
NPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern hat im November 2007 einen ähnlich
lautenden Antrag zu "Roten Stolpersteinen" unter der Drucksache Nr.
5/985 eingebracht, die er im Anschluss dem Bezirksverordnetenvorsteher
übergeben möchte. Dort wurde der Antrag nicht nur politisch sondern auch
formal-juristisch abgelehnt, weil der Künstler die Markenrechte für
Stolpersteine angemeldet hat und sie ausschließlich an die Opfer des Faschismus
erinnern sollen. Entweder will uns hier der Antragsteller für dumm verkaufen,
oder er weiß als Bundesvorsitzender nicht, was in seinem eigenen Laden los ist.
Es gibt in unserem wunderschönen weltoffenen Bezirk mit seiner eigentlich gut
arbeitenden Verwaltung und seinen vielen tollen Menschen, Initiativen und
Vereinen, die ehrenamtlich für das Allgemeinwohl arbeiten, noch viel zu viele
imaginäre "Braune Stolpersteine", die ein Schandfleck sind und noch
weg müssen. Er empfehle allen demokratischen Fraktionen und der FDP-Gruppe die
Ablehnung des Antrags. Das ist das schnelle und endgültige Aus für diese
skandalöse Provokation. Er möchte schließen mit dem Anfangsspruch der
Freiheitsglocke auf dem Rathaus Schöneberg, die uns das amerikanische Volk zur
Befreiung und zum Aufbau einer wehrhaften und wachsamen Demokratie geschenkt
hat: "Wir glauben an die Unverletzbarkeit der Menschheit – Wir
werden jeder Tyrannei Widerstand leisten.“ GO-Antrag Herr Igel:
Übergang zur Tagesordnung. Der BzVV erläutert den Gästen die
Auswirkung des GO-Antrages. Abstimmung (GO-Antrag): Bei 2 Gegenstimmen wird dem
GO-Antrag mehrheitlich entsprochen. Es wird folgender Beschluss gefasst: Der Antrag: Das
Bezirksamt wird ersucht, eine Aktion „Rote Stolpersteine gegen das
Vergessen“ durchzuführen und zur Umsetzung Schulen und
Jugendeinrichtungen einzubeziehen. Zur Erinnerung an die Opfer der sowjetischen
Besatzung im Bezirk sollen vor den Häusern der Betroffenen „Rote
Stolpersteine gegen das Vergessen“ mit den Namen der Opfer und ihrem
Schicksal eingelassen werden. wird abgelehnt. Abstimmungsergebnis: GO-Antrag: Übergang zur TO: dafür: mehrheitlich dagegen: 2. Enthaltung: 0. |
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