Drucksache - 1972/XIX  

 
 
Betreff: Bessere Pflegebedingungen bei Vivantes
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion DIE LINKEBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.07.2016 
60. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin mit Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
21.09.2016 
61. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Gesundheit Kenntnisnahme
27.02.2017 
2. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gesundheit zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 20.07.2016 folgenden Beschluss:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung empfiehlt dem Bezirksamt, sich bei den zuständigen Stellen beim Land Berlin und bei Vivantes für bessere Pflegebedingungen in den Krankenhäusern von Vivantes einzusetzen.

 

Dabei sollte er sich an der Mindestbesetzung orientieren, die bei der Charité vereinbart wurde und nun auch von Ver.di bei Vivantes angestrebt wird.

 

Außerdem soll eine Notdienstvereinbarung, nach dem Modell der Charité umgesetzt werden, so dass die Beschäftigten von Vivantes ihr Streikrecht wahrnehmen können, ohne dass die Sicherheit der Patienten gefährdete wird.“

 

 

Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:

 

Die Patientenfürsprecher_innen unseres Bezirks berichten immer wieder von Beschwerden bzw. Unzufriedenheiten der Patientinnen und Patienten mit der durchgeführten Pflege in den Krankenhäusern von Vivantes. Die enge Personaldecke besonders im Pflegebereich und dadurch hervorgerufener Zeitmangel, Stress und unangemessenes Verhalten der Pflegekräfte sind Auswirkungen dieser Situation.

Direkte Einwirkungsmöglichkeiten des Bezirksamtes auf den Vivantes-Konzern zur Verbesserung der Pflegebedingungen sind nicht gegeben. Auch der Krankenhausbeirat kann lediglich Probleme benennen. Das Bezirksamt hat deshalb Frau Dr. Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung der Vivantes GmbH, Herrn Senator Maria Czaja, zuständiges Mitglied des Senats und Mitglied des Aufsichtsrates der Vivantes GmbH sowie Frau Meike Jäger, Verhandlungsführerin von ver.di für den Tarifvertrag mit der Charité um Stellungnahme gebeten. Das Bezirksamt hofft, dass die in den Antworten geäußerten Hoffnungen und Absichtserklärungen Realität werden. Ansonsten wird das Bezirksamt, wie auch in der Vergangenheit, insbesondere im Bereich Gesundheit und Soziales weiterhin auf pflegerische Missstände in den Kliniken in unserem Bezirk hinweisen und um Abhilfe bitten.

 

Seitens der Vivantes-Geschäftsführung wurde mitgeteilt, dass sich Vivantes im Rahmen ihrer Gesamtstrategie für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter, insbesondere aber in der Pflege einsetze, wofür ein Maßnahmenpaket erarbeitet wurde, dessen Umsetzung bereits begonnen wurde. Konkrete Projekte seien z.B. die Vivantes-Einstellungsoffensive, spezielle Dienstplanangebote, Mitarbeiterpools, Reduzierung von Leasingkräften, Reduzierung der Fluktuations- und Ausfallquote sowie die Erhöhung der Ausbildungsplätze. Ziel sei die Erhöhung der Zahl der fest eingestellten Mitarbeiter_innen und mehr Zeit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Vivantes ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass in den letzten Jahren mit steigenden Fallzahlen auch kontinuierlich Personal aufgebaut wurde und dass Vivantes eines der wenigen kommunalen Klinikunternehmen sei, welches ein ausgeglichenes Jahresergebnis ausweisen könne. Etwaige Überschüsse (in 2015 0,9% des Umsatzes) würden zu 100% in das Unternehmen reinvestiert.

Vivantes weist weiter darauf hin, des es im Gegensatz zur Charité, durch ihre Mitgliedschaft im Verband kommunaler Arbeitgeber verbandsgebunden ist. Gleichwohl befinde man sich mit ver.di im Dialog.

In der Vergangenheit habe Vivantes bei Streikmaßnahmen in enger Abstimmung mit ver.di immer auf die Sicherstellung der Versorgung und des Versorgungsauftrags als prioritäre Maßgabe gesetzt. Dieses gemeinsame Ziel unterstütze der Abschluss einer Notdienstvereinbarung, die „aus der Sache heraus jedoch auch die jeweiligen individuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen“ habe.

 

Herr Senator Czaja erklärt in seiner Stellungnahme einleitend, dass er die Einigung der Tarifparteien an der Charité begrüße und die Verständigung auf Personalmindestbesetzungen ausgesprochen wegweisend finde. Der Tarifabschluss sei nicht nur für die Charité bedeutend, sondern habe Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen im Gesundheitswesen.

Als Mitglied des Senats und als Mitglied des Aufsichtsrates der Vivantes GmbH verfüge er allerdings nicht über Einflussmöglichkeiten auf das Tarifsystem, welches frei von staatlichen Vorgaben eigenverantwortlich durch die Tarifparteien ausgestaltet werde. Bezüglich der Personalbemessung weist er darauf hin, dass diese von einer Vielzahl von Regelungen, aber auch durch originäre unternehmerische und betriebliche Entscheidungen berührt werde und hierbei auch das System der Krankenhausfinanzierung im Wettbewerb mit den anderen Krankenhausträgern zu beachten sei.

Senator Czaja sieht, dass die Situation der Pflegekräfte mit Einführung des DRG-Fallpauschalensystems schwieriger geworden ist. Zwar würden gegenüber der Zeit vor Einführung des Fallpauschalensystems mehr Pflegekräfte beschäftigt, diese hätten aber durch Kürzung der Verweildauern deutlich mehr Patienten zu versorgen. Aufgrund dieser Arbeitsverdichtung seien Empfehlungen zur pflegerischen Personalausstattung in den neuen Berliner Krankenhausplan aufgenommen wurden. Hiernach soll für zwei Behandlungsplätze pro Schicht in den Intensivbereichen mindestens eine Pflegekraft, bei speziellen Situationen sogar eine Pflegekraft pro Bettenplatz, zur Verfügung stehen. Es stellt aber einschränkend fest, dass diese Vorgaben lediglich Empfehlungen ohne rechtsverbindlichen Charakter sind.

 

Im bundesweit neu eingeführten Krankenhausstrukturgesetz sieht er ebenfalls umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Pflege im Krankenhaus. Mit einem Pflegestellenförderprogramm im Umfang von 660 Mio. EUR soll von 2016 bis 2018 die Einstellung neuer „Pflegekräfte am Bett“ gefördert werden. Ab 2019 stünden aus diesem Programm dauerhaft 330 Mio. Euro zur Verfügung. Durch die Umwandlung des früheren Versorgungszuschlags in einen Pflegezuschlag in Höhe von 500 Mio. EUR jährlich werde aufgrund des dafür festgelegten Berechnungsmodus dafür gesorgt, dass der Einsatz von Pflegepersonal finanziell honoriert wird und Einsparungen zulasten der Pflege aber negative Auswirkungen haben. Die Zuschusshöhe orientiere sich nämlich an den Pflegepersonalkosten der einzelnen Krankenhäuser verglichen mit dem Durchschnitt.

Vor der Einleitung weiterer Schritte hält Senator Czaja es für sinnvoll, die Ergebnisse der Expertenkommission zur Festlegung und Vergütung besonderer Pflegebedarfe abzuwarten, die bis spätestens Ende 2017 prüfen soll, ob und ggf. wie der besondere Pflegebedarf von demenzkranken, pflegebedürftigen und behinderten Menschen im allgemeinen Pflegebedarf in Krankenhäusern sachgerecht abgebildet werden kann. Diesen Weg über eine Berücksichtigung der Kosten der Pflege im Rahmen der Leistungsvergütung hält er für richtig, um damit ein bestehendes Problem im Rahmen von Fallpauschalen und ggf. Zusatzentgelten zu lösen. Eine gesetzliche Festlegung hält er mit dem DRG-System schwer vereinbar und sachfremd, da gesetzliche Festlegungen von Pflegefachkräfteschlüsseln pro Bett und Behandlungsfall die krankenhausspezifischen Personalkonzepte zu wenig berücksichtigen.

 

 

Ver.di teilt mit, dass Anfang Juli bereits eine Tarifkommission für Vivantes gebildet wurde, die derzeit eine Befragung unter den Vivantes-Beschäftigten auswertet und anschließend ihre Forderungen festlegen wird. Als zentrale Forderung steht bereits jetzt fest „Mehr Personal ins Krankenhaus“, um eine Entlastung der Beschäftigten insbesondere im Pflege- und Funktionsdienst zu erreichen. Im September/Oktober werde ver.di mit ihren Forderungen an die Geschäftsführung herantreten. Bei einem Ende Juli stattgefundenen Gespräch eines kleinen Kreises der Tarifkommission mit der Vorsitzenden der Vivantes-Geschäftsführung sowie der Geschäftsführerin Personalmanagement wurde seitens der Geschäftsführung deutlich gemacht wurde, dass von dort kein Bedarf für Tarifverhandlungen mit ver.di gesehen werde. Ver.di beabsichtigt eine bundesweite Tarifbewegung zu initiieren, damit das Thema nicht nur eines von Vivantes bleibt.

 
 

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