Drucksache - 1639/XIX  

 
 
Betreff: Keine Umsetzung der "Rossebändiger" vom Kleistpark zum "Stadtschloss"
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion der SPDBezirksamt
Verfasser:Frau Kaddatz, JuttaSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Verkehr und Grünflächen XIX.Wahlperiode Kenntnisnahme
23.05.2016 
41. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Grünflächen vertagt   
27.06.2016 
42. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Grünflächen      
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
16.09.2015 
49. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin vertagt   
14.10.2015 
51. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Kenntnisnahme
20.04.2016 
57. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Verkehr und Grünflächen XIX.Wahlperiode Beratung

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme

 

Beschlusstext:

 

Die BVV ersucht das Bezirksamt, die Rossebändiger im Heinrich-von-Kleist-Park nicht für Verschönerung des Umfeldes des „Stadtschlosses“ in Berlin-Mitte abzugeben und die entsprechende Forderung der „Gesellschaft Berliner Schloss“ entschieden zurück zu weisen. Statt dessen soll endlich die bereits mit Beschluss vom 18.06.2014 (Drs. 0789/XIX) geforderte Konzeptentwicklung für den Park erfolgen und dieser zu einem sicheren, sauberen und attraktiven Ort für Kultur und Freizeit entwickelt werden.

 

Begründung:

Der jetzige Standort der Skulpturen ist Teil der wechselvollen und teils schmerzhaften Berliner Geschichte, die ablesbar bleiben muss.

 

Die „Rossebändiger“ wurden 1842/1843 von Peter Jacob Clodt von Jürgensburg als Nachbildungen einer Figurengruppe in St. Petersburg geschaffen. Sie waren ein Geschenk Kaiser Nikolaus I. von Russland an den König und standen bis 1945 auf der Terrasse des Stadtschlosses. Sie wurden im 2. Weltkrieg in den Heinrich-von-Kleist-Park versetzt und rahmen dort das Gebäude des Kammergerichts.

 

 

 

 

 

 

Das Bezirksamt teilt zu der o.g. Drucksache folgendes mit:

 

Historischer Hintergrund:

 

Die Skulpturengruppe „Rossebändiger“ (Peter Clodt von rgensburg, 1805-1867, dt.- baltischer Bildhauer) befand sich seit 1843 auf der Lustgartenseite des Berliner Schlosses, wo sie das zur Schlossterrasse führende Portal IV flankierte.

Nach einem Luftangriff auf den Lustgartenflügel im Februar 1945 wurden die Bronzefiguren sichergestellt und im Auftrag der Alliierten forciert besonders von den Vereinigten Staaten parkseitig vor dem Gebäude des Alliierten Kontrollratsgebäude im Kleistpark aufgestellt.

 

Die Skulpturen sind Teil der als Denkmal geschützten Grünanlage bzw. der gartennstlerischen Ausstattung des denkmalgeschützten Bauwerks „Kammergericht“, ebenso wie die Königskolonaden (bis 1910 an der Stadtbahn/Alexanderplatz) und die Skulptur „Genius der Wahrheit“. Letztere stammt von dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Reiterstandbild von Friedrich Wilhelm III. im Lustgarten.

 

Die Auswahl dieses Standorts stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der neuen Zweckbestimmung des Kammergerichtsgebäudes (1913) nach Ende des Zweiten Weltkrieges, das Sitz des Alliierten Kontrollrats wurde, der höchsten Regierungsgewalt in Deutschland, dem auch die Alliierte Kommandantur als Gremium für die Viersektorenstadt unterstand. In der NS-Zeit war das Kammergerichtsgebäude auch für den Volksgerichtshof (Schauprozesse von Roland Freisler gegen die Attentäter des 20. Juli 1944) genutzt worden. Im Oktober 1945 traf sich hier das internationale Milirtribunal für die Kriegsverbrecherprozesse.

 

Mit dem Einzug des Alliierten Kontrollrats wurde auch die im Krieg stark beschädigte Parkanlage repräsentativ neu gestaltet (Georg Bela Pniower 1896-1960). Als Blickfang des neu definierten Bau- und Gartenensembles wurden die beiden Rossebändiger parkseitig vor dem Gebäude aufgestellt und in der Mittelachse auf der Höhe der Kolonnaden das Denkmalfragment „Genius der Wahrheit“.

Aktuelle Diskussion:

Die "Gesellschaft zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses e.V." wurde im Jahre 1991 gegründet und auf der Mitgliederversammlung am 1.Mai 2003 in "Gesellschaft Berliner Schloss e.V." umbenannt. Es wird das Ziel verfolgt, das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadtschloss, dessen Ruinen 1950 gesprengt wurden, wiederaufzubauen.

Die Gesellschaft Berliner Schloss ist nicht der Förderverein Berliner Schloss. Der Förderverein konzentriert sich vorwiegend auf die Wiedererrichtung der drei barocken Außenfassaden und sammelt dafür Spenden. Die Gesellschaft Berliner Schloss richtet ihren Fokus vordringlich auf den gestalterischen Zusammenhang von Fassade, Innenräumen und der Denkmäler.

Die Gesellschaft ist mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit getreten: u.a. begleitete sie die Schlossfassadensimulation 1993 mit Informationsveranstaltungen, gab diverse Broschüren zum Stadtschloss heraus und eine Studie über die zerstörten und noch vorhandenen Denkmäler zum Berliner Schloss, die über ganz Berlin verstreut, z.T. in einem verwahrlosten Zustand, noch vorhanden sind.

In diesem Zusammenhang stellte die Gesellschaft einige Forderungen zur historischen Rekonstruktion des Schlosses und seines Vorplatzes auf, zu der auch die Rückführung der Rossebändiger an ihren historischen Standort auf den Schlossplatz gehörte, zusammen mit anderen stadtgestalterischen Elementen aus dem Umfeld des früheren Schlosses (Neptunbrunnen und 5 Skulpturen der Oranier).

In der Begründung (http://www.historisches-stadtschloss.de/forderungen/index.html) heißt es, z.T. historisch nicht korrekt dargestellt:

„Der aktuelle Stellplatz des Neptunbrunnens wird durch zukünftige bauliche Vorhaben (Wiederbebauung des Marx-Engels-Forums) nicht mehr vorhanden sein. Die Rossebändiger befinden sich im Kleistpark nicht nur in einem völlig zusammenhanglosen räumlichen Kontext; sie wurden letztlich auf Befehl der Sowjetischen Kommandantur an diesen Platz in einen völlig ahistorischen Zusammenhang verbracht. An ihrem ursprünglichen Standort würden sie ihre künstlerische Wirkung wie auch Zuordnung zu den umliegenden Bauten wieder entfalten. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf ca. 975.000 Euro (Umsetzung und den Aufbau des Neptunbrunnens) und ca. 241.000 Euro für die beiden Rossebändiger.“

 

Optionen:

 

Unabhängig von politischen Entscheidungen wäre eine Umsetzung der Rossebändiger grundsätzlich möglich. Von den ursprünglich fünf Bronzeskulpturen der Oranierrsten existiert nur noch eine im restaurierungsbedürftigen - Original, die übrigen müssten nach Standbildern an verschiedenen europäischen Standorten neu gegossen werden. Der Neptunbrunnen befindet sich heute auf dem Alexanderplatz und müsste vor der Umsetzung restauriert werden.

 

Die Freiraumplanung für die direkte Umgebung des Humboldtforums wurde von bbz Landschaftsplaner Berlin bei einem Wettbewerb 2013 gewonnen. Der Entwurf sieht nur wenige historische Spuren und eine große Freifläche vor. Das Preisgericht würdigte, dass dadurch die Option zur Rückkehr der ursprünglichen Objekte offen gelassen ist. Die Landschaftsarchitekten können sich eine Erweiterung der Pläne von 2013 vorstellen, ebenso die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung: die Platzgestaltung sei eine kulturpolitische Entscheidung. (Sprecher Martin Pallgen, Die Welt, 8.6.2015).

 

Das Landesdenkmalamt Fachbereich Gartendenkmalpflege und Archäologie- hat sich in einer Stellungnahme vom 16. März 2016 für den Verbleib der Skulpturen im Kleistpark, nunmehr als Teil des „neuen“ Denkmalkomplexes Kammergericht/Kleistpark, ausgesprochen.

 

In der turnusmäßigen Sitzung am 9.3.2016 hat sich auch die Kunstkommission Tempelhof-Schöneberg über den Standort der Rossebändiger ausgetauscht.

 

Der überwiegende Teil der Mitglieder der Kommission sah die Übersiedlung der Rossebändiger vom Heinrich-v. Kleistpark vor das Schloss kritisch und distanzierte sich von dem als historisierend empfundenen Ansatz des Fördervereins Berliner Stadtschloss. Demgegenüber stand die Position, die historischen Skulpturen gemeinsam mit weiteren an ihren ursprünglichen Standort zurückzubringen.

In der Runde wurde festgestellt, dass zunächst einmal grundsätzlich zu klären sei, ob der Bezirk überhaupt Eigentümer der Rossebändiger und damit Handlungsträger sei. Die kontrovers geführte Diskussion unter den Mitgliedern zeigte, dass eine Empfehlung für den künftigen Verbleib der Rossebändiger nicht losgelöst von der kulturpolitischen Debatte auf Landes- und Bundesebene um die künftige Gestaltung des Schlossplatzes und der inhaltlichen Ausrichtung des Humboldtforums / Stadtschlosses ausgesprochen werden kann. Diese Debatte sei aber noch nicht abgeschlossen und eine ernsthafte Diskussion des Antrags verfrüht.

 

Zur geforderten Konzeption für eine Sanierung des Kleistparks wurde durch die Abt. Bauwesen inzwischen eine MzK zur Drs. 0789/XIX gefertigt, die anstelle eines diskursiven Gutachterverfahren die Erstellung eines Parkpflegewerkes unter gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten vorschlägt. In diesem Rahmen soll neben einer Bestandsaufnahme insbesondere die Weiterentwicklung der Parkanlage enthalten sein. Jedoch stehen dem Fachbereich Grün zur Beauftragung keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung.

 
 

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