Drucksache - 1513/XIX
des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg von Berlin über die bezirklichen Ziele und die Begründung für die Vergabe landeseigener Grundstücke im Rahmen von Konzeptverfahren für ein Teilgebiet der Schöneberger Linse Liegenschaft in 10829 Berlin, Bezirk Tempelhof-Schöneberg, OT Schöneberg,
1. Rahmenbedingungen und Entwicklungsperspektive Schöneberger LinseMit der Aufnahme des Gebietes Schöneberg-Südkreuz in das Stadtumbau-West Programm in 2005 sollen die Entwicklungspotenziale im Umfeld des Bahnhofs Berlin-Südkreuz genutzt werden. Dies betrifft auch die so genannte Schöneberger Linse – ein untergenutztes und im Umbruch befindliches Areal zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg. In einem städtebaulichen Werkstattverfahren in 2009/2010 wurde ein Konsensplan – auch mit der IGS, Interessengemeinschaft der Eigentümer Schöneberger Linse – entwickelt. Vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt wurden u.a. die bisher für Dienstleistungen und Gewerbe vorgesehenen Baufelder der Schöneberger Linse als potenzielle Wohnbaufläche untersucht. Das Gebiet fand mit einem Potenzial von ca. 900 Wohneinheiten als einer der 24 großen Wohnungsneubaustandorte Eingang in den 2014 beschlossenen Stadtentwicklungsplan Wohnen. Eine aktuelle vom Bezirk beauftragte Potenzialstudie hat die Machbarkeit eines durchmischten städtischen Quartiers mit hohem Wohnanteil an diesem Standort bestätigt und geht von über 1.400 möglichen Wohneinheiten aus. Gleichzeitig prognostiziert der 2012 erarbeitete Wohnungsmarktbericht vor dem Hintergrund des demographischen Wandels für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg eine deutliche Zunahme der Wohnraumnachfrage. Der Bedarf liegt hiernach bei Wohnraum für unterschiedliche Zielgruppen und Wohnbedürfnisse (u.a. Kleinstwohnungen, barrierefreie, altersgerechte, preisgünstige Wohnungen). Basierend auf dem Konsensplan wurde für das Baufeld 2/3 ein neues Nutzungskonzept entwickelt, das die Nachfrage nach Wohnraum berücksichtigt und den geplanten Wohnanteil an der Neubebauung deutlich erhöht. Das Bebauungskonzept sieht im westlichen Bereich an der Gotenstraße ein Mischgebiet mit hohem Wohnanteil und einem Potenzial von ca. 300 Wohnungen vor. Der südöstliche Bereich soll eine Kerngebietsnutzung erhalten.
Abb. 1: Vorzugsvariante der aktuellen Wohnungsbaupotenzialstudie und Lage des Baufeldes 2/3
Neben weiteren laufenden B-Plan-Verfahren zur planungsrechtlichen Sicherung einer Wohnnutzung in der Schöneberger Linse hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg für das Baufeld 2/3 am 13. Mai 2014 die Aufstellung des Bebauungsplans 7-75 beschlossen. Über den Bebauungsplan kann jedoch nur ein Teil der städtebaulichen Ziele des Bezirks gesichert und gesteuert werden. Mit der Vergabe der landeseigenen Grundstücke sollen neben städtebaulichen auch stadtentwicklungs-, wohnungs- und sozialpolitische Ziele Berlins im Baufeld punktgenau umgesetzt werden. Diese Ziele lassen sich überwiegend nicht über das Instrument der verbindlichen Bauleitplanung steuern. Das mit der BVV abgestimmte Nutzungskonzept soll eine Parzellierung erhalten, bei der a) der östliche Bereich mit Kerngebietsnutzung im bedingungsfreien Bieterverfahren vom Liegenschaftsfonds Berlin ausgeschrieben werden soll; b) eine große Parzelle direkt an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft (Gewobag) vergeben werden soll, die zum Sachsendamm hin eine Kerngebiets- und ansonsten eine Mischgebietsnutzung aufweist, mit einem 50%-igen Anteil an geförderten Mietwohnungen, und zudem einer Kita und einer Lärmschutzwand zum Sachsendamm; c) vier unterschiedlich große Parzellen möglichst an unterschiedliche Bauherren in Form von vier Konzeptverfahren vergeben werden sollen.
Abb. 2: geplante Parzellierung Baufeld 2/3 und Lage der Grundstücke für ein Konzeptverfahren
2. Bezirkliche Ziele und Begründung für die Konzeptverfahren2.1. Städtebaulich-architektonische Ziele Zur Bildung und Belebung des neuen Quartiers verfolgt der Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit dem Baufeld 2/3 die Ziele: a) mit einer attraktiven Erdgeschoßzone, insbesondere an der Gotenstraße und am sogenannten Dreiecksplatz, ein vielfältiges Angebot zur Versorgung des Quartiers mit Waren und Dienstleistungen sowie für kulturelle und soziale Aktivitäten zu schaffen; b) mit unterschiedlichen Bauherren ein vielfältiges Wohnungsangebot für ein breites Spektrum von nachfragenden auch am Markt benachteiligten Haushalten zu ermöglichen, das die zukünftigen Angebote auf privaten Flächen im Quartier sinnvoll ergänzt; c) eine hohe gestalterische und funktionale Qualität der Gebäude und der privaten Freiflächen zu fördern, die sich durch die koordinierende Abstimmung mit den Nachbarn in ein Blockgefüge einbringen und d) einer Reduzierung des MIV und dessen Folgeerscheinungen wie Flächenverbrauch für ruhenden Verkehr und Umweltbelastung, da das Quartier sehr gut an das ÖPNV-Netz angeschlossen ist. Auf den Grundstücken, die der Gewobag durch Direktvergabe zugeordnet werden sollen, entstehen 120-150 Mietwohnungen, davon sind ca. 50% für WBS-Inhaber geplant, ergänzt um wenige gewerbliche und soziale Nutzungen im Erdgeschoss (ohne Kerngebietsflächen am Sachsendamm). Nur mit den 4 für Konzeptverfahrenen vorgesehenen Grundstücken an der Gotenstraße lassen sich die o.g. städtebaulichen Ziele des Bezirks für das Baufeld 2/3 und das neue Quartier an der Schöneberger Linse umsetzen. 2.2. Wohnungspolitische Ziele Mit der Entwicklung der Schöneberger Linse zu einem lebendigen, gemischt genutzten, urbanen Quartier mit hervorragender Anbindung an die Innenstadt, das südliche Umland und den künftigen Hauptstadtflughafen soll das Baufeld 2/3 wohnungspolitische und quartiersstabilisierende Funktionen übernehmen, die auf den anderen Baufeldern so nicht gesteuert werden können, weil das Instrument der konzeptbezogenen Grundstücksvergabe fehlt. Im Baufeld 2/3 der Schöneberger Linse sollen die wohnungspolitischen Ziele Berlins gemäß den Leitlinien des Stadtentwicklungsplans Wohnen 2025 umgesetzt werden: - Berlin sichert die soziale und funktionale Mischung, - Berlin braucht Wohnungsneubau für alle, - Berlin gestaltet die Vielfalt der Wohnquartiere und - Berlin gestaltet den demographischen Wandel. Nur über Konzeptverfahren bzw. Direktvergaben können diese Ziele erreicht werden: - ein langfristig gesichertes Mietwohnungsangebot durch ein städtisches Wohnungsunternehmen mit ca. 50% geförderten Wohnungen mit Miet-/Belegungsbindungen; - ein Angebot für selbstnutzende Eigentümer, durch Baugruppen insbesondere für junge Familien bzw. Mehrgenerationen-Wohnen sowie durch Genossenschaften; - ein bedarfsgerechtes Wohnungs-, Betreuungs- und Beratungsangebot für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, um deren Inklusion in das städtische Leben zu fördern; - ein Flächenangebot, das Nutzern aus dem Haus und der unmittelbaren Nachbarschaft bzw. dem Quartier als Treffpunkt dient, z.B. für kulturelle und sonstige Freizeitattraktivitäten oder für Beratungsangebote, Kinderbetreuung etc. und - ein eingestreutes freifinanziertes Angebot an preisgedämpften Eigentums- oder Mietwohnungen, das im Rahmen eines Baugruppen- bzw. Genossenschaftsprojektes auch WBS-Inhabern eine Beteiligung ermöglicht.
2.3. Sozialpolitische Ziele Sozialpolitisch kann durch die Vergabe landeseigener Grundstücke im Konzeptverfahren der demographische Wandel Berlins gestaltet und die Diversity und Inklusion befördert werden. Dies entspricht den Zielen des Abgeordnetenhausbeschlusses vom 08.09.2014 (Drucksache 17/1813 i.V.m. 17/1652) unter lit. f: „Der Senat unterstützt Träger von Wohnprojekten mit der konzeptionellen Ausrichtung auf die Ansätze von Diversity und Inklusion. Dabei ist zu prüfen, inwiefern die neu ausgerichtete Liegenschaftspolitik einen konstruktiven Beitrag dazu leisten kann.“ Den sozialpolitischen Schwerpunkt für das Baufeld 2/3 sollen Angebote für ältere Menschen mit Betreuungsbedarf bilden, gemäß den am 20. August 2013 vom Berliner Senat beschlossenen überarbeiteten Leitlinien der Seniorenpolitik. Dies schließt insbesondere Angebote zur Verhinderung von Altersdiskriminierung als auch zur Verbesserung der Lebenssituation von älteren Lesben, Schwulen, bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) ein. Das von den Wohlfahrtsverbänden formulierte Ziel der „Entwicklung und Bereitstellung spezifischer Wohn- und Pflegeangebote für LSBTI im Seniorenalter“ soll als sozialpolitisches Ziel im Rahmen der Entwicklung der Schöneberger Linse Berücksichtigung finden. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg sind mit einem Anteil von 16,5% mit Abstand mehr Lebenspartnerschaften eingetragen als im restlichen Berlin. 46% davon sind bereits in der Altersgruppe von über 50 Jahren und bilden damit in den nächsten zwei Jahrzehnten einen entscheidenden Bedarf für die o.g. Betreuungsangebote. Nur über Konzeptverfahren bzw. Direktvergabe kann das Ziel der Diversity und die Inklusion in das städtische Leben durch bedarfs- und altersgerechtes Wohnungs-, Betreuungs- und Beratungsangebote für benachteiligte Bevölkerungsgruppen erreicht werden. 2.4. Ziele der nachhaltigen Stadtentwicklung Umweltpolitisch können durch die Vergabe der landeseigenen Grundstücke beispielhafte, umweltschonende Projekte gefördert werden, die zum Erreichen der ehrgeizigen Klimaschutzziele Berlins zur Reduzierung der CO2-Emissionen u. a. durch Steigerung der Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energien und Energieeinsparung beitragen. Über die Konzeptverfahren können folgende Klimaschutzziele erreicht werden: a) bezogen auf das Baufeld 2/3 in Abstimmung mit den anderen Bauherren: - eine grundstücksübergreifende, energieeffiziente, ressourcenschonende Wärmeversorgung, soweit diese nicht über Fernwärme gesichert ist; - eine nutzerfreundliche, qualitätsvolle und klimafreundliche Gestaltung der gemeinsamen privaten Hofflächen, die möglichst kostengünstig bewirtschaftet werden; - eine flächen-, kosten- und verkehrsmindernde Unterbringung des ruhenden Verkehrs, z.B. durch Doppelnutzung von Stellplätzen, durch Verzicht auf hauseigene Tiefgaragen bzw. auf TGa-Stellplätze etc. bei gleichzeitiger Bereitstellung attraktiver Stellplätze für Fahrräder, e-bikes etc; b) bezogen auf die 4 Grundstücke - die Verwendung umweltfreundlicher und ressourcenschonender Baustoffe; - klimaangepasste Bauweise u.a. durch • Dachbegrünungen, möglichst in Verbindung mit einer Nutzung durch die Hausgemeinschaft in Form von Dachgärten, • Erhöhung der Rückstrahlungseffekte durch helle Fassadengestaltung, • Sicherung der Luftzirkulation durch Gebäudeöffnungen (Hofeinfahrten), • Ausrichtung von Fensteröffnungen und Gestaltung baulicher oder natürlicher Verschattungselemente (Vordächer, Balkone, Fensterläden, Bäume etc.), • Regen- und Grauwasserrecycling und • Lüftung als passive Gebäudekühlung; - die Förderung des Verzichts auf den eigenen Pkw durch e-car-/e-bike-Sharing, Verzicht auf eine hauseigene TGa, sichere und umfangreiche Fahrradstellplätze etc.
2.5. Begründung für Konzeptverfahren Ohne Konzeptverfahren lassen sich die o.g. Ziele zur Bebauung und Nutzung im Baufeld 2/3 und im neuen Quartier Schöneberger Linse nicht realisieren. Mit bedingungslosen Bieterverfahren sind die notwendigen Feinsteuerungen für eine stabile Quartiersentwicklung mit der gewünschten sozialen und funktionalen Mischung, den spezifischen Wohnungs- und Betreuungsangeboten und einer abgestimmten, sich ergänzenden EG-Nutzung nicht möglich. Das planungsrechtliche Instrumentarium reicht dazu nicht aus. Gleichzeitig ist eine gezielte Grundstücksvergabe nur auf den landeseigenen Flächen möglich. Den für eine bauliche Nutzung zur Verfügung stehenden Flächen auf dem Baufeld 2/3 kommt in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung für das gesamte Quartier zu. Die Flächen auf dem Baufeld 1 sind bereits Gegenstand eines bedingungsfreien Bieterverfahrens. Die Flächen auf den Baufeldern 7 und 9 sind für öffentliche Funktionen der Daseinsvorsorge (Schule, Spielplatz, geplante Erschließung des EUREF-Geländes) vorbehalten.
Abb. 3: Eigentumsstruktur Schöneberger Linse
Wohnungspolitisch wird über ein selbstverwaltetes Wohnungsangebot für selbstnutzende Eigentümer (vertraglich abgesichert) und Genossenschaftsmitglieder, ergänzenden freifinanzierten Angeboten an preisgedämpften Eigentums- und/oder Mietwohnungen (mit zeitlich begrenzter Preis- bzw. Mietbindung) auch die gewünschte soziale Mischung im Quartier, im Baufeld und im Haus selbst erreicht. Von den ca. 300 Wohnungen im Block, sollen etwa 120 – 150 Wohnungen über die geplanten Konzeptverfahren errichtet werden. Der Bau von Eigentumswohnungen durch Bauträger für Selbstnutzer und Kapitalanleger und der Bau von Mietshäusern für private und institutionelle Investoren wird vorwiegend auf den Grundstücken der Privateigentümer in den Baufeldern 4/5, 6 und 8 erfolgen. Ein Teil geförderter Wohnungen mit Mietbindung kann dort, z.B. im Baufeld 8, über städtebauliche Verträge erreicht werden. Detaillierte Nutzungsvorgaben sind dort über das Planungsrecht aber nicht durchsetzbar. Erst das Baufeld 2/3 schafft über die Gewobag und die 4 Konzeptverfahren eine ergänzende Angebotsvielfalt, die zur gewünschten sozialen Mischung, Bauherrenvielfalt und damit zur langfristigen Stabilität der Bewohnerschaft im Quartier beiträgt. Sozialpolitisch soll über ein bedarfs- und altersgerechtes Wohnungs-, Beratungs- und Betreuungsangebot die Diversity durch soziale Inklusion von benachteiligten Bevölkerungsgruppen, hier mit Schwerpunkt älterer Menschen mit Betreuungsbedarf, ins Quartier gefördert werden, die ohne diese Angebote – aus unterschiedlichen Gründen – Probleme haben, am Stadtleben teilzuhaben. Um ein breites Angebotsspektrum zu ermöglichen, sollten die Inklusionsziele nicht zu eng gefasst werden, sondern nur als Ausschluss von nicht gewünschten Angeboten. Mit Konzeptverfahren können geeignete, anerkannte Träger gesucht und vertraglich gebunden werden, die auf dem Markt und bei bedingungslosen Bieterverfahren keine Zuschlagschancen haben. Diese Träger erfüllen Aufgaben, die ansonsten das Land Berlin mit Haushaltsmitteln erbringen müsste. Umweltpolitisch sollen beispielhafte, auch grundstücksübergreifende Konzepte für die Wärmeversorgung, die Gestaltung und Bewirtschaftung privater und städtischer Freiflächenangebote und zur Reduzierung des MIV (gestützt durch die gute ÖPNV-Anbindung) gefördert werden sowie energieeffiziente und klimafreundliche Gebäude entstehen, die sowohl dem neuen Quartier als auch den Bewohnern im Baufeld zugutekommen und einen Beitrag zur Erfüllung der umweltpolitischen Ziele Berlins erbringen.
3. Parzellenscharfe Konkretisierung der VergabezieleFür die vier Parzellen ergeben sich nach Lage und Größe unterschiedliche Vorgaben, die in ihrem Zusammenspiel die Vergabeziele darstellen. Dies wird in Form der nachfolgenden „Grundstückspässe“ dargestellt.
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