Drucksache - 1244/XIX  

 
 
Betreff: Anonymisierte Bewerbungen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. GRÜNE, CDUBezirksamt
  Schöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
15.10.2014 
38. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Hauptausschuss Beratung
05.11.2014 
42. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses vertagt   
03.12.2014 
43. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
07.01.2015 
44. öffentliche Sitzung des Hauptausschusses      
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Beratung
21.01.2015 
42. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Erledigung
Ausschuss für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik Beratung
14.07.2016 
25. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik      
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
20.07.2016 
60. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Beschlussempfehlung
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Bezirksverordnetenversammlung hat am 21.01.2015 folgenden Beschluss gefasst:

 

„Das Bezirksamt wird ersucht zu prüfen,

  1. welche Möglichkeiten zur Verkürzung der Fristen für die Besetzung freier Stellen bestehen, bzw. welche Möglichkeiten das Bezirksamt sieht, durch rechtliche Änderungen auf Landesebene Stellenbesetzungsverfahren zu verkürzen,
  2. ob und in welcher Form anonymisierte Bewerbungsverfahren für die Besetzung von freien Stellen bzw. Ausbildungsplätzen möglich sind, ohne dass dabei das Stellenbesetzungsverfahren weiter verlängert wird – insbesondere sollte das Verfahren so schlank wie möglich gestaltet werden, indem bspw. anders als im Reinickendorfer Pilotprojekt der Bewerberfragebogen bereits mit der Ausschreibung und nicht erst nach Eingang der Bewerbung zur Verfügung gestellt wird,
  3. welche Abteilungen im Bezirk auf freiwilliger Basis an einem anonymisierten Bewerbungsverfahren im Rahmen eines „Testlaufs“ teilnehmen würden.“

 

Das Bezirksamt bittet, den folgenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen:

 

Zu 1.

Das Bezirksamt ist sich seit längerem bewusst, dass eine Verkürzung der Stellenbesetzungsverfahren dringend geboten ist. Der demographische Wandel, eine damit einhergehende verstärkte Fluktuation sowie qualitativ und quantitativ stetig steigende Anforderungen an die Dienststellen und nicht zuletzt die Notwendigkeit kurzfristig und effizient die Aufgaben des Flüchtlingsmanagements zu bewältigen, zwingt alle Beteiligten nach Lösungen zu einer Verkürzung dieser Verfahren zu suchen.

 

In der Beantwortung eines Berichtsauftrags des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses hat die Senatsverwaltung für Finanzen eine durchschnittliche Dauer der Stellenbesetzungsverfahren von 5,3 Monaten in allen Verwaltungen des Landes festgestellt. Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg wurde ein Wert von 4,6 Monaten ermittelt, damit liegt der Bezirk bereits deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. Im Vergleich zwischen den Jahren 2015 und 2016 konnte durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten (Fachämter, Beschäftigtenvertretungen, SE Finanzen und Personal) bereits eine deutliche Verkürzung der Besetzungsverfahren erzielt werden. Das Bezirksamt hat bereits 2014 als Hilfestellung für alle Beteiligten einen „Leitfaden zur Besetzung von freien Stellen“ entwickelt, um ein standardisiertes Verfahren sicher zu stellen.

 

In der bezirklichen Praxis wird verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Nachrückerinnen und Nachrücker zu benennen, da häufig ausgewählte Bewerberinnen und Bewerber absagen. Auch kann auf abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber abgeschlossener Verfahren zurückgegriffen werden, wenn es sich um ein gleichartiges Aufgabengebiet handelt.

 

Ein Verzicht auf Ausschreibungen ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Sowohl das Landesgleichstellungsgesetz (LGG § 5) als auch das Landesbeamtengesetz (LBG § 8) beinhalten eine Verpflichtung zur Ausschreibung freier Stellen. Allerdings kann in Einzelfällen zur Förderung von Teilzeitbeschäftigten ggf. von der Regelung des § 10 Abs. 4 LGG Gebrauch gemacht werden, wenn Teilstellen zu besetzen sind. Dazu sind Interessenbekundungsverfahren innerhalb der in Betracht kommenden Beschäftigtengruppe durchzuführen. Rechtliche Änderungen in diesen Bereichen unterliegen der Kompetenz des Gesetzgebers.

 

Eine Verkürzung der Beteiligungsfristen der Beschäftigtenvertretungen ist aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage ausgeschlossen. Die Beschäftigtenvertretungen (Schwerbehindertenvertretung, Frauenvertreterin, Personalrat) sind außerdem nach-einander sowohl bei der Ausschreibung als auch bei der Stellenbesetzung zu beteiligen. Eine parallele Beteiligung ist durch die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 4 LGG nur in dringenden Einzelfällen (z.B. im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsmanagement beim LAGeSo) möglich. 

 

Zu 2.

Anonymisierte Bewerbungsverfahren dienen in erster Linie dazu, qualifizierte Bewerbungen auf diskriminierungsfreiem Weg zu erhalten und die Chancengleichheit zu erhöhen. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen hat dazu 2014/2015 das Projekt „Vielfalt fördern – anonym bewerben“ in mehreren Verwaltungen und Landesunternehmen durchgeführt und dabei rund 100 Stellenbesetzungsverfahren ausgewertet. Ziel war es dabei „diskriminierungsfreie Zugänge zu Ausbildung und Beruf zu gewährleisten und für jeden und jede – unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, sexueller Identität, Behinderung oder Religion – alle individuellen Entwicklungs- und Aufstiegschancen zu ermöglichen“. Im Ergebnis sahen alle Beteiligten ein „Mehr“ an Chancengleichheit und Objektivität in Rekrutierungsprozessen. Ein anfänglicher Mehraufwand an personellen und zeitlichen Ressourcen kann möglicherweise mittelfristig durch routinemäßige Abläufe ausgeglichen werden. Eine Verkürzung der Stellenbesetzungsverfahren wurde zwar unterstellt, konnte jedoch nicht anhand von Fakten nachgewiesen werden. Dieses Ziel war auch nicht Schwerpunkt des Projekts.

 

Andere Untersuchungen zu anonymisierten Bewerbungsverfahren (Schweden, Großbritannien, Frankreich, Schweiz, Italien, USA) zeigten zwar, dass zunächst mehr Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden, die Einstellungsquote änderte sich jedoch nicht signifikant.

 

Das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist insbesondere für solche Stellenausschreibungen geeignet, die sich an eine größere Zielgruppe außerhalb der Verwaltung richten. Insbesondere dort, wo Personal von außen neu für die Verwaltung gewonnen werden soll kommen Vorteile zum Tragen. Praktische Erfahrungen in Pilotprojekten haben gezeigt, dass es in der Handhabung in verschiedenen Punkten zu einem Mehraufwand führt, weil es noch keine medienbruchfreie Abwicklung gibt, es also kein konsequent online-gestütztes System ist. Ein erhöhter Aufwand entsteht zunächst dadurch, dass das individuelle Anforderungsprofil in das standardisierte Bewerbungsformular eingepasst werden muss. Das Verfahren muss zunächst von einer „neutralen“ Stelle (idealerweise von der SE Finanzen und Personal) betreut werden, die sowohl die Verwaltung der persönlichen Kontaktdaten getrennt vom übrigen Vorgang übernimmt als auch die konsequente Anonymisierung der Unterlagen und des Formulars überwacht. Dies ist insbesondere für die spätere Gerichtsfestigkeit der Auswahlentscheidung eine wichtige Voraussetzung. In der Praxis zeigte sich, dass ein nicht unerheblicher Nachbesserungsaufwand für die „neutrale Stelle“ entstand, da die Bewerbungsbögen von den Kandidatinnen und Kandidaten nicht immer konsequent anonymisiert ausgefüllt wurden, versteckte Hinweise neutralisiert werden mussten oder eingereichte Unterlagen/Nachweise nicht ausreichend geschwärzt wurden. Eine Verschlankung des Verfahrens kann nach derzeitiger Einschätzung für den Bezirk erst nach der Implementierung eines vollständigen E-Recruiting-Systems zum Tragen kommen. Das Bezirksamt Reinickendorf hat übrigens nach wenigen Probeläufen das Verfahren bisher nicht weiter verfolgt.

 

Anonyme Bewerbungen erscheinen in Zeiten von Xing und LinkedIn nicht unbedingt zeitgemäß. Vor allem junge Bewerberinnen und Bewerber stellen dort ihre Profile ein, um bereits in der Bewerbung auf besondere Stärken hinzuweisen, die in einem vorgegebenen Fragebogen eventuell (noch) nicht abgefragt werden.

 

Bei der Bekleidung von Dienstposten existieren Altersgrenzen für die Verbeamtung. Bei einem anonymisierten Bewerberverfahren kann dies im ersten Schritt nicht kontrolliert werden. Rechtliche Schwierigkeiten können auch entstehen, wenn Menschen mit Behinderungen bereits in der Phase des anonymisierten Verfahrens aus dem engeren Bewerberkreis ausscheiden, obwohl sie gemäß § 82 SGB IX einen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch haben.

 

Zu 3.

Auf eine Nachfrage der SE Finanzen und Personal ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Organisationseinheit bereit, ein derartiges Verfahren zu erproben.

 

Das Bezirksamt bittet, den Prüfauftrag als erledigt zu betrachten.

 

 

 
 

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