Drucksache - 0800/XIX  

 
 
Betreff: Einleitung eines Verfahrens für eine "soziale Erhaltungsverordnung" gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB für den Bereich Großgörschenstraße / Kaiser-Wilhelm-Platz, Ortsteil Schöneberg
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Mitteilung zur KenntnisnahmeMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
04.09.2013 
20. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.10.2013 
21. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.11.2013 
22. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
03.12.2013 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
15.01.2014 
24. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.08.2013 
23. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Bezirksamt Erledigung

Sachverhalt
Anlagen:
Mitteilung zur Kenntnisnahme

die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung § 172 Abs

die Einleitung des Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 30 AGBauGB für die Grundstücke zwischen Goeben-, Yorck- Bautzener -, Monumentenstraße, östlicher Grenze des St. Matthäus-Kirchhof, Großgörschenstraße, Wannseebahngraben, Kolonnen-, Haupt- und Potsdamer Straße im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg

 

 

BEGRÜNDUNG:

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit angespanntem Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend im Norden des Ortsteils Schöneberg. Die Bevölkerungsprognosen für Berlin gehen auch mittelfristig von einem Zuwachs der Bevölkerung aus, der sich gleichzeitig stark auf die innerstädtischen Ortsteile, wie Schöneberg, konzentrieren und überwiegend durch kleine und jüngere Haushalte geprägt sein wird.

Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in den innerstädtischen Lagen Berlins verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen. Diese können sich wie folgt städtebaulich auswirken:

-          Steigende Mieten und damit Verdrängung der Bewohner aus ihrem Wohngebiet.

-          Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten).

-          Kommunale Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk).

-          Vorhandene öffentliche und private Infrastruktureinrichtungen, die auf die ansässige Bevölkerung zugeschnitten sind, werden nicht mehr im Gebiet nachgefragt. Gleichzeitig entsteht an anderer Stelle ein neuer Bedarf. Dies wirkt sich auf die öffentliche Infrastrukturplanung und auf private Unternehmen sowie soziale Träger aus.

 

Erste Untersuchungen:

Vor diesem Hintergrund hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, im Dezember 2012 eine Untersuchung zur Ermittlung von „Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung“ in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsbericht der „asum GmbH“ liegt seit Juni 2013 vor.

Ziel der Untersuchung war es, Teilräume im Bezirk zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen ist und die Wechselbeziehung gefährdet ist. Also Bereiche, in denen aufgrund von Aufwertungspotential des Wohnungsbestandes und Aufwertungsdruck auf dem Wohnungsmarkt zu befürchten ist, dass soziale Verdrängungsprozesse mit negativen städtebaulichen Folgen ausgelöst werden können.

Als Ergebnis wurden drei Verdachtsgebiete im ganzen Bezirk ermittelt, die die o.g. drei Kriterien (Aufwertungsdruck, Aufwertungspotential und Verdrängungsgefahr) erfüllen und die bei Entmischung zu städtebaulich relevanten Folgen führen können. Sie können aufgrund ihrer städtebaulichen / baulichen Struktur und stadträumlichen Lage die Voraussetzungen für eine soziale Erhaltungsverordnung bieten.

Der Aufwertungsdruck besteht in den in Rede stehenden Gebieten, insbesondere im Bereich der Modernisierung, Wohnungszusammenlegung sowie durch Abriss mit anschließender Neuerrichtung von höherwertigem Wohnungsbau.

Alle drei Verdachtsgebiete liegen im Ortsteil Schöneberg. Für alle drei Gebiete sollen, entsprechend Priorität, Verfahren für soziale Erhaltungsverordnungen eingeleitet und auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen Verordnungen erlassen werden. Aufgrund akuter Verdrängungsgefahr wurde vorrangig für die Verdachtsgebiete Dennewitzplatz / Kaiser-Wilhelm-Platzund Barbarossaplatz / Bayrischer Platzdas Verfahren zum Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung eingeleitet.

 

Verdachtsgebiet Dennewitzplatz / Kaiser-Wilhelm-Platz

 

Abgrenzung des Verdachtsgebietes:

Im Rahmen der Ermittlung von Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung hatten die Gutachter in einem mehrstufigen Verfahren Gebiete im Bezirk unter Betrachtung der Kriterien Aufwertungspotential, Aufwertungsdruck und Verdrängungsgefahr immer kleinräumiger abgegrenzt.

Das Verdachtsgebiet Dennewitzplatz / Kaiser-Wilhelm-Platz besteht aus Teilflächen zweier Planungsräume, die die oben genannten Kriterien erfüllen. Der Teilbereich des Planungsraums Dennewitzplatz nördlich der Goebenstraße soll, als Ergebnis der Untersuchung, aufgrund seines prägenden Wohnungsbestandes (weniger gründerzeitlicher Wohnungsbau; stark vorhandener sozialer Wohnungsbau; dominierende städtische Wohnungsbaugesellschaften) nicht in den Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung mit aufgenommen werden. Die Voraussetzungen für einen Aufwertungsdruck sind, anders als bei gründerzeitlichen Bauten in Privateigentum, nicht erkennbar. Aus dem Planungsraum Kaiser-Wilhelm-Platz konnte das Vorliegen der o.g. Kriterien nur für das ehemalige Sanierungsgebiet (zwischen Langenscheidtstraße, Wannseegraben, Dominicusstraße und Hauptstraße) nachgewiesen werden.

 

Beschreibung des Verdachtsgebietes:

Das Verdachtsgebiet ist ca. 37 ha groß und stellt für ca. 12.600 Einwohner den Wohnort dar. Überwiegend gehören die Blöcke zu zwei ehemaligen Sanierungsgebieten.

Das Gebiet ist ein city-nahes Wohnquartier mit zentralen Versorgungseinrichtungen, attraktiven urbanen Räumen, einer guten Anbindung an den ÖPNV und das übergeordnete Verkehrsnetz und eine kleinteilige gewerbliche Struktur entlang den Hauptverkehrsstraßen (Goeben- und Yorckstraße sowie Potsdamer und Hauptstraße). Grünflächen liegen weniger im Gebiet selbst als in der direkten Umgebung. Im Gebiet mit hohem Anteil an sanierter Altbausubstanz findet man auch mehrere Gemeinbedarfseinrichtungen sowie Grün- und Spielflächen im Blockinnenbereich. Im Rahmen der Sanierung wurde auch das Wohnumfeld aufgewertet. Die ruhigen Wohnstraßen bieten eine auf die Versorgung des Quartiers ausgerichtete Infrastruktur. Die Blöcke nördlich des Plangebietes gehören zum Bereich des Quartiersmanagement Schöneberg Norden.

 

Vorliegen der Kriterien:

Aufgrund fehlender aktueller Daten zur Wohnungsstruktur und zum Ausstattungsstandard erfolgt die Einschätzung der Gutachter nur in Grundzügen.

Wegen der Durchführung von umfassenden Sanierungsmaßnahmen wird überwiegend ein zeitgemäßer Vollstandard unterstellt; nur vereinzelt wird es Wohnungen mit einfachem Standard geben. Das Aufwertungspotential vermuten die Gutachter im Bereich wohnerhöhender Ausstattung (Aufzug, Balkon, 2. WC, energetischen Sanierungsmaßnahmen) und Grundrissänderungen, insbesondere Wohnungszusammenlegung.

Anhand der Indikatoren Geplante neue Wohnquartiereund Wohnlage, Miet- und Kaufpreisewurde der Aufwertungsdruck ermittelt und analysiert. Während die belegungs- und mietengebundenen Wohnungen mietpreisdämpfend auf den Wohnungsmarkt wirken können, werden die geplanten Wohnblöcke in unmittelbarer Umgebung zum Verdachtsgebiet wahrscheinlich einen Aufwertungsdruck auf die angrenzenden Wohnquartiere ausüben. Der Aufwertungsdruck bei gründerzeitlichen Mietwohnungen ist bereits jetzt anhand der überdurchschnittlich hohen Preise auf dem Miet- und Eigentumsmarkt erkennbar.

Die Analyse des Veränderungsdrucks erfolgte auf der Grundlage folgender Daten (nur für den Planungsraum Dennewitzplatz): Demografische Zusammensetzung, Migrationshintergrund, Bevölkerungsveränderung, Wanderungsbewegungen und Existenzsicherung. Auffällig sind - im Vergleich zu den anderen Verdachtsgebieten - ein hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen und ein geringer Anteil an Älteren. Geprägt ist der Bereich zusätzlich durch einen hohen Anteil von Einwohnern mit Migrationshintergrund, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig konnte beobachtet werden, dass der Anteil an Migranten und Kindern in den letzten vier Jahren abgenommen hat. Die Gesamt-Wanderungsbilanz ist negativ.

Der Anteil Sozialleistungsempfänger ist hoch, besonders bei Kindern, während der Anteil Erwerbstätiger im Landesvergleich deutlich geringer ist.

 

Soziale Erhaltungsgebiete

Das Ziel einer Verordnung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet und die Verhinderung der Verdrängung der bereits gebietsansässigen Wohnbevölkerung. Das Wort Zusammensetzungstellt dabei auf das bestehende Mischungsverhältnis verschiedener Bevölkerungsgruppen bzw. schichten ab. Aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB) folgt weiter, dass die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erforderlich sein muss. Solche Gründe liegen dann vor, wenn zwischen der in dem Gebiet wohnenden Bevölkerung einerseits und der vorhandenen Infrastruktur und Wohnungsstruktur- bzw. - situation anderseits eine bestimmte Passgenauigkeit besteht, die es zu wahren gilt.

 

Erhaltungsgebiet Großgörschenstraße / Kaiser-Wilhelm-Platz

Auf der Grundlage der o.g. Untersuchungen ließ sich die Einleitung eines Verfahrens auf der Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB begründen. Die stadträumliche Lage, die Mischung aus ruhigen und urbanen Räumen geben dem Erhaltungsgebiet als Wohnstandort eine ausgesprochene Attraktivität mit der Möglichkeit, hohe Kauf- und Mietpreise zu erzielen. Potentielle Aufwertungsmaßnahmen und Umwandlungstätigkeiten müssen anhand umfassender Bestandsaufnahmen im weiteren Verfahren geklärt werden. Die derzeit verfügbaren Daten lassen jedoch den Schluss zu, dass im geplanten Erhaltungsgebiet mit einer Verdrängungsgefährdung der ansässigen Bevölkerung, insbesondere Migranten und sozial Schwachen, zu rechnen ist. Aufgrund der sozialen Struktur ist das Gebiet in besonderem Maße für eine soziale Erhaltungsverordnung prädestiniert.

Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist somit aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten.

Im weiteren Verfahren sind die ersten Ergebnisse der o.g. Untersuchung durch weitergehende Untersuchungen zu vertiefen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischeren Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten. Ein Nachweis der Besonderheit der Bevölkerungsstruktur des geplanten Erhaltungsgebietes im Vergleich zu anderen Wohngebieten als auch die besonderen städtebaulichen Gründe für den Erhalt der vorgefundenen Struktur der Wohnbevölkerung sind vor Erlass der Verordnung nachzuweisen.

 

Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung:

Der Beschluss über die Einleitung einer Erhaltungsverordnung für den Bereich Großgörschenstraße / Kaiser-Wilhelm-Platz hat den Geltungsbereich gemäß der schlüssigen Abgrenzung des gleichnamigen Verdachtsgebiets in der o.g. Untersuchung übernommen.

Auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen können sich jedoch noch Änderungen ergeben.

 

Rechtsgrundlagen:

-          Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548)

-          Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3 November 2005 (GVBl. S. 692)

-              Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 10. November 2011 (GVBl. S. 693)

 

Haushaltsmäßige Auswirkungen:

Es werden Kosten in noch nicht ermittelter Höhe für die oben darlegten, weitergehende Untersuchungen entstehen.

Es werden personelle Kosten für genehmigungsrechtliche Prüfung und ggfs. Zurückstellung von Baugesuchen und nach Verkündung der Verordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt auch für Genehmigungen und Versagungen entstehen.

 

 
 

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