Drucksache - 0798/XIX  

 
 
Betreff: über die Einleitung eines Verfahrens für eine Erhaltungsverordnung § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i. V. m. § 30 AGBauGB für die Grundstücke zwischen Hohenstaufen-, Pallas-, Elßholz-, Grunewald- und Bamberger Straße im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, Ortsteil Schöneberg
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BezirksamtBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:Mitteilung zur KenntnisnahmeMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
04.09.2013 
20. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
09.10.2013 
21. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.11.2013 
22. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
03.12.2013 
23. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
15.01.2014 
24. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksamt Beratung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.08.2013 
23. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Mitteilung zur Kenntnisnahme

Da der Text dem Büro der BVV bei

BEGRÜNDUNG:

Anlass:

In den letzten Jahren wurden im Bezirk Tempelhof-Schöneberg zunehmend Bereiche mit angespanntem Wohnungsmarkt identifiziert. Diese Bereiche liegen überwiegend im Norden des Ortsteils Schöneberg. Die Bevölkerungsprognosen für Berlin gehen auch mittelfristig von einem Zuwachs der Bevölkerung aus, der sich gleichzeitig stark auf die innerstädtischen Ortsteile, wie Schöneberg, konzentrieren und überwiegend durch kleine und jüngere Haushalte geprägt sein wird.

Ein angespannter Wohnungsmarkt führt in den innerstädtischen Lagen Berlins verstärkt zu sozialen Entmischungsprozessen. Diese können sich wie folgt städtebaulich auswirken:

-          Steigende Mieten und damit Verdrängung der Bewohner aus ihrem Wohngebiet

-          Verstärkte Nachfrage und entsprechende Verknappung von günstigen Wohnungen im Bezirk / Nachbarbezirken (mit der möglichen Folge einer Segregation durch Fortsetzung des Verdrängungsprozesses in den dann nachgefragten Wohngebieten)

-          Kommunale Aufgabe der Schaffung günstigen Wohnraumes (im Bezirk).

-          Vorhandene öffentliche und private Infrastruktureinrichtungen, die auf die ansässige Bevölkerung zugeschnitten sind, werden nicht mehr im Gebiet nachgefragt. Gleichzeitig entsteht an anderer Stelle ein neuer Bedarf. Dies wirkt sich auf die öffentliche Infrastrukturplanung und auf private Unternehmen sowie soziale Träger aus.

 

Erste Untersuchungen:

Vor diesem Hintergrund hat der Bezirk Tempelhof-Schöneberg, vertreten durch den Fachbereich Stadtplanung, im Dezember 2012 eine Untersuchung zur Ermittlung von „Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung“ in Auftrag gegeben. Der Untersuchungsbericht der „asum GmbH“ liegt seit Juni 2013 vor.

Ziel der Untersuchung war es, Teilräume im Bezirk zu identifizieren, in denen die ansässige Bevölkerung auf die im Gebiet vorhandene Wohnsituation und Infrastruktur angewiesen ist und die Wechselbeziehung gefährdet ist. Also Bereiche, in denen aufgrund von Aufwertungspotential des Wohnungsbestandes und Aufwertungsdruck auf dem Wohnungsmarkt zu befürchten ist, dass soziale Verdrängungsprozesse mit negativen städtebaulichen Folgen ausgelöst werden können.

Als Ergebnis wurden drei Verdachtsgebiete im ganzen Bezirk ermittelt, die die o.g. drei Kriterien (Aufwertungsdruck, Aufwertungspotential und Verdrängungsgefahr) erfüllen und die bei Entmischung zu städtebaulich relevanten Folgen führen können. Sie können aufgrund ihrer städtebaulichen / baulichen Struktur und stadträumlichen Lage die Voraussetzungen für eine soziale Erhaltungsverordnung bieten.

Der Aufwertungsdruck besteht in den in Rede stehenden Gebieten, insbesondere im Bereich der Modernisierung, Wohnungszusammenlegung sowie durch Abriss mit anschließender Neuerrichtung von höherwertigem Wohnungsbau.

Alle drei Verdachtsgebiete liegen im Ortsteil Schöneberg. Für alle drei Gebiete sollen, entsprechend Priorität, Verfahren für soziale Erhaltungsverordnungen eingeleitet und auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen Verordnungen erlassen werden. Aufgrund akuter Verdrängungsgefahr wurde vorrangig für die Verdachtsgebiete Barbarossaplatz / Bayrischer Platzund Dennewitzplatz / Kaiser-Wilhelm-Platzdas Verfahren zum Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung eingeleitet.

 

Verdachtsgebiet Barbarossaplatz und Bayrischer Platz

Abgrenzung des Verdachtsgebietes:

Im Rahmen der Ermittlung von Gebieten mit Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung hatten die Gutachter in einem mehrstufigen Verfahren Gebiete im Bezirk unter Betrachtung der Kriterien Aufwertungspotential, Aufwertungsdruck und Verdrängungsgefahr immer kleinräumiger abgegrenzt.

Das Verdachtsgebiet Barbarossaplatz und Bayrischer Platz besteht fast vollständig aus zwei Planungsräumen, die die oben genannten Kriterien erfüllen. Aufgrund der Nutzungsstruktur (Gemeinbedarf, Grünanlage) wurde jedoch der Block des Planungsraumes Barbarossaplatz östlich der Elßholzstraße nicht in mit aufgenommen. Entsprechendes gilt für die Grundstücke des Planungsraumes Bayrischer Platz südlich der Grunewaldstraße: Hier sind die Kaufpreise und Angebotsmieten mittlerweile so hoch, dass sich der Wohnungsmarkt für einkommensschwächere Bewohnergruppen in der Regel schon verschlossen hat.

 

Beschreibung des Verdachtsgebietes:

Das Verdachtsgebiet ist ca. 75 ha groß und stellt für ca. 15.500 Einwohner den Wohnort dar.

Das Gebiet ist ein zentrumsnahes urbanes Wohnquartier. Überwiegend liegen die Häuser in ruhigen Wohnstraßen. Das Gebiet zeichnet sich durch eine gute Infrastruktur (ÖPNV, Grünanlagen / Schmuckplätze, Gemeinbedarfseinrichtungen) aus. Kleinteilige, gewerbliche Nutzungen liegen überwiegend an den Hauptverkehrsstraßen (Martin-Luther-Straße, Grunewald- und Hohenstaufenstraße).

Der Wohnungsbestand ist zur Hälfte in der Gründerzeit als Blockrandbebauung errichtet worden. Aufgrund starker Kriegszerstörungen wurden Nachkriegsbauten in erheblichem Umfang, teilweise als Zeilenbebauung, errichtet.

 

Vorliegen der Kriterien:

Aufgrund des ermittelten Wohnungsbestandes, der Wohnungsgrößen, Zimmeranzahlen, der Wohnungsausstattung wird das Aufwertungspotential im Bereich Modernisierung mit wohnwerterhöhenden Merkmalen (Balkon, 2. WC, energetischen Sanierungsmaßnahmen) und Grundrissänderungen, insbesondere Wohnungszusammenlegung, vermutet. Die Prognose bezieht sich sowohl auf die Gründerzeitwohnungen als auch auf die Nachkriegsbauten. Für die Grundstücke mit Nachkriegsbestand kann auch eine Aufwertung durch Abriss und höherwertigem Neubau angestrebt werden. Das Potential bei Gründerzeitgebäuden wird weiterhin in Luxusmodernisierungen und Dachgeschossausbau gesehen.

Anhand der Indikatoren Wohnlage, Miet- und Kaufpreiseund Umwandlungsgeschehenwurde der Aufwertungsdruck ermittelt und analysiert. Der Aufwertungsdruck für Wohnungen der frühen Nachkriegszeit besteht aufgrund überdurchschnittlich guter Verwertungsmöglichkeiten im Rahmen potentieller Mietsteigerungen, der Umwandlung in Eigentumswohnungen, Dachausbau sowie Abriss und Neubau. Der Druck auf die gründerzeitlichen Wohnungen wird insbesondere in der Umwandlung in Eigentumswohnungen bzw. Gewerbeeinheiten gesehen. Der Aufwertungsdruck bei gründerzeitlichen Mietwohnungen ist aufgrund der bereits hohen Mieten nicht mehr so stark zu bewerten.

Die Analyse des Veränderungsdrucks erfolgte auf der Grundlage folgender Daten: Demografische Zusammensetzung, Bevölkerungsveränderung, Wanderungsbewegungen und Existenzsicherung. Von den Aufwertungsprozessen in den Nachkriegsbauten ist insbesondere der hohe Anteil von Menschen im Rentenalter betroffen. Sie finden in der Regel keinen vergleichbaren Wohnraum in der Umgebung. Die ausgewerteten Daten lassen jedoch schon erkennen, dass im gesamten Gebiet strukturelle Veränderungen im Gange sind. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund, von Empfängern von Existenzleistungen sowie von Kindern hat abgenommen, während Besserverdienende im Untersuchungszeitraum immer stärker vertreten sind.

 

Soziale Erhaltungsgebiete

Das Ziel einer Verordnung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in einem bestimmten Gebiet und die Verhinderung der Verdrängung der bereits gebietsansässigen Wohnbevölkerung. Das Wort Zusammensetzungstellt dabei auf das bestehende Mischungsverhältnis verschiedener Bevölkerungsgruppen bzw. schichten ab. Aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB) folgt weiter, dass die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erforderlich  sein muss. Solche Gründe liegen dann vor, wenn zwischen der in dem Gebiet wohnenden Bevölkerung einerseits und der vorhandenen Infrastruktur und Wohnungsstruktur- bzw. - situation anderseits eine bestimmte Passgenauigkeit besteht, die es zu wahren gilt.

 

Erhaltungsgebiet Barbarossa Platz / Bayrischer Platz

Auf der Grundlage der o.g. Untersuchungen ließ sich die Einleitung eines Verfahrens auf der Grundlage von § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB begründen. Die stadträumliche Lage, die Mischung aus ruhigen und urbanen Räumen geben dem Erhaltungsgebiet als Wohnstandort eine ausgesprochene Attraktivität mit der Möglichkeit, hohe Kauf- und Mietpreise zu erzielen. Soziostrukturelle Veränderungen haben schon stattgefunden. Weitere Segregationsprozesse würden weiterhin zu Lasten der sozial Schwachen (Kinder, Alte, Migranten, Transferhilfeempfänger) gehen. Gerade die Verdrängung dieser Personengruppen wird aufgrund einer starken Verwurzelung im Wohnquartier und dem erschwerten Finden angemessenen neuen Wohnraumes sowie sozialer und kultureller Einrichtungen zu städtebaulichen Folgen führen.

Diese gilt es auf der Grundlage der Erhaltungsverordnung zu verhindern.

Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist somit aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten.

Im weiteren Verfahren sind die ersten Ergebnisse der o.g. Untersuchung durch weitergehende Untersuchungen zu vertiefen sowie die dann vorliegenden, gebietsspezifischeren Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten. Ein Nachweis der Besonderheit der Bevölkerungsstruktur des geplanten Erhaltungsgebietes im Vergleich zu anderen Wohngebieten als auch die besonderen städtebaulichen Gründe für den Erhalt der vorgefundenen Struktur der Wohnbevölkerung sind vor Erlass der Verordnung nachzuweisen.

 

Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung:

Der Beschluss über die Einleitung einer Erhaltungsverordnung für den Bereich Barbarossaplatz / Bayrischer Platz hat den Geltungsbereich gemäß der schlüssigen Abgrenzung des gleichnamigen Verdachtsgebiets in der o.g. Untersuchung übernommen.

Auf der Grundlage tiefergehender Untersuchungen können sich jedoch noch Änderungen ergeben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

-          Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl. I S. 2414), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548)

-          Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) in der Fassung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3 November 2005 (GVBl. S. 692)

-              Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 10. November 2011 (GVBl. S. 693)

 

Haushaltsmäßige Auswirkungen:

Es werden Kosten in noch nicht ermittelter Höhe für die oben darlegten, weitergehende Untersuchungen entstehen.

Es werden personelle Kosten für genehmigungsrechtliche Prüfung und ggfs. Zurückstellung von Baugesuchen und nach Verkündung der Verordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt auch für Genehmigungen und Versagungen entstehen.

 
 

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