Drucksache - 0772/XIX  

 
 
Betreff: Säntisstraße - Sitzungspause zur weiteren Klärung rechtlicher Grundlagen nutzen!
Status:öffentlichAktenzeichen:siehe Drs. 0555/XIX
 Ursprungaktuell
Initiator:Frakt. SPD, GRÜNEBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:DringlichkeitsantragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
19.06.2013 
22. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Entscheidung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
27.08.2014 
36. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Dringlichkeitsantrag
Anlage MzK 0772_XIX
Mitteilung zur Kenntnisnahme
5. Version vom 19.08.2014

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 20.02.2013 folgenden Beschluss:

Die BVV fordert das Bezirksamt auf, im weiteren Bauantragsverfahren alle rechtlich vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, um die zu erwartenden Verkehrs- und Feinstaubbelastung für die Anwohnerinnen und Anwohner so gering wie möglich zu halten. Insbesondere ist die vorhandene und geplante verkehrliche Erschließung detailliert zu untersuchen und zu bewerten. Dabei ist die verkehrliche Anbindung über die Schwechtenstraße und die ggf. notwendigen baulichen Anpassungen ausführlich darzustellen und im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.

Das Bezirksamt wird ferner ersucht den Grundstückseigentümer aufzufordern sein Gesamtvorhaben eines Logistikzentrums offen zu legen. In diesem Zusammenhang sollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Verkehrs-, Lärm- und Feinstaubbelastungen in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Die BVV ersucht das Bezirksamt einem sukzessiven Bauantragsverfahren deutlich entgegen zu treten und öffentlich transparent darzustellen.

Sollten weitere Bauanträge gestellt werden, sind diese zusammen mit den zu erstellenden Verkehrs- und Lärmgutachten in einer durch das Bezirksamt einzuladenden Informationsveranstaltung öffentlich zu erörtern.

Über den Fortgang der Planungen ist der Stadtentwicklungsausschuss im Rahmen des Berichtes aus der Verwaltung schriftlich zu informieren.

 

Die BVV fasste auf ihrer Sitzung am 19.06.2013 folgenden Beschluss:

Die Bezirksverordnetenversammlung ersucht das Bezirksamt, zur endgültigen Klärung der planungsrechtlichen Grundlage für die Grundstücke Säntisstraße 95-129 und zur Sondierung weitergehender Möglichkeiten zum Erhalt von Kleingärten folgende Schritte zu unternehmen:

1.      Das vom „Grünen Säntispark e. V.“ dem Bezirksamt übermittelte Rechtsgutachten ist vom Bezirksamt beim Eisenbahnbundesamt vorgelegt worden. Dazu wird das Bezirksamt gebeten, die schriftliche Stellungnahme des Eisenbahnbundesamtes der BVV unmittelbar zur Kenntnis zu geben.

2.      Des Weiteren sollen schriftliche Stellungnahmen von den Senatsverwaltungen für Standentwicklung und Umwelt und Wirtschaft angefordert werden.

3.      Das bezirkliche Rechtsamt soll eine schriftliche Bewertung und Stellungnahme zum Rechtsgutachten der Bezirksverordnetenversammlung und dem Bezirksamt zeitnah zur Verfügung stellen. Das Rechtsamt soll hierbei insbesondere den möglichen Einfluss auf das laufende Bauantragsverfahren darlegen.

4.      Anfang August möge das Bezirksamt Vertreter/-innen alle an dem Vorgang beteiligten Gruppen und Institutionen und den Investor zu einem Sondierungsgespräch einladen. Ziel des Gespräches soll es sein, die Interessen so auszuloten, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Investor und Kleingärtner/innen möglich gemacht werden kann.

5.      Die unter 1., 2. und 3. genannten Stellungnahmen sind den Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung ohne Verzögerung durch Sitzungspausen zur Kenntnis zu geben und sollen zusätzlich zu den bereits veröffentlichten Schriftwechseln über die Website des Bezirksamts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

6.      Sobald der Bauantrag vollständig eingereicht worden ist, beginnt die Frist zur Genehmigung von 4 Wochen. Aus diesem Grund ist die BVV umgehend über alle eingehenden Gutachten oder Unterlagen zu informieren.“

 

 

Das Bezirksamt teilt hierzu mit der Bitte um Kenntnisnahme mit:

 

Das Koloniegelände liegt planungsrechtlich in einem Gewerbeband, welches sich entlang der Bahnstrecke mit gewerblicher und industrieller Nutzung von der Röblingstraße bis zur Motzener Straße erstreckt. Die Koloniefläche ist seit Jahrzehnten als Gewerbegebiet vorgesehen. Der Baunutzungsplan von 1960 weist die Fläche bereits als Gewerbe- und Industriegebiet aus. In den aktuellen Planungen des Senats ist die Koloniefläche sowohl im Flächennutzungsplan (FNP) wie auch im Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewerbe (StEP) als gewerbliche Baufläche dargestellt. Der Baunutzungsplan weist die Fläche als Gewerbe- und Industriegebiet aus.

Bereits 1996 beschloss der Bezirk Tempelhof eine Aktualisierung und Überarbeitung der Bereichsentwicklungsplanung BEP Tempelhof 2 und 3. Für die Kolonie Säntisstraße verfolgte der Bezirk das Ziel, die Kleingartenkolonie langfristig zu sichern. Die Senatsverwaltung widersprach diesen Überlegungen und antwortete wie folgt:

„Der FNP stellt gewerbliche Baufläche dar, eine Änderung ist nicht vorgesehen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie sieht die Inanspruchnahme als gewerbliche Baufläche als nachrangig an. Trotzdem ist die Kleingartenanlage längerfristig als gewerbliche Wachstumsreserve zu erhalten.“

Dem Bezirk war somit eine Sicherung der Kolonie verwehrt. Entsprechend wurde die Fläche im Nutzungskonzept der BEP als Dissensfläche dargestellt. Die BEP Tempelhof 2 und 3 wurde im März 1999 beschlossen und stellt gewerbliche Baufläche dar.

Die Überarbeitung des StEP Gewerbe (aktuell: Stadtentwicklungsplan Industrie & Gewerbe – Entwicklungskonzept für den produktionsgeprägten Bereich) erfolgte dann mit Zustimmung der BVV und des Bezirksamtes. Im aktuellen Stadtentwicklunsplan Industrie und Gewerbe (Stand Mai 2011) ist die Koloniefläche als „Fläche für den produktionsgeprägten Bereich (EpB) mit vorrangiger Inanspruchnahme“ dargestellt.

Unabhängig von diesen planungsrechtlichen Vorgaben, hat das Bezirksamt im Baugenehmigungsverfahren immer – auch schon in der Vergangenheit – darauf geachtet, dass die jeweiligen Belange der verschiedenen Nutzungen (Gewerbe vs. Wohnen) beachtet und mögliche Konflikte untereinander vermieden werden. Dies wird auch bei zukünftigen Bauanträgen in der Säntisstraße der Fall sein. Die BVV wurde laufend über die aktuellen Entwicklungen informiert, ebenso war die Kleingartenkolonie Gegenstand zahlreicher BVV-Drucksachen und Erörterungen und Diskussionen in den Gremien der BVV.

Die wiederholt vorgetragene Argumentation, bei dem Gelände der Kleingartenkolonie handelt es sich um planfestgestelltes Eisenbahngelände, mit der Folge, dass dem Bezirk (bzw. dem Land Berlin) somit die Planungshoheit entzogen ist, konnte nicht bestätigt werden. Vielmehr ergaben alle Ermittlungen des zuständigen Eisenbahnbundesamtes (EBA), dass es sich bei dem Koloniegelände – trotz des Vorhandenseins eines Zubringergleises zu einem früher dahinterliegenden Arbeitslager während des Zweiten Weltkrieges – nie um Eisenbahnfläche gehandelt hat oder die Fläche im Sinne einer Planfeststellung für zukünftige Eisenbahnnutzung gewidmet wurde. Zum gleichen Ergebnis ist auch die für Bahnanlagen in Berlin zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt gekommen.

Das vom „Grüner Säntispark e.V.“ in Auftrag gegebene Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. vom 22.05.2013 wurde vom Bezirkamt trotzdem zur Stellungnahme und rechtlichen Einschätzung an das Eisenbahnbundesamt, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sowie die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung weitergeleitet.

Mit Antwort vom 02.07.2013 durch das EBA, sowie vom 18.06.2013 durch     SenStadtUm wurde die bisherige Einschätzung bestätigt. Beide Behörden erklären eindeutig, dass das Gutachten nicht geeignet sei, die bisherigen Erkenntnisse und Prüfergebnisse zu revidieren. Sie sehen in dem Gutachten keine zweckdienlichen neuen Erkenntnisse. Insbesondere steht nach wie vor fest, dass es sich bei dem Flurstück nicht um ein planfestgestelltes Gebiet handelt. Das Grundstück unterliegt vielmehr der gemeindlichen Planungshoheit im Rahmen der geltenden Vorschriften, hier des Baunutzungsplans.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung hat am 29.07.2013 mitgeteilt, dass aus wirtschaftspolitischer Sicht jede Aufgabe gewerblicher Bauflächen zu bedauern wäre und es ansonsten erforderlich wäre, den Flächennutzungsplan und das Entwicklungskonzept für den produktionsgeprägten Bereich zur Festlegung von gewerblichen Ersatzflächen zu ändern.

Die beiden Senatsverwaltungen widersprachen auch mehrfach der Aufforderung des Bezirks, für die planungsrechtlich von der BVV geforderte Sicherung der Kleingartenkolonie die Änderung der Gewerbeentwicklungsplanung in den entsprechenden Planwerken zu betreiben.

Die Stellungnahmen der drei Verwaltungen sind den Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung umgehend zur Kenntnis gegeben worden. Ebenso erfolgte noch in der Sitzungspause 2013 die Veröffentlichung des Schriftwechsels auf der Webseite des Stadtentwicklungsamtes und war somit auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

Im Dezember 2013 wurde auf Initiative des Bezirksamtes nach mehreren Gesprächsrunden zwischen dem Eigentümer des Geländes, Vertretern der Eisenbahner-Landwirtschaft, dem Bezirksamt und dem Haus- Wohnungs- und Grundeigentümerverein ein ‚Letter of Intent’ geschlossen. Gegenstand der Vereinbarung war, dass die Gesamtfläche der Kleingartenkolonie von ca. 100.000 qm zukünftig von der Nutzung her gedrittelt wird. Ein Drittel wird der Investor für seinen Logistikstandort verwenden, ein Drittel soll durch nicht störendes Gewerbe genutzt werden und ein Drittel bleibt mittelfristig als Kleingartenfläche erhalten.

Die Bauantragsverfahren zu den Logistikstandorten (Säntisstraße 89 sowie Säntisstraße 95) wurden zwischenzeitlich abgeschlossen. Die Baugenehmigung zur Säntisstraße 89 wurde erteilt. Die zur Beurteilung der Anträge vorgelegten Gutachten (Lärm und Verkehr) wurden von den zuständigen Fachbereichen geprüft. Das vom Fachbereich Umwelt geprüfte Lärmgutachten ergab, dass das prognostizierte Lärmaufkommen innerhalb der zulässigen Werte der gesetzlichen Vorschriften liegt. Auch das dem Fachbereich Straßen vorgelegte Verkehrsgutachten ergab, dass die Leistungsfähigkeit des vorhandenen Straßennetzes ausreichend ist und bauliche Anpassungen nicht notwendig werden.

Die Baugenehmigung für die Säntisstraße 95 ist gefertigt, die Gebühr dafür jedoch noch nicht bezahlt, so dass sie noch nicht erteilt wurde (Stand 08.07.2014).

Im Verwaltungsvollzug ist durch die gesetzlichen Vorgaben insbesondere der Bauordnung Berlin grundsätzlich geregelt, welches Verfahren bei der Antragstellung eines Bauvorhabens anzuwenden ist und welche Fristen zu beachten sind. Eine öffentliche Informationsveranstaltung zur Erörterung der Bauanträge über die im Rahmen der Einwohnerversammlung am 23.04.2013 erfolgte Erörterung hinaus, wäre daher nicht praktikabel und stellt zudem eine unzulässige Bindung der Verwaltung   (§ 12  Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 BezVG) dar. Es ist jedoch sichergestellt, dass das Stadtentwicklungsamt auch zukünftig seine Ermessensspielräume im Bereich der Säntisstraße mit äußerstem Augenmaß ausüben und in den Beratungen, Planungen und Genehmigungen sehr sensibel auf die Interessen aller Akteure vor Ort eingehen wird.

 

 
 

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