Drucksache - 0019/XIX  

 
 
Betreff: Stärkere Überprüfung von Ferienwohnungen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion der CDUBezirksamt
Verfasser:Frau Dr. Klotz, SibyllSchöttler, Angelika
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
14.12.2011 
3. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin mit Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Entscheidung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
21.03.2012 
7. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten Entscheidung
17.04.2012 
4. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bürgerdienste und Ordnungsamt mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Entscheidung
09.05.2012 
4. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vertagt   
13.06.2012 
5. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   
Bezirksamt Entscheidung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
16.05.2012 
9. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Stadtentwicklung Vorberatung

Sachverhalt
Anlagen:
Änderungsantrag der Fraktion der SPD
Mitteilung zur Kenntnisnahme
Anlage Bericht FeWo's
Drs. 0019_Anlage _Stärkere Überprüfung von Ferienwohnungen_
Mitteilung zur Kenntnisnahme
Drs. 0019_Anlage_Urteil

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

Gemäß BVV-Beschluss zur Drs.-Nr. 0019/XIX vom 14.12.2011 wird dem Bezirksamt empfohlen, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass geprüft wird, inwieweit die Bauaufsicht und das Gewerbeaufsichtsamt zur Verhinderung der Umnutzung von Miet- in Ferienwohnungen in den Ortsteilen Schöneberg und Friedenau erfolgreich eingesetzt werden könnte. Darüber hinaus wurde das Bezirksamt beauftragt, in einem Bericht bis zum 28.02.2012 darzustellen, welche Erfahrungen mit der neuen Betriebsverordnung des Landes Berlin im Zusammenhang mit gewerblicher Wohnungsvermietung gemacht wurden.

 

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wurden mit der Bitte um Prüfung der Änderungsmöglichkeiten des Gewerberechts bzw. des Bauordnungsrechts im Hinblick auf die Nutzung von Wohnungen zu Ferienwohnungen angeschrieben.

Die Anwort der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie der Bericht des Fachbereichs Bauaufsicht zu den bisherigen Erfahrungen mit der neuen Betriebsverordnung des Landes Berlin im Zusammenhang mit gewerblicher Wohnungsvermietung sind bereits im März mitgeteilt worden.

 

Wie im Bericht des Fachbereichs Bauaufsicht (Anlage zur Mitteilung zur Kenntnisnahme, Drucksache Nr. 0019/XIX, BVV vom 21.3.2012) mitgeteilt, hat das Bezirksamt in zwei Fällen Verfahren zur Untersagung der Nutzung von Ferienwohnungen eingeleitet; in einem Fall war eine solche Anordnung zur Nutzungsuntersagung erlassen und mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 (5) der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) versehen worden.

Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung war vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt worden. Hierüber hat das VG am 28.3.2012 entschieden (VG 19 L 18.12).

 

Im Ergebnis wurde dem Antrag der Gegenseite stattgegeben. Das Verwaltungsgericht hatte „ernstliche rechtliche Bedenken“ (S. 3) gegen die Nutzungsuntersagung der Ferienwohnungen. Nur im Falle einer beachtlich von der Wohnnutzung abweichenden Nutzung wäre eine Nutzungsuntersagung zu rechtfertigen (S. 5).

Eine solche sieht das VG nicht als gegeben; hierzu macht es in dem Beschuss u.a. folgende Ausführungen:

·         „...verbietet es die bauplanungsrechtliche Unterscheidung zwischen allgemeiner Wohnnutzung und Ferienwohnung, den Begriff des Beherbergungsbetriebes so weit zu fassen, dass er auch die mietweise Überlassung von selbstständigen Wohnungen, sei es auch nur zu Ferienzwecken, einschließt“ (S. 4)

·         „Es verbleibt im Grundsatz dabei, dass eine Ferienwohnnutzung eine –wenn auch besondere- Form des Wohnens ist“ (S. 4)

·         „... ist das Vermieten von mit einer Kochgelegenheit ausgestatteten Apartments –auch an Feriengäste- kein Beherbergungsbetrieb“ (S. 5)

 

Lediglich hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltes des Nutzers der Ferienwohnungen lässt das VG zunächst offen, ob es hinsichtlich der allgemein anerkannten Definition des Wohnens als auf Dauer angelegte Häuslichkeit eine zeitliche Untergrenze der Nutzungsdauer geben könnte („... erscheint es dem Gericht aber ausgeschlossen, dass sich etwa bei einer nur nach Tagen bemessenden Mietdauer eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit auch nur ansatzweise bilden könnte“, S. 5). Der Ansatz wird jedoch vom VG nicht weiter verfolgt, im Gegenteil problematisiert es die im Internet angegebene Mindestmietdauer von einer Woche nicht. Und weiter unten stellt das Gericht fest: „.. denn ein Gebäude mit nur kurzfristig vermieteten Ferienwohnungen ist gerade kein Beherbergungsbetrieb, sondern ein Wohngebäude mit einer besonderen Ausprägung des Wohnens ohne das Merkmal der Dauerhaftigkeit“ (S. 6).

 

Weiterhin hatte das VG Bedenken hinsichtlich der Vorgehensweise des Bezirksamtes.

 

·         Bestimmtheit der Anordnung

Die Untersagung der Nutzung als Ferienwohnung sei nicht hinreichend bestimmt, da mit der Beschränkung auf Ferienwohnungen im Sinne der Überlassung/Vermietung der Wohnungen als Freizeit-/Urlaubswohngelegenheit an einen wechselnden, im weitesten Sinne erholungssuchenden Personenkreis zum vorübergehenden Aufenthalt noch eine breite Palette kurzfristiger Nutzungsverhältnisse möglich sei und zudem eine Motivationsforschung bezüglich des Aufenthaltszwecks durch den Vermieter betrieben werden müsste.

·         Ermittlung des Sachverhaltes

Dem Bezirksamt zugegangene Mieterbeschwerden, eine – mehrfach erfolgte- Begehung des Gebäudes, weitere Befragung von Mietparteien sowie die erfolgte Internet-Recherche zu den Ferienwohnungsangeboten im Gebäude seien nicht hinreichend zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes. Das Bezirksamt hätte von den in der Bauordnung zur Verfügung stehenden Auskunftsrechten mittels einer Verfügung gegen den Eigentümer zur Benennung der Dauermieter Gebrauch machen müssen und von letzteren die Vorlage von Betriebsbeschreibungen mittels weiterer Verfügungen verlangen müssen.

·         Störerauswahl

Das Bezirksamt habe die Störerauswahl nicht ermessensfehlerfrei getroffen. Auch wenn sich der Eigentümer im Rahmen der Anhörung gem. § 28 VwVfG nicht geäußert habe, hätte das Bezirksamt weitere Ermittlungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit anstellen müssen.

 

Angesichts dieses Beschlusses sieht sich das Bezirksamt nicht in der Lage, die vom VG verlangte Vorgehensweise in ähnlich gelagerten Fällen anzuwenden, da dies die personellen Ressourcen des Bezirksamtes überfordern würde; dies vor allem, da im Hinblick auf die angesichts der vom VG mehrfach angezweifelten Qualifizierung von Ferienwohnungen als Beherbergungsbetrieb eine Erfolgsaussicht kaum zu bestehen scheint.

 

Der genannte Beschluss des VG wurde der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt übermittelt. Dem Bezirksamt ist bekannt, dass diese das Bezirksamt Mitte bei der Durchführung mindestens eines ähnlichen Verfahrens unterstützt. Das Bezirksamt geht davon aus, dass die durch das Bezirksamt erwirkte Rechtsprechung, die als Fortentwicklung und weitere Klarstellung der Rechtslage zu würdigen ist, in den dort anstehenden Verfahren berücksichtigt wird und hilfreich sein kann.

 

Die Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf die Bitte um Prüfung der Änderungsmöglichkeiten des Gewerberechts bzw. des Bauordnungsrechts im Hinblick auf die Nutzung von Wohnungen zu Ferienwohnungen liegt nunmehr auch vor:

 

„Stellt die zuständige Bauaufsichtsbehörde fest, dass ein als Wohngebäude genehmigtes Gebäude nunmehr als Beherbergungsstätte (formell illegal) genutzt wird, kann sie die Nutzung untersagen. Nicht das Vorhandensein von Ferienwohnungen ist maßgebend, sondern das Betreiben als Beherbergungsstätte, d.h. eine gewerbliche hotelmäßige Nutzung eines Gebäudes muss gegeben und nachweisbar sein.

 

Eine Nutzungsuntersagung kommt insbesondere auch dann in Betracht, wenn Bedenken wegen der Brandsicherheit bestehen, z.B. wenn bei einer Beherbergungsstättennutzung aufgrund des Fehlens von brandschutztechnisch abgetrennten Abstellräumen im notwendigen Treppenraum Bettwäsche und Handtücher, Reinigungsmittel und Toilettenpapier, aber auch Abfälle gelagert werden. Mit der Änderung der Betriebs-Verordnung – BetrVO – vom 18.06.2010 ist festgelegt worden, dass die Maßnahmen des betrieblichen Brandschutzes nach § 15 BetrVO (Freihalten der Rettungswege, Brandschutzordnung, verantwortliche Personen) für alle Beherbergungsstätten gelten, auch für diejenigen, in denen eine Beherbergung in Ferienwohnungen stattfindet. Werden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde konkrete Anhaltspunkte für gefährliche Zustände bekannt, kann sie nach § 5 Abs. 2 der Betriebs- Verordnung eine Brandsicherheitsschau durchführen. Werden Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Anforderungen festgestellt, kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde als Ordnungsbehörde einschreiten und gemäß § 58 der Bauordnung für Berlin – BauO Bln – die erforderlichen Maßnahmen treffen.

 

Stellt die zuständige Bauaufsichtsbehörde keine konkrete Gefahr fest, kann sie als „milderes Mittel“ vom Eigentümer die Beantragung einer Nutzungsänderung von einem Wohngebäude in eine Beherberungsstätte – sofern diese planungsrechtlich zulässig wäre – fordern, um die formell illegale Nutzung zu legalisieren. Ab 13 Gastbetten ist eine Beherbergungsstätte nach § 2 Abs. 4 BauO Bln ein Sonderbau und daher muss das Baugenehmigungsverfahren nach § 65 BauO Bln durchgeführt werden. Mit dem Bauantrag sind Bauvorlagen bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde einzureichen. Über den Antrag für die Nutzungsänderung von einem Wohngebäude in eine Beherbergungsstätte kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde erst abschließend entscheiden, wenn die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gegeben ist und der Nachweis des ausreichenden Brandschutzes (Brandschutznachweis gemäß § 67 Abs. 1 BauO Bln i.V.m. § 11 Bauverfahrensordnung) geprüft ist. Beurteilungsgrundlage für die Maßnahmen des vorbeugenden baulichen Brandschutzes ist dabei die Muster-Beherberungsstätten-Verordnung der Bauministerkonferenz, die aufgrund der Ausführungsvorschriften zu § 52 der Bauordnung für Berlin – AV Mustervorschriften heranzuziehen ist. Danach muss eine Beherbergungsstätte mit mehr als 60 Gastbetten (oder mehr als 30 Gastbetten je Geschoss) eine zweite notwendige Treppe als Rettungsweg haben. Ab 60 Gastbetten muss zudem eine automatische Brandmeldeanlage vorhanden sein.“

 

Herr Senator Müller verweist zunächst auf seine Ausführungen in der Bezirksstadträtesitzung am 01.03.2012:

 

„Senator Müller erläutert, dass es bei der Ferienwohnnutzung auch um die politische Bewertung von städtebaulichen und sozialen Folgewirkungen für das Zusammenleben der Bewohner/innen und mögliche Strukturveränderungen („Umkippen“) eines Wohngebietes gehe. Hier gelte es, rechtzeitig gegenzusteuern, damit Wohnraum für dauerhaftes Wohnen zur Verfügung steht. Die Wiedereinführung eines Zweckentfremdungsverbotsgesetzes ist ein mögliches Instrument für besondere Problemlagen.“

 

In Ergänzung zu den Ausführungen aus der Stadträtesitzung weist Herr Senator Müller in seinem Brief auf das Internet-Bauaufsichtsportal http://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/bauaufsicht hin, dass auch als Entscheidungshilfe zur Verfügung steht.

 

Auf Grund des Auftrags des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 26.05.2011 wurde in dem Zwischenbericht vom 17.08.2011 zugesagt, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für den möglichen Erlass eines Zweckentfremdungsverbots untersuchen zu lassen. Der Untersuchungsauftrag wurde ausgeschrieben und mittlerweile an das Hamburger Institut GEWOS vergeben. Der Auftrag beinhaltet auch eine Untersuchung hinsichtlich der Anzahl der als Ferienwohnungen genutzten Wohnungen in den einzelnen Bezirken Berlins und hinsichtlich der Frage, in welchen Stadtgebieten Berlins die Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen besonders ausgeprägt ist.

 

Stadtentwicklungssenator Müller und das Bezirksamt stimmen in der Auffassung überein, dass eine Zweckentfremdungsverbots-Verordnung das effektivste Instrumentarium gegen die Umnutzung von Wohnraum in Ferienwohnungen darstellt. Der Stand der gegenwärtig noch nicht abgeschlossenen Prüfungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht lässt den Schluss zu, dass ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum – zumindest in den zentralen Bezirken Berlins – möglich ist. Unter Berücksichtigung der notwendigen Beteiligung der hierfür vorgesehenen politischen Gremien und Institutionen könnte ein solches Verbot Ende diesen Jahres in Kraft treten.

 

Das Bezirksamt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Zweckentfremdungsverbotsverordnung nur dann ein sinnvolles Instrument zum Schutz vor Umnutzung von Wohnraum in Ferienwohnungen ist, wenn die zur Umsetzung dieser Verordnung notwendigen Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden können. Offen ist bisher auch, in welchen Ämtern diese personelle Verstärkung notwendig werden wird.

 

 
 

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