Drucksache - 0728/XVIII
Das Bezirksamt teilt zu der o.g. Drucksache folgendes mit: Grundsätzlich ist das Anliegen zu begrüßen, Bürgerinnen und
Bürgern verschiedenen Alters kontinuierlich Angebote vor Ort zur Geschichte
Tempelhof-Schönebergs und seiner Ortsteile zu machen. Im Bezirk gibt es seit mehr als 20 Jahren eine (von
verschiedenen Kultureinrichtungen getragene) aktive Geschichtsarbeit, die mit
Ausstellungen und Veranstaltungen über historische Ereignisse, Orte und
Entwicklungen informiert. Inhalte und Vermittlungsformen orientieren sich dabei
oft an den regionalen Besonderheiten (z.B. Orte nationalsozialistischer
Gewaltherrschaft im Bezirk), an aktuellen Fragestellungen (z.B. ein Jubiläum
als Anlass oder stadtplanerische Entwicklungen, wie in Zusammenhang mit dem
Programm Stadtumbau West) und an speziellen Zielgruppen (z.B. Angebote für
junge Menschen, Senioren, Migranten). Über entsprechende Aufbereitungen und
Zugänge wird Geschichte hier nicht nur “gelehrt”, sondern erfahrbar
und auf den aktuellen Lebenszusammenhang beziehbar gemacht. Eine besondere Bedeutung nehmen dabei Vermittlungsmethoden
ein, die auch Adressaten ansprechen wollen, die normalerweise keinen Zugang zu
Geschichte und dem Ort Museum haben. Aus diesem Grunde haben die Museen
Tempelhof-Schöneberg in den vergangenen Jahren zunehmend mehr niedrigschwellige
Angebote entwickelt, die Geschichte zu den Bürgern hin in den Stadtraum trägt
(Beispiel: Ausstellung zur Geschichte des Innsbrucker Platzes/2006, Hörrundgang
über den Alten St. Matthäus-Friedhof/2006, Lesung in der
Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche/2007). Seit 2007 werden darüber hinaus
Stadtrundgänge durch die verschiedenen Ortsteile Tempelhofs und Schönebergs
angeboten, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Dieses Angebot soll für die
Folgejahre ausgebaut werden. Spezielle Programme für Menschen migrantischer
Herkunft sollen helfen, Schwellenängste abzu- bauen, aber auch die Offenheit signalisieren, die
Migrationsgeschichte der letzten 30 Jahre in die bezirkliche Sammlung und
Präsentation als selbstverständlichen Bestandteil zu integrieren. Neben diesen Aktivitäten wird derzeit an einem Konzept
gearbeitet, das rund um die General-Pape-Straße (Programm Stadtumbau West) mit
den Geschichtsorten “Informationsort Großbelastungskörper”
(voraussichtlich ab 2009) und “Gedenkstätte SA-Gefängnis
Papestraße” (voraussichtlich ab 2010) und dem verbindenden
“Geschichtsparcours” (ab Ende 2008) Geschichte am authentischen Ort
erlebbar macht. Mit kontinuierlichen Programmen wie Rundgängen, Führungen und
Veranstaltungen soll hier ein weiterer lebendiger dezentraler Komplex der
Geschichtsvermittlung entstehen, der in Zukunft aktiv in die Arbeit der Museen
Tempelhof-Schöneberg eingebunden werden wird. Das Archiv zur Geschichte von Tempelhof und Schöneberg
stellt für alle historischen Projekte des Museums und andere anfragende
Einrichtungen und Geschichtsinitiativen seit 1983 seine umfangreiche Sammlung
zur Verfügung. Im Rahmen der neueren Forschungsprojekte des Museums erweitern
sich auf diese Weise auch die Archivbestände. Mit der Aktion “Offenes
Archiv” wurde im Jahr 2008 erstmalig der Versuch gemacht, im Rahmen von
Themennachmittagen, wie z.B. Frauengeschichte im Bezirk, noch mehr
Interessenten für das selbsttätige Forschen im Archiv zu gewinnen. Eine im
gleichen Jahr begonnene Vortragsreihe über den bezirklichen Kunstbesitz hat mit
dazu beigetragen, interessierte “Laien” auch diesen Teil der
Sammlung zugänglich zu machen. Grundlage dieser vielfältigen Schwerpunkte bezirklicher
Geschichtsarbeit ist ein “Heimatverständnis”, das das Verhältnis
zur “Heimat” immer wieder neu befragen will – in
Ausstellungen und Veranstaltungen, mit populären, aber auch mit sog.
“schwierigen” Themen, mit den “Ureinwohnern” des
Bezirks, aber auch mit den Zugezogenen, mit Erwachsenen und mit jungen Menschen.
Dabei kann es nicht nur darum gehen, an das Vertraute und Wohlbekannte
anzuknüpfen, hier besteht leicht die Gefahr einer romantisierenden
Verherrlichung von Heimat und einer Verengung der Sichtweise. Wenn es um das anspruchsvolle Ziel der Identitätsbildung
oder auch nur – etwas niedriger angesetzt – um Identifikation mit
dem unmittelbaren Lebensumfeld geht, müssen die Angebote zur
Geschichtsvermittlung inhaltlich und methodisch so ge-staltet sein, dass sie
differenzierte Auseinandersetzungen ermöglichen. Denn Heimat ist nicht nur die
positive Erfahrung der Ortsbindung und die damit verbundene Sicherheit und
Identitätsfindung, sondern auch der Verlust von Heimat und die damit
einhergehende Existenzbedrohung. Hier sind Perspektivwechsel, die den Charakter
des Neuen und Fremdartigen sichtbar und annehmbar machen, unerlässlich. Das Verhältnis zur Heimat ist insbesondere bei Kindern und
Jugendlichen ein affektiv-pragmatisches. Das forschende Fragen wird dort
provoziert, wo etwas Fremdes, Überraschendes, Ungewohntes in den Horizont
junger Menschen tritt. Aus diesem Interesse kann ein Wissen gewonnen werden,
das auch Rückwirkungen auf die Deutung und das Verständnis der eigenen
Lebenssituation haben kann. Fazit: Es sollte sichergestellt werden, dass die facettenreiche
Geschichtsarbeit in der bisher erfolgreichen Weise im Bezirk fortgeführt werden
kann. Wichtig wäre z.B. durch geeignete Veröffentlichungen die bisherigen
Angebote noch weiter bekannt zu machen und ihre Inhalte in Publikationen
langfristig für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus gehende Projekte, wie (Wander-)ausstellungen
zu den einzelnen Ortsteilen können nur realisiert werden, wenn zusätzliche
finanzielle Mittel und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ausstellungen im Stadtraum sind in der Vorbereitung und
Umsetzung stets sehr arbeits- und kostenintensiv. Die Kosten für
Wanderausstellungen lassen sich nur mit Einschränkungen realistisch schätzen,
da sie von vielen Faktoren (z.B. Open-Air im Stadtraum, bezirkseigene/externe
Gebäude, Vorrecherchen bzw. Anschauungsmaterial vorhanden oder nicht, Träger
vorhanden oder nicht) abhängig ist. Die nachfolgende Berechnung basiert deshalb
lediglich auf der Grundlage der Erfahrungswerte und qualitativen Ansprüche des
Fachbereichs Museen für eine mittlere stadtgeschichtliche Ausstellung im
Stadtraum (z.B. auf einem Platz), die thematisch neu erarbeitet und umgesetzt
wird. (Niedrigschwellige Angebote sind in der Regel sehr attraktiv und
interessieren auch sog. “Laien” für Geschichte.) Honorare: 1. Durchführung von wissenschaftlichen Recherchen in
Archiven 5.000,00 € ggf. auch
Durchführung von Zeitzeugeninterviews 1-2 Personen à
25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 200 2. Herstellen der Texte und Auswahl des Bild- und
Dokumenten- 2.500,00 € materials in
Absprache mit den Grafikern, 1-2 Personen à
25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: 100 3. Entwicklung und Umsetzung eines Ausstellungskonzeptes 6.500,00 € incl.
Materialrecherchen, künstlerische Arbeiten, Koordination der
Umsetzungsarbeiten, Absprache mit Firmen etc. 1-2 Personen à
25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 160 2 Handwerker à
15,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 170 4. Grafische Arbeiten/Umsetzung der Ausstellung 1.500,00 € Tafel-Layout,
Bild- und Textbearbeitung, Anpassung vor Ort, Koordination der
Absprachen mit Druckereien etc. 1 Person à 20,00
€ pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 80 5. Besucherbetreuung (je nach Laufdauer) 2.500,00 € 2 Personen à
10,00/15,00 € pro Stunde, Stundenaufwand:
ca. 8 Wochen, max. 200 Stunden geöffnet Zwischensumme 18.000,00
€ Sachmittel 1. Transporte 500,00 € 2. Ausstellungsmaterial (u.a. Holz, Metall, Farben, 3.000,00 € handwerkliches
Zubehör) 3. Grafisches Material (u.a. Trägermaterial, Papiere, Farbe, 2.000,00 € Plottermaterial,
Druckerpatronen) Zwischensumme 5.500,00 € Gesamt: 23.500,00
€ Der Fachbereich Museen verfügt nicht über die Kapazitäten,
jedes Jahr verbindlich eine solche Ausstellung zu realisieren. Allerdings wird
geprüft werden, ob sich das Anliegen, mehr Geschichte vor Ort zu zeigen,
themenorientiert in die Jahresplanung der Abt. Schule, Bildung und Kultur
integrieren lässt. Andere bezirkliche Einrichtungen, die Ausstellungen zur
Geschichte des Bezirks realisieren wollen, haben selbstverständlich Zugang zur
historischen Sammlung des Archivs und werden dort fachlich betreut. |
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