Drucksache - 0728/XVIII  

 
 
Betreff: Mehr Heimatkunde im Bezirk
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Die Fraktion der CDUBezirksamt
Verfasser:Herr Hapel, DieterBand, Ekkehard
Drucksache-Art:AntragMitteilung zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Bildung und Kultur XIX. Wahlperiode Entscheidung
08.01.2009 
22. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultur mit Zwischenbericht zur Kenntnis genommen   
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
18.06.2008 
20. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
Bezirksamt Vorberatung
Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin Entscheidung
10.12.2008 
25. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg von Berlin überwiesen   

Sachverhalt
Anlagen:
Antrag
Mitteilung zur Kenntnisnahme 25.11.08

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:

 

Das Bezirksamt teilt zu der o.g. Drucksache folgendes mit:

 

Grundsätzlich ist das Anliegen zu begrüßen, Bürgerinnen und Bürgern verschiedenen Alters kontinuierlich Angebote vor Ort zur Geschichte Tempelhof-Schönebergs und seiner Ortsteile zu machen.

 

Im Bezirk gibt es seit mehr als 20 Jahren eine (von verschiedenen Kultureinrichtungen getragene) aktive Geschichtsarbeit, die mit Ausstellungen und Veranstaltungen über historische Ereignisse, Orte und Entwicklungen informiert. Inhalte und Vermittlungsformen orientieren sich dabei oft an den regionalen Besonderheiten (z.B. Orte nationalsozialistischer Gewaltherrschaft im Bezirk), an aktuellen Fragestellungen (z.B. ein Jubiläum als Anlass oder stadtplanerische Entwicklungen, wie in Zusammenhang mit dem Programm Stadtumbau West) und an speziellen Zielgruppen (z.B. Angebote für junge Menschen, Senioren, Migranten). Über entsprechende Aufbereitungen und Zugänge wird Geschichte hier nicht nur “gelehrt”, sondern erfahrbar und auf den aktuellen Lebenszusammenhang beziehbar gemacht.

 

Eine besondere Bedeutung nehmen dabei Vermittlungsmethoden ein, die auch Adressaten ansprechen wollen, die normalerweise keinen Zugang zu Geschichte und dem Ort Museum haben. Aus diesem Grunde haben die Museen Tempelhof-Schöneberg in den vergangenen Jahren zunehmend mehr niedrigschwellige Angebote entwickelt, die Geschichte zu den Bürgern hin in den Stadtraum trägt (Beispiel: Ausstellung zur Geschichte des Innsbrucker Platzes/2006, Hörrundgang über den Alten St. Matthäus-Friedhof/2006, Lesung in der Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche/2007). Seit 2007 werden darüber hinaus Stadtrundgänge durch die verschiedenen Ortsteile Tempelhofs und Schönebergs angeboten, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Dieses Angebot soll für die Folgejahre ausgebaut werden. Spezielle Programme für Menschen migrantischer Herkunft sollen helfen, Schwellenängste abzu-

 

bauen, aber auch die Offenheit signalisieren, die Migrationsgeschichte der letzten 30 Jahre in die bezirkliche Sammlung und Präsentation als selbstverständlichen Bestandteil zu integrieren.

 

Neben diesen Aktivitäten wird derzeit an einem Konzept gearbeitet, das rund um die General-Pape-Straße (Programm Stadtumbau West) mit den Geschichtsorten “Informationsort Großbelastungskörper” (voraussichtlich ab 2009) und “Gedenkstätte SA-Gefängnis Papestraße” (voraussichtlich ab 2010) und dem verbindenden “Geschichtsparcours” (ab Ende 2008) Geschichte am authentischen Ort erlebbar macht. Mit kontinuierlichen Programmen wie Rundgängen, Führungen und Veranstaltungen soll hier ein weiterer lebendiger dezentraler Komplex der Geschichtsvermittlung entstehen, der in Zukunft aktiv in die Arbeit der Museen Tempelhof-Schöneberg eingebunden werden wird.

 

Das Archiv zur Geschichte von Tempelhof und Schöneberg stellt für alle historischen Projekte des Museums und andere anfragende Einrichtungen und Geschichtsinitiativen seit 1983 seine umfangreiche Sammlung zur Verfügung. Im Rahmen der neueren Forschungsprojekte des Museums erweitern sich auf diese Weise auch die Archivbestände. Mit der Aktion “Offenes Archiv” wurde im Jahr 2008 erstmalig der Versuch gemacht, im Rahmen von Themennachmittagen, wie z.B. Frauengeschichte im Bezirk, noch mehr Interessenten für das selbsttätige Forschen im Archiv zu gewinnen. Eine im gleichen Jahr begonnene Vortragsreihe über den bezirklichen Kunstbesitz hat mit dazu beigetragen, interessierte “Laien” auch diesen Teil der Sammlung zugänglich zu machen.

 

Grundlage dieser vielfältigen Schwerpunkte bezirklicher Geschichtsarbeit ist ein “Heimatverständnis”, das das Verhältnis zur “Heimat” immer wieder neu befragen will – in Ausstellungen und Veranstaltungen, mit populären, aber auch mit sog. “schwierigen” Themen, mit den “Ureinwohnern” des Bezirks, aber auch mit den Zugezogenen, mit Erwachsenen und mit jungen Menschen. Dabei kann es nicht nur darum gehen, an das Vertraute und Wohlbekannte anzuknüpfen, hier besteht leicht die Gefahr einer romantisierenden Verherrlichung von Heimat und einer Verengung der Sichtweise.

Wenn es um das anspruchsvolle Ziel der Identitätsbildung oder auch nur – etwas niedriger angesetzt – um Identifikation mit dem unmittelbaren Lebensumfeld geht, müssen die Angebote zur Geschichtsvermittlung inhaltlich und methodisch so ge-staltet sein, dass sie differenzierte Auseinandersetzungen ermöglichen. Denn Heimat ist nicht nur die positive Erfahrung der Ortsbindung und die damit verbundene Sicherheit und Identitätsfindung, sondern auch der Verlust von Heimat und die damit einhergehende Existenzbedrohung. Hier sind Perspektivwechsel, die den Charakter des Neuen und Fremdartigen sichtbar und annehmbar machen, unerlässlich.

 

Das Verhältnis zur Heimat ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ein affektiv-pragmatisches. Das forschende Fragen wird dort provoziert, wo etwas Fremdes, Überraschendes, Ungewohntes in den Horizont junger Menschen tritt. Aus diesem Interesse kann ein Wissen gewonnen werden, das auch Rückwirkungen auf die Deutung und das Verständnis der eigenen Lebenssituation haben kann.

 

Fazit:

 

Es sollte sichergestellt werden, dass die facettenreiche Geschichtsarbeit in der bisher erfolgreichen Weise im Bezirk fortgeführt werden kann. Wichtig wäre z.B. durch geeignete Veröffentlichungen die bisherigen Angebote noch weiter bekannt zu machen und ihre Inhalte in Publikationen langfristig für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

 

Darüber hinaus gehende Projekte, wie (Wander-)ausstellungen zu den einzelnen Ortsteilen können nur realisiert werden, wenn zusätzliche finanzielle Mittel und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

 

Ausstellungen im Stadtraum sind in der Vorbereitung und Umsetzung stets sehr arbeits- und kostenintensiv. Die Kosten für Wanderausstellungen lassen sich nur mit Einschränkungen realistisch schätzen, da sie von vielen Faktoren (z.B. Open-Air im Stadtraum, bezirkseigene/externe Gebäude, Vorrecherchen bzw. Anschauungsmaterial vorhanden oder nicht, Träger vorhanden oder nicht) abhängig ist. Die nachfolgende Berechnung basiert deshalb lediglich auf der Grundlage der Erfahrungswerte und qualitativen Ansprüche des Fachbereichs Museen für eine mittlere stadtgeschichtliche Ausstellung im Stadtraum (z.B. auf einem Platz), die thematisch neu erarbeitet und umgesetzt wird. (Niedrigschwellige Angebote sind in der Regel sehr attraktiv und interessieren auch sog. “Laien” für Geschichte.)

 

Honorare:

 

1. Durchführung von wissenschaftlichen Recherchen in Archiven                 5.000,00 €

    ggf. auch Durchführung von Zeitzeugeninterviews

    1-2 Personen à 25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 200

 

2. Herstellen der Texte und Auswahl des Bild- und Dokumenten-                   2.500,00 €

    materials in Absprache mit den Grafikern,

    1-2 Personen à 25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: 100

 

3. Entwicklung und Umsetzung eines Ausstellungskonzeptes                        6.500,00 €

    incl. Materialrecherchen, künstlerische Arbeiten, Koordination

    der Umsetzungsarbeiten, Absprache mit Firmen etc.

    1-2 Personen à 25,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 160

    2 Handwerker à 15,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 170

 

4. Grafische Arbeiten/Umsetzung der Ausstellung                                          1.500,00 €

    Tafel-Layout, Bild- und Textbearbeitung, Anpassung vor Ort,

    Koordination der Absprachen mit Druckereien etc.

    1 Person à 20,00 € pro Stunde, Stundenaufwand: ca. 80

 

5. Besucherbetreuung (je nach Laufdauer)                                                      2.500,00 €

    2 Personen à 10,00/15,00 € pro Stunde,

    Stundenaufwand: ca. 8 Wochen, max. 200 Stunden geöffnet

 

Zwischensumme                                                                                                        18.000,00 €

Sachmittel

 

1. Transporte                                                                                                       500,00 €

 

2. Ausstellungsmaterial (u.a. Holz, Metall, Farben,                                          3.000,00 €

    handwerkliches Zubehör)

 

3. Grafisches Material (u.a. Trägermaterial, Papiere, Farbe,                           2.000,00 €

    Plottermaterial, Druckerpatronen)

 

Zwischensumme                                                                                                          5.500,00 €

 

Gesamt:                                                                                                                      23.500,00 €

 

Der Fachbereich Museen verfügt nicht über die Kapazitäten, jedes Jahr verbindlich eine solche Ausstellung zu realisieren. Allerdings wird geprüft werden, ob sich das Anliegen, mehr Geschichte vor Ort zu zeigen, themenorientiert in die Jahresplanung der Abt. Schule, Bildung und Kultur integrieren lässt.

 

Andere bezirkliche Einrichtungen, die Ausstellungen zur Geschichte des Bezirks realisieren wollen, haben selbstverständlich Zugang zur historischen Sammlung des Archivs und werden dort fachlich betreut.

 

 
 

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