Drucksache - 1731/V  

 
 
Betreff: Psychosoziale und psychiatrische Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:BV ZiffelsBV Ziffels
Verfasser:Ziffels 
Drucksache-Art:Kleine AnfrageKleine Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Beantwortung
11.12.2019 
35. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf schriftlich beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
Schriftliche Beantwortung vom 17.12.2019

Ich frage das Bezirksamt:

 

1)   Wie wurde in den letzten beiden Haushaltsjahren die psychosoziale und psychiatrische Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge im Bezirk organisiert und finanziert?

 

2)   Trifft es zu, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen des Senats die bisherigen Zuschüsse für Maßnahmen der Pflichtversorgung in Gefahr sind gestrichen zu werden?

 

3)   Wenn ja, was hat das Bezirksamt getan, damit es nicht zu einer Streichung kommt?

 

4)   Wie beurteilt das Bezirksamt die Notwendigkeit der Maßnahmen für die Pflichtversorgung traumatisierter geflüchteter Menschen?

 

Rainer Ziffels

 

 

 

Die Kleine Anfrage wird wegen Zeitablauf schriftlich beantwortet.

 

 

Sehr geehrter Herr Rögner-Francke,

 

die o.g. Kleine Anfrage wird für das Bezirksamt wie folgt beantwortet:

 

1)   Im Frühjahr 2016 wurde durch die Senatsverwaltung für Gesundheit das Rahmenkonzept zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen veröffentlicht. Innerhalb dieses Konzeptes wurden ab 2016 den Bezirken 24 psychosoziale Fachkräfte für die bezirkliche Versorgung für zunächst zwei Jahre finanziert. Diese sollten an die bestehenden Kontakt- und Beratungsstellen (KBS) angebunden sein. Steglitz-Zehlendorf erhielt damals 1.5 Stellenanteile. Diese wurden intern auf die räumlichen Bereiche Steglitz und Zehlendorf im Umfang von je 0,75 Stellen aufgeteilt und in Steglitz dem Tageszentrum Kamenzer Damm, in Zehlendorf dem Treffpunkt Mexikoplatz zugeordnet. Diese Stellenanteile wurden von den beiden Trägern Reha Steglitz und Perspektive Zehlendorf mit Stellenanteilen aus anderen Leistungsbereichen der Träger ergänzt, so dass die Aufgabe von Beginn an vollständig mit dem Regelangebot der Träger verbunden war. Im Nachhinein hat sich dies als ein sehr effektives Vorgehen erwiesen, die Versorgungswirksamkeit wurde nicht nur hergestellt, sondern gleichzeitig stabilisiert. Beide Teams arbeiten bis zum heutigen Zeitpunkt und halten muttersprachliche Kompetenz in mindestens zwei für die Zielgruppe relevanten Sprachen (Arabisch und Farsi) vor. Diese Finanzierung (2016-17) wurde um zwei Jahre 2018-19 verlängert. Gleichzeitig wurden 2018-19 im Rahmenkonzept zwei weitere der Pflichtleistungen verstärkt, nämlich das Beschäftigungsangebot „Zuverdienst“ mit 0,5 Stellen und die Suchtberatung mit 1,0 Stellen RAZ für Steglitz-Zehlendorf. Mit den Verstärkungsmitteln aus dem Rahmenkonzept Medizinische Versorgung von Asylsuchenden/ Geflüchteten ist es erstmals gelungen Mitarbeiter*innen insbesondere aus den Herkunftsländern der jetzt hierher Geflüchteten in den Teams zu beschäftigen, was zur qualitativen Verbesserung der Arbeit erheblich beigetragen hat.

 

2)   Die von der SenFin vorgelegte Planung sah zunächst die Nicht-Verlängerung, also Einstellung der zusätzlichen Mittel für die Arbeit mit Geflüchteten zum kommenden Jahr 2020 vor. Gleichzeitig wurde im Haushaltsplanentwurf die Summe der Regelangebote geringfügig erhöht. Dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf würden damit ca. 80% weniger Mittel für diese zusätzliche Arbeit zur Verfügung stehen.

 

3)   Das Bezirksamt hat auf allen Ebenen und in allen zuständigen Gremien, wie zum Beispiel im Psychatriebeirat, über die Situation informiert und das gemeinsame Vorgehen besprochen. Für das Land Berlin hat der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Veranstaltung organisiert, gemeinsam wurden Anschreiben an die Abgeordneten im Abgeordnetenhaus formuliert. Die Situation wurde durch das Bezirksamt, im Verbund mit den anderen Gesundheitsstadträt*innen in den Stadträterunden mit dem Senat mehrfach kritisch diskutiert. Es fanden fraktionsübergreifend persönliche Gespräche statt um die Aufmerksamkeit auf diese Entscheidung zu lenken. Im Gesamttableau der Haushaltsberatungen ist es nicht ganz einfach, für spezialisierte Themen die Aufmerksamkeit zu finden. Und ja, es ist uns gelungen: In einer der letzten Sitzungen des Hauptausschusses, am 29.11.2019 wurden diese Kürzungen zurückgenommen und die Mittel fast in der gleichen Höhe weiterhin zur Verfügung gestellt. Wofür ich wirklich sehr dankbar bin.

 

4)   Zunächst ist fest zu stellen, dass die Notwendigkeit der medizinischen Versorgung von hierher geflüchteten Menschen natürlich seit 2016 fortbesteht. Die Aussage, dass weniger Menschen ankommen, ist zwar berechtigt, aber die Zahl derjenigen, die hier sind und medizinische Versorgung benötigen hat sich dadurch nicht verringert. Die zum Teil stark gesundheitlich beeinträchtigten Menschen brauchen eine Versorgung, die nicht in jeder Hinsicht der Regelversorgung und deren Zugangsvoraussetzungen entspricht. Dabei spreche ich zum Beispiel von sprachlichen Barrieren, aber auch von einer aufsuchenden Arbeit, die in Teilen notwendig ist. In Steglitz-Zehlendorf, in anderen Bezirken sicherlich auch, ist eine Unterstützungsstruktur aufgebaut worden, die viel langfristiger wirken kann. Durch diese Verstärkung der personellen Ressourcen konnten die interkulturellen Kompetenzen der psychosozialen Versorgung insgesamt gestärkt werden, es gelang deutlich besser die gewünschte Öffnung für Menschen mit Flucht – und Migrationshintergrund zu realisieren. Das ist eine Arbeit, die nicht von heute auf morgen entsteht, sondern die langfristig aufgebaut werden muss, zu der viel Beziehungsarbeit gehört. Nicht zuletzt, ich hatte es bereits in Frage 1. erwähnt: es ist gelungen Menschen mit Flucht – oder Migrationshintergründen als Beschäftigte in diese Arbeit einzubeziehen, eine Stabilisierung, die uns gesamtgesellschaftlich den größten Nutzen bringt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Carolina Böhm

Bezirksstadträtin

 
 

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