Drucksache - 0393/V  

 
 
Betreff: Betreuungsbehörde
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:VorsteherVorsteher
Verfasser:Rögner-Francke 
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin Vorberatung
19.07.2017 
11. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf von Berlin zur Kenntnis genommen (Beratungsfolge beendet)   

Sachverhalt
Anlagen:
Vorlage zur Kenntnisnahme vom 03.07.2017

 

r die Große Anfrage „Betreuungsbehörde“ (Drs. 0357/V) der AfD-Fraktion wurde in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 21.06.2017 entsprechend § 23 (1) GO BVV die schriftliche Beantwortung beantragt.

 

Die schriftliche Beantwortung des Bezirksamtes gebe ich nachstehend zur Kenntnis:

 

 

Sehr geehrter Herr Rögner-Francke,

 

die Große Anfrage Nr. 0357/V „Betreuungsbehörde“ beantworte ich wie folgt:

 

1. Wie viele gesetzliche Betreuungen werden von der Betreuungsbehörde pro Jahr an gesetzliche Betreuer vermittelt?

Im Abrechnungsjahr 2016 verzeichnete die Betreuungsbehörde 990 neue Betreuungsverfahren, in denen die Betreuungsbehörde bis auf statistisch zu vernachlässigende wenige Ausnahmen vom Betreuungsgericht um einen Betreuervorschlag gebeten wurde (Bestellung von Amts wegen ohne Vorschlag der Behörde im einstweiligen Verfahren).

 

2. An wie viele Betreuungsbüros werden diese gesetzlichen Betreuungen jedes Jahr vermittelt?

In 501 Fällen wurden freiberufliche Betreuer (Berufsbetreuer) zumeist nach Vorschlag der Behörde bzw. des Betroffenen oder von Amts wegen vom Gericht bestellt, wenn geeignete ehrenamtliche Betreuer nicht zur Verfügung standen oder auch nicht bereit waren, das Betreueramt auszuüben. (Eine statistische Unterscheidung nach Betreuungsbüros mit mehrerentigen Berufsbetreuern bzw. allein arbeitenden Berufsbetreuern ist hier nicht möglich und nur nach Aufruf des jeweiligen Datensatzes des Betreuers eruierbar).

 

3. Wie viele Amtsbetreuungen werden an Rechtsanwälte bzw. Anwaltskanzleien vermittelt?

Im Abrechnungsjahr 2016 wurden insgesamt 171 behördliche Betreuungen (Amtsbetreuungen) geführt.

 

4. Wie viele gesetzliche Betreuungen werden an Rechtsanwälte bzw. Anwaltskanzleien vermittelt?

In 142 Fällen wurden vom Betreuungsgericht Rechtsanwälte als Betreuer zumeist nach Vorschlag der Behörde bzw. des Betroffenen oder auch von Amts wegen bestellt, insbesondere dann, wenn zu erwarten war, dass rechtlich besonders schwierige Sachverhalte zu regeln sind, die juristische Fachkompetenzen erforderten.

 

5. Wie viele gesetzliche Betreuungen werden an Sozialarbeiter, Sozialpädagogen und Sozialpsychiater vermittelt?

Eine Differenzierung und Zuordnung der neu bestellten Berufsbetreuer nach Berufsgruppen ist mit der vorhandenen Fachanwendung nicht möglich und vorgesehen undre nur nach zeitlich- und personell aufwendigen manuellen Recherchen der Aktenvorgänge möglich.

 

6. Wie viele Betreuungen werden an sonstige Berufsgruppen bzw. Berufslose vermittelt?

vgl. hierzu Antwort zu Nummer 5

 

7. Wie viele gesetzliche Betreuungen, die von der Betreuungsbehörde Steglitz-Zehlendorf vermittelt wurden, führt jeder Betreuer in absoluten Zahlen? Bitte aufschlüsseln nach sämtlichen Berufsgruppen.

Eine Differenzierung der Fallzahlen nach Berufsgruppen der Betreuer ist nur nach zeitlich- und personell aufwendigen Recherchen der Aktenvorgänge möglich. Durchschnittlich führen die Betreuer je nach organisatorischem Büroaufbau zwischen 40 und 60 Betreuungen, in Einzelfällen bei besonderer Büroorganisation mit besonderer Leistungsfähigkeit mehr, wobei die Behörde jeweils bei Betreuervorschlägen die aktuellen Bestandszahlen abruft und den Gerichten übermittelt (§ 10 VBVG), was nach eigenem Ermessen im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit über die Bestellung entscheidet.

 

8. Wie viele Betreuerwechsel finden pro Jahr statt? Aus welchen Gründen?

Im Abrechnungsjahr 2016 wurden 195 vom Gericht beschlossene Betreuerwechsel registriert, wobei 21 Betreuungen von ehrenamtlichen Betreuern an Berufsbetreuer abgegeben wurden, weil sie zumeist mit den Aufgaben überfordert waren. Weitere 21 Betreuungen wurden von Berufsbetreuern an ehrenamtliche Betreuer abgegeben, weil zumeist im Verlängerungsverfahren festgestellt wurde, dass nunmehr die Kompetenzen eines Berufsbetreuers nicht mehr erforderlich sind und die Betreuung durch einen Ehrenamtler fortgeführt werden kann bzw. Angehörige nunmehr bereit waren, die Betreuung ehrenamtlich fortzuführen. In den verbliebenen Fällen ist davon auszugehen, dass die Betreuungen an andere Berufsbetreuer übertragen wurden, entweder auf Antrag des Betreuten, oder auch des Betreuers. Gründe können sein mangelndes Vertrauen zum Betreuer oder auch mangelnde Mitwirkung der Betreuten, sodass Maßnahmen des Betreuers ins Leere laufen und der Betreuer dies dem Gericht anzeigt.

 

9. Wie viele gesetzliche Betreuungen führt jedes Betreuungsbüro insgesamt in absoluten Zahlen? Bitte aufgeschlüsselt nach Beruf.

vgl. hierzu Antwort Nr. 7

 

10. Nach welchen Kriterien werden die einzelnen Betreuungsbüros ausgesucht, wer erhält wie viel Betreuungen und warum? Bitte aufschlüsseln nach Anzahl der geführten Betreuungen bzw. Berufsgruppe.

Das Kriterium zur Auswahl eines Berufsbetreuers ist die für den Einzelfall erforderliche persönliche und fachliche Eignung (Feststellung im Rahmen des zentralisierten Berliner Eignungsfeststellungsverfahrens). Der Berufsbetreuer muss zudem freie Kapazitäten haben, d.h., er muss in der Lage sein, die persönliche Betreuung zum Wohle des Betroffenen führen zu können und auch in der Vergangenheit für das Gericht beanstandungsfrei gearbeitet haben.

 

11. Welche Betreuungsbüros bekommen gesetzliche Betreute in Pflegeheimen von der Betreuungsbehörde zugewiesen, welche Betreuungsbüros bekommen gesetzliche Betreute mit psychiatrischen Erkrankungen von der Betreuungsbehörde vermittelt?

Das Vorschlagsverhalten der Betreuungsbehörde richtet sich ausschließlich nach dem zu erwartenden Schwierigkeitsgrad und dem zu erwartenden rechtlichen Handlungsbedarf im Betreuungsverfahren, d.h. dass keine ausgewählten Berufsbetreuer bzw. Betreuungsbüros ausschließlich für betreute Menschen in vollstationärer Pflege oder ambulanter Pflege in eigener Wohnung vorgeschlagen werden. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen insbesondere mit eigener Wohnung sind mitunter besondere Problemlagen zu erwarten, sodass hier insbesondere Berufsbetreuer mit besonderen Erfahrungen psychiatrischer Krankheitsbilder gefragt sind, wie z.B. Psychologen, medizinisches Fachpersonal aus der psychiatrischen Pflege, Sozialpädagogen usw. Der Personenkreis der vollstationär Untergebrachten in Pflegeeinrichtungen ist zunächst grundsätzlich prädestiniert für die Übernahme von ehrenamtlichen Betreuern (Angehörige, sozial Engagierte), weil in der Regel nach Regelung der Kostenübernahme wegen des geschützten Rahmens und der vor Ort vorhandenen pflegerischen und sozialen Hilfen keine größeren Problemlagen zu erwarten sind, demnach aber eine rechtliche Vertretung gegenüber dem Heimträger und den Kostenträgern erforderlich ist, die nicht unbedingt die fachlichen Kompetenzen eines Berufsbetreuers erfordern.

 

12. Wie lange dauert eine gesetzliche Betreuung in Durchschnitt? Welches durchschnittliche Alter haben die gesetzlich Betreuten? Bitte aufschlüsseln in Altersgruppen bis 20 Jahre, bis 30 Jahre, bis 40 Jahre, bis 50 Jahre, bis 60 Jahre.

Je nach Krankheitsbild und Langzeitprognose können rechtliche Betreuungen bis zu maximal 7 Jahre angeordnet werden und unterliegen dann dem Prüfungsvorbehalt des Betreuungsgerichts, welches in der Regel den weiteren medizinischen Betreuungsbedarf durch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten feststellen lässt.

 

Zur Altersstruktur der Neuverfahren im Jahre 2016:

 

 

 

13. Nach welchen Kriterien wird die Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung überprüft, und in welchen Abständen geschieht dies?

Auf die Beantwortung zur Nummer 12 wird verwiesen. Das Gericht prüft anhand des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, des Berichts des Betreuers und ggf. der Stellungnahme oder dem Sozialbericht der Behörde, ob die medizinischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der rechtlichen Betreuung vorliegen. Entscheidend sind ein weiter vorliegender rechtlicher Handlungsbedarf in einigen oder allen Angelegenheiten (Erfordernis) und der gutachterliche Nachweis, dass aufgrund einer psychischen, seelischen, geistigen oder körperlichen Erkrankung die rechtliche Handlungsfähigkeit weiterhin eingeschränkt ist (Kausalität).

 

14. In wie vielen Fällen pro Jahr werden gesetzliche Betreuungen zwangsweise weiter geführt, obwohl es hierfür keine medizinische Indikation gibt?

Der Betreuungsbehörde sind keine Fälle bekannt, in denen die Betreuung zwangsweise ohne weitere medizinische Indikation fortgeführt wird.

 

15. In wie vielen Fällen pro Jahr wird dem Betreuervorschlag des gesetzlich zu Betreuenden nicht gefolgt, sondern ein der Behörde bekanntes Betreuungsbüro vorgeschlagen bzw. bestallt?

Statistische Daten, in wie vielen Fällen das Gericht dem Vorschlag des Betroffenen nicht gefolgt ist und stattdessen einen Berufsbetreuer bestellt hat, werden von der zur Verfügung stehenden Fachanwendung Butler statistisch nicht erfasst und sind nur nach zeitlich-und personell aufwendigen Recherchen der Aktenvorgänge möglich. In diesem Zusammenhang ist jedoch beobachtbar, dass vereinzelt vollstationäre Pflegeeinrichtungen oder auch ambulante Pflegedienste in Betreuungsanregungen (für den Betroffenen sprechend) teilweise namentlich Berufsbetreuer als geeigneten Berufsbetreuer vorschlagen und ein bereits bestehendes Vertrauensverhältnis zum Betroffenen suggerieren oder damit argumentieren, mit diesem Betreuer besonders gut zusammen zu arbeiten. Die Behörde und das Betreuungsgericht unterliegen hier besonderen Prüfungsanforderungen hinsichtlich des natürlichen Willens und des tatsächlichen Wunsches des Betroffenen bezüglich der eigenen Betreuerauswahl, da es hier vorrangig um die Prüfungstätigkeit eines gesetzlichen Betreuers hinsichtlich der Erbringung von vertragsgemäßen Leistungen einer vollstationären oder ambulanten Einrichtung bzw. Pflege geht. Betreuungsbehörde und Gericht verweisen immer wieder darauf, namentliche Vorschläge von Berufsbetreuern zu unterlassen und dem Vorschlagsrecht der Behörde gem. § 8 (2) BtBG im Einzelfall nach Aufforderung durch das Gericht unter Umgehung der Stufenprüfung (Vorrang der Ehrenamtlichkeit) nach § 1897 BGB nicht vorzugreifen.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Frank Mückisch

Bezirksstadtrat

 

 

 

gner-Francke

Bezirksverordnetenvorsteher

 
 

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