Auszug - EAC Vorstellung der Erstaufnahme- und Clearingstelle der Stiftung zur Förderung sozialer Dienste Berlin (FSD-Stiftung) ( - mit Rundgang - ) - Frau Anke Otto - Stadträtin für Jugend, Schule und Umwelt - Frau Jablonski - Leiterin der Einrichtung  

 
 
16. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Integration
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Gleichstellung und Integration Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 24.09.2008 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 18:35 Anlass: ordentliche Sitzung
 
Wortprotokoll

Die Leiterin der Erst-Aufnahme- und Clearingstelle zur Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (EAC), Frau Jablonski, und die pädagogische Leiterin des Hauses, Frau Reichelt, heißen die Mitglieder des Ausschusses in ihrer Einrichtung willkomme

Die Leiterin der Erst-Aufnahme- und Clearingstelle zur Betreuung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (EAC), Frau Jablonski, und die pädagogische Leiterin des Hauses, Frau Reichelt, heißen die Mitglieder des Ausschusses in ihrer Einrichtung willkommen, die seit dem 1. Juli 2008 in Steglitz-Zehlendorf ansässig ist.

BzStR’in Otto berichtet, die EAC sei berlinweit für die Betreuung minderjähriger unbegleiteter Füchtlinge zuständig und werde dementsprechend nicht vom Bezirk, sondern von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung finanziert. Dass sie seit dem 1. Juli 2008 in Steglitz-Zehlendorf ansässig ist, sei rein zufällig: Die EAC musste ihr altes Domizil in Berlin-Pankow verlassen, und da der Trägerverein, die Stiftung zur Förderung sozialer Dienste Berlin (FSD), in der Wupperstraße bereits ein Grundstück mit einer Einrichtung besaß, sei auch die EAC hierher gezogen.

Die Bezirksverwaltung sei insofern involviert, als mit dem Umzug der EAC auch die drei zuständigen Amtsvormünder und eine Verwaltungskraft, die bisher Mitarbeiter des Bezirksamts Pankow waren, nunmehr zum 01.01.2009 in das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf wechseln. Allerdings seien auch sie zu 100 Prozent vom Senat finanziert. Weiterhin seien alle Bezirksverwaltungen dadurch involviert, dass die Jugendlichen nach einem bestimmten Schlüssel auf die Bezirke verteilt werden, über die dann die HzE-Finanzierung erfolgt.

Die pädagogische Leiterin des Hauses, Frau Reichelt, erläutert, der Zweck der Einrichtung sei es, allen alleinstehenden ausländischen Kinder und Jugendlichen, die nach Berlin kommen oder hier sich aufhalten, als erste Anlaufstelle zu dienen. Die Erstaufnahme und Clearingstelle verfügt hierzu über 40 Plätze (sowie einige Notaufnahmeplätze) und besteht seit 1992, als viele Jugendliche aus Osteuropa nach Berlin kamen. Sie habe seither mehrfach ihren Standort gewechselt und sei zuvor bereits in Treptow (mit einer Nebenstelle in Zehlendorf) und Pankow ansässig gewesen. Derzeit betreue die Einrichtung 34 Jungen und elf Mädchen. BzStR’in Otto weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im EAC 2007 insgesamt 497 Aufnahmen stattfinden (1997: 1397 Aufnahmen).

Frau Reichelt berichtet weiterhin, die EAC sei das Pendant zum deutschen Kindernotdienst und zuständig für alle ausländischen Kinder und Jugendlichen im Alter von neun bis 18 Jahren, die sich unbegleitet in Berlin aufhalten oder hier um Asyl bitten. Es seien aber auch schon vier- oder fünfjährige Kinder betreut worden. Sie würden von der Polizei, Schleppern oder Bekannten zur EAC gebracht und dort um Aufnahme bitten. Dabei handele es sich nicht nur um neu in Deutschland angekommene Kinder, sondern beispielsweise auch um Kinder, deren Eltern in Abschiebegewahrsam sitzen oder um Treber aus anderen Bundesländern.

Die Kinder und Jugendlichen kommen aus den verschiedensten Ländern, von denen viele durch Krisen, Krieg, Bürgerkrieg und politische Verfolgung gekennzeichnet sind. Sie hätten ihre Familie, Freunde und Verwandte in ihrer Heimat zurücklassen müssen oder seien auf der Flucht von ihnen getrennt worden. Einige hätten erleben müssen, wie ihre Eltern erschlagen wurden. Vor eben diesen Situationen fliehen die Betroffenen oder werden von der Familie nach Deutschland in Sicherheit geschickt. Ohne finanzielle Mittel, zum Teil nicht einmal mit ausreichender Kleidung oder Essen und nur auf sich allein gestellt, treffen die Minderjährigen in einer für sie fremden Stadt und Welt ein. Diese Trennung von allem Vertrauten und die zum Teil erhebliche Traumatisierung durch die Flucht und die Verhältnisse im Heimatland stellen für die Mitarbeiter der EAC wesentliche Faktoren in der Arbeit mit den Betreuten dar.

Neben der Inobhutnahme und der Versorgung mit den notwendigsten Dingen (Erstaufnahme) stehe die Klärung der Lebensumstände und Lebensperspektiven (Clearing) im Vordergrund der Arbeit. Hierbei wird in Gesprächen versucht, die Hoffnungen, Wünsche und Vorstellungen der Betreuten zu erfahren und diese – gemeinsam mit den Beobachtungen der Mitarbeiter - in die weitere Jugendhilfeplanung einfließen zu lassen. Falls die Jugendlichen in ihre Heimat zurückkehren wollen, werde eine Rückführung eingeleitet.

Insgesamt dauert das Clearing und damit auch der Aufenthalt in der EAC etwa zehn bis zwölf Wochen. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen mit den Betreuten werden dann vom zuständigen Jugendamt Nachfolgeeinrichtungen gesucht, in denen die Betreuten untergebracht werden. Dies können kleinere stationäre Einrichtungen sein oder auch Wohngemeinschaften.

Die EAC arbeite sehr eng zusammen mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, den Ausländerbehörden, dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) sowie allen Berliner Jugendämtern, einer Reihe von Schulen und gelegentlich auch mit der Polizei. Da zu dem Clearing auch die erkennungsdienstliche Behandlung und die Abnahme von Fingerabdrücken durch das LABO gehört, könne in diesem Zusammenhang auch festgestellt werden, ob die Minderjährigen, die im Normalfall ohne jegliche Papiere in der EAC eintreffen, bereits in anderen Bundes- oder europäischen Ländern registriert seien oder Asylanträge gestellt haben, so dass sie dorthin zurückgeführt werden können.

Die EAC sei für die betreuten Kinder und Jugendlichen nur eine kurzfristige Durchgangsstation, da die Senatsverwaltung sofort nach ihrer Aufnahme einen Eilantrag stellt, den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen einen Vormund zu geben. Der entsprechende Vormundschaftsbeschluss liege nach etwa zehn bis zwölf Wochen vor; zugleich wende sich das Jugendamt eines nach einem bestimmten Schlüssel ausgewählten Bezirks an die EAC, um dort eine Nachfolgeeinrichtung der Jugendhilfe festzulegen, und dann heiße es für die Kinder Abschied nehmen, während zugleich neue vor der Tür der EAC stehen.

Frau Reichelt erläutert die personelle Situation der Einrichtung und berichtet ausführlich über die individuelle, psychologische, medizinische, rechtliche und organisatorische Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Kinder und Jugendlichen sowie deren Freizeitgestaltung. So habe die EAC die Möglichkeit, einmal in der Woche in der Zinnowwald-Schule Sport zu treiben. Weiterhin hoffe man, dass eine Zusammenarbeit mit den Jugendclubs in der Umgebung möglich sein wird.

Auf Nachfrage aus dem Ausschuss erklärt Frau Reichelt, selbst wenn die muttersprachlichen Dolmetscher den Eindruck gewinnen, dass Mädchen von ihrer Familie nach Deutschland geschickt wurden, um hier zwangsverheiratet zu werden, sei es den Mitarbeitern der EAC nicht möglich zu helfen. Die Betreuten seien zu kurze Zeit in der Einrichtung und zu stark von den Erwartungen ihrer Familie und den gesellschaftlichen und Denkstrukturen ihres Herkunftslandes geprägt, als dass hier kurzfristig eine Bewusstseinsänderung eintreten könnte. Außerdem seien sie nicht selten misstrauisch, da sie die EAC für einen Teil der Polizei halten.

Auf eine weitere Nachfrage berichtet sie, dass den Kindern und Jugendlichen pro Tag fünf Euro Taschengeld sowie ein Verfügungsgeld von 1 Euro pro Tag zur Verfügung stehen, von denen sie Essen, Bekleidung und BVG-Marken kaufen müssen. Sobald sie eingeschult sind, erhalten sie weitere Leistungen, z.B. einen Rucksack mit Schulmaterialen sowie eine Schülermonatsmarke.

Es werde besonders darauf geachtet, dass sie sofort Deutschunterricht erhalten, so dass sie nach ca. vier Wochen in speziell eingerichtete Förderklassen für ausländische Kinder eingeschult werden können, die sich in Schulen in Pankow, Prenzlauer Berg, Charlottenburg und Schöneberg befinden. Eine Förderklasse, die im Bezirk an der Leistikow-Schule bestand, sei leider vor Kurzem geschlossen worden. Später werden sie dann in passende Klassen umgeschult. Wichtig sei, dass sie auf einen Weg geschickt werden, der es ihnen ermöglicht, einen Schulabschluss zu machen. Der schulische Erfolg hänge allerdings stark vom persönlichen und sozialen Hintergrund der Betreuten ab; so hätten manche bereits eine neunjährige Schulbildung, andere hätten insgesamt nur zwei Jahre eine Schule besucht. Manche hätten auch andere Interessen, da sie mit dem ausdrücklichen Auftrag nach Deutschland geschickt wurden, ihre im Heimatland gebliebene Familie zu unterstützen.

BzStR’in Otto bejaht eine Frage aus dem Ausschuss, ob es sinnvoll sei, einen Ausschussantrag zu stellen, in dem die zuständige Senatsverwaltung gebeten wird, im Bezirk zwei Förderklassen einzurichten, in denen die Kinder und Jugendlichen der EAC eingeschult werden können.

Die Ausschussvorsitzende legt einen Textentwurf für einen solchen Antrag vor. Nach einer Erörterung, in deren Verlauf die CDU-Fraktion kritisiert, dass sie den Entwurf nicht bereits vorab zur Befassung erhalten habe, erhält der Text folgende Fassung:

„Betreff: Förderklassen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge der EAC in Steglitz-Zehlendorf

Das Bezirksamt wird ersucht, sich bei den zuständigen Stellen des Berliner Senats dafür einzusetzen, dass für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge und Asylsuchende, die im EAC-Flüchtlingswohnheim der FDS-Stiftung in der Wupperstraße 17 untergebracht sind, Förderklassen an nahe gelegenen Schulen eingerichtet werden.

Begründung:

Auch für diese Jugendlichen ist der Schulbesuch Pflicht. Zur Zeit werden sie in einzelnen Schulen im Raum Berlin je nach Kapazität untergebracht. Es ist sinnvoll, an nahe gelegenen Schulen (auch wegen der Betreuung) feste Förderklassen einzurichten, um die spezielle Förderung dieser Jugendlichen sicherzustellen. Nach erfolgreichem Besuch dieser Klassen werden die Flüchtlinge in Regelklassen übernommen.“

Bei einer Abstimmung wird der Antrag mit 10 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme bei zwei Enthaltungen angenommen.

Die Ausschussvorsitzende bedankt sich bei Frau Jablonski und Frau Reichelt für die Informationen sowie ihre Bereitschaft, im Anschluss an die Sitzung eine Führung durch die EAC zu veranstalten.

 
 

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