Winterberg und Winterberg haben sich in Wirklichkeit nie getroffen. Wie denn auch? Der eine ist Wenzel Winterberg, fiktive Romanfigur und Titelheld von Jaroslav Rudiš‘ Erfolgsroman „Winterbergs letzte Reise“, der andere Winterberg ist der sehr reale, 1901 in Prag geborene Komponist Hans Winterberg. Und doch haben sie sich viel zu sagen – das zeigen Autor Jaroslav Rudiš, das Adamello Quartett und Pianist Holger Groschopp in ihrem gemeinsamen musikalisch-literarischen Abend.
Beide Winterbergs verbindet das Thema der verlorenen Heimat: Hans Winterberg, dessen Musik erst seit kurzen wiederentdeckt wird, ist, wie Franz Kafka und Franz Werfel, ein Protagonist der deutschsprachigen Kulturszene Prags vor dem Zweiten Weltkrieg. Im Januar 1945 wird er ins Lager Theresienstadt verschleppt. Er gehört zu den wenigen tschechischen Komponisten jüdischer Abstammung, die das Dritte Reich überleben. Während er nach Kriegsende die kommunistische Tschechoslowakei verlässt und nach Deutschland emigriert, wird Wenzel Winterberg, die Romanfigur, 1946 als Sudetendeutscher aus der Tschechoslowakei vertrieben. Am Ende seines Lebens begibt er sich, hochbetagt, gemeinsam mit seinem Pfleger auf eine große Reise durch Mitteleuropa zu den Orten, an denen die Weichen der Geschichte des 20. Jahrhunderts gestellt wurden.