Drucksache - 1108/XX-01  

 
 
Betreff: Jugendfreizeiteinrichtungen und homosexuelle Jugendliche
Status:öffentlichBezüglich:
1108/XX
 Ursprungaktuell
Initiator:Bezirksamt - Abt. Jugend, Familie, Schule und Sport 
Verfasser:Bezirksamt - Abt. Jugend, Familie, Schule und Sport 
Drucksache-Art: Große Anfrage - schriftliche Beantwortung
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf Beratung
12.09.2018 
23. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf überwiesen   
Jugendhilfeausschuss Beratung
26.09.2018 
20. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen     
Ausschuss für Gesundheit und Soziales Beratung
13.11.2018 
18. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales im Ausschuss abgelehnt   

Sachverhalt

Sachverhalt

Sachverhalt:

 

Sehr geehrter Herr Bezirksverordnetenvorsteher,

 

die in der 22. Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 04.07.2018 nicht besprochene Große Anfrage - Drucksache Nr. 1108/XX -:

 

„Das Bezirksamt wird um Auskunft gebeten:

 

  1. Wie gut sind die Reinickendorfer Jugendfreizeitstätten auf Coming-Out-Gruppen homosexueller Jugendlicher eingerichtet?
  2. Welche Qualifikationen haben die Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, um mit dem Coming-Out von jugendlichen Homosexuellen umzugehen?
  3. Gibt es in den Jugendfreizeiteinrichtungen in Reinickendorf besonders geschützte Räume für homosexuelle Jugendliche und wie können die Jugendfreizeiteinrichtungen in Reinickendorf attraktive Angebote für homosexuelle Jugendliche schaffen?
  4. Gibt es bereits spezielle Angebote für homosexuelle Jugendliche in den Jugendfreizeiteinrichtungen? Wenn ja, welche?
  5. Welche Aufklärungsarbeit findet in den Reinickendorfer Jugendfreizeiteinrichtungen statt, um insbesondere gegen Homophobie, Transphobie- und Biphobie anzugehen, um unsere Gesellschaft vor allem bei Jugendlichen toleranter zu gestalten?
  6. Wie ist die Zusammenarbeit der Jugendfreizeiteinrichtungen in Reinickendorf z. B. mit der AIDS-Hilfe Berlin oder mit Mann-O-Meter e. V. oder ähnlichen Vereinen und Verbänden der Berliner Queer-Gemeinde?“

 

wird wie folgt beantwortet:

 

Die Berliner Jugendhilfe hat gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) den gesetzlichen Auftrag, bei der Ausgestaltung ihrer Leistungen der Ausgrenzung und Randständigkeit junger Menschen entgegenzuwirken und Toleranz und gleichberechtigte Teilhabe zu fördern.

Dies gilt auch für den Umgang mit jungen Menschen unterschiedlicher sexueller Identität. Die Förderung der Akzeptanz gegenüber lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen jungen Menschen ist integraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit in den unterschiedlichen Feldern der Jugendhilfe.

In der Kinder- und Jugendarbeit in den Reinickendorfer Jugendfreizeiteinrichtungen werden die Themenfelder bei entsprechend wahrgenommener Bedarfslage offen und behutsam thematisiert und Heranwachsende altersentsprechend sensibilisiert.

Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Besuchergruppen in den Jugendfreizeitein-richtungen, zu der junge Menschen mit unterschiedlicher Lebensorientierung und sexueller Identität gehören, ist eine wichtige Voraussetzung für das Lernen unter Gleichaltrigen. Die pädagogischen Ansätze in der Jugendarbeit sind lebensweltorientiert und werden zudem immer auf gleichstellungs- und akzeptanzfördernde Ansätze ausgerichtet.

 

In allen Freizeiteinrichtungen Reinickendorfs findet die Auseinandersetzung um Toleranz und Respekt im Allgemeinen ganz kontinuierlich im Rahmen von Auseinandersetzungen in der Gruppe im Konfliktfall statt. Hier werden Ausgrenzung und Folgen, eigene Erfahrungen als Täter und Opfer, Unterschiede und Gemeinsamkeiten, durch das pädagogische Personal gemeinsam mit den Besucherinnen und Besuchern regelmäßig thematisiert.

Diesem Grundsatz folgt das für die offene Jugendarbeit handlungsleitende „Handbuch Qualitätsmanagement in den Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen“. In der von SenBJW überarbeiteten Auflage von 2012 (Seite 16) wird als eines der grundlegenden Ziele der Jugendarbeit die Förderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen „unabhängig von […] ihrer sexuellen Orientierung.“ formuliert. Des Weiteren wird hier u. a. ausführlich Gender Mainstreaming bzw. die geschlechterbewusste Mädchen- und Jungenarbeit als ein zentraler Schwerpunkt der offenen Jugendarbeit hervorgehoben und als verbindlicher fachlicher Standard im pädagogischen Alltagshandeln normiert.

In den jährlichen Zielvereinbarungen der Reinickendorfer Jugendfreizeiteinrichtungen sind qualifizierte und konkrete Aussagen zur geschlechterbewussten Arbeit enthalten.

Um einen sensiblen und kompetenten Umgang mit den Themenfeldern Coming-Out in Alltagssituationen zu ermöglichen und sicherzustellen, ist es in Ergänzung zu den vorhandenen pädagogischen Grundqualifikationen der Fachkräfte notwendig, sich im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ergänzendes Erfahrungswissen anzueignen. Bei Bedarf nutzen die Fachkräfte der Reinickendorfer Jugendfreizeiteinrichtungen die Angebote der Sozialpädagogischen Fortbildungsstätte Berlin Brandenburg (SFBB).

 

In Kooperation mit der Bildungsinitiative QUEERFORMAT bietet die SFBB beispielsweise auch in diesem Jahr wieder unterschiedliche Fortbildungsformate zu DiversityAnsätzen und geschlechtlicher/sexueller Vielfalt für Fachkräfte der offenen Jugendarbeit an. Auch ProFamilia bietet Veranstaltungen und Fortbildungsangebote zum Thema an. Zudem wird in den Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII in wiederkehrenden Intervallen die Arbeit von Projekten und Beratungsstellen wie z. B. „Lambda Netzwerk Berlin Brandenburg e. V.” vorgestellt. Damit ist gewährleistet, dass die Fachkräfte Kenntnis über Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie Angebote haben.

Es gibt hier in den jeweiligen Teams umfängliche Erfahrungen im Bereich der geschlechtsspezifischen Mädchenarbeit sowie in der Arbeit mit und um die Thematik queerer, lesbischer Lebensentwürfe. Das erwähnte Handbuch Qualitätsmanagement der Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen beinhaltet ein Kapitel zu den Kernaktivitäten der fachlichen Weiterentwicklung.

U. a. wird hier als fachliche Richtlinie die „Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Erlangung von Genderkompetenz“ gesondert hervorgehoben. Für die Arbeit in den Reinickendorfer Freizeiteinrichtungen bilden diese Kernaktivitäten den fachlich methodischen Orientierungsrahmen im Alltag.

Die Unterstützung und Ausgestaltung spezieller Angebote für homosexuelle Jugendliche wird in den Einrichtungen und Projekten der Kinder- und Jugendfreizeitarbeit auch aufgrund der unterschiedlichen Profile und Formate der Einrichtungen auf verschiedene Weise sichergestellt.

 

Dem Charakter der offenen Arbeit auf Partizipation und Freiwilligkeit Rechnung tragend,ngt die Thematisierung von Sexualität von den Wünschen der aktuellen Nutzerinnen und Nutzer, vom Grad der Beziehung der Fachkräfte zu den Jugendlichen und denglichkeiten vor Ort ab.

Beispielsweise können folgende Einrichtungen und Projekte genannt werden:

 

Durch einen Projektantrag konnten im GenderBudgetingWettbewerb Mittel der SenF und der SenGPG eingeworben werden, um das Projekt „Ich trau mich das“ zu finanzieren. Das Projekt wirkt und ist aufklärerisch zu diesem Thema in Zusammenarbeit mit den einzelnen Regionen und Einrichtungen in Reinickendorf entstanden. Es wurde erstmalig in 2015 als Mädchenprojekt erarbeitet und 2016/17 in ein Genderprojekt umgewandelt. 2017 wurde es in vier Einrichtungen (Centre Talma, Kreativfabrik, Metronom, Jugendbildungsstätte Kaubstraße) durchgeführt. Im Jahr 2018 nehmen drei neue Einrichtungen daran teil. Inhalte zu Gender Mainstreaming werden anhand von Partizipationsprozessen mit den Jugendlichen gemeinschaftlich ausgehandelt und auf ihre Bedarfe abgestimmt, mit ihnen entwickelt und anschließend durchgeführt. Im Jahr 2017 ist dazu ein sehr eindrucksvoller Film entstanden, der die Arbeit der einzelnen Projekte für die Senatsverwaltungen dokumentiert, aber auch an das pädagogische Fachpublikum sowie die Jugendlichen selbst gerichtet ist (https://www.kaubstrasse.de/index.php/galerie/videos/284-ich-trau-mich-das).

Der Bezirk Reinickendorf hat sich mehrfach bei bezirksübergreifenden genderorientierten Förderprogrammen beworben. Beispielsweise hat das Projekt „Fit, Fit, Fit“ das Ziel, Mädchen und Jungen zum Thema Gesundheitsförderung praktische Anregungen für ihren Alltag zu bieten und kann inzwischen auf eine fünfjährige Tradition zurückgreifen. Im Rahmen des Projekts finden u. a. auch Workshops zu den Themen „Sexualität“ und „Gender“ statt.

In der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung Metronom gibt es monatliche Treffen der JAMBerlin-Gruppe, welche die Manga und Cosplay-Szene unterstützt. Einmal im Jahr findet im Metronom die Manga Convention statt. Die Mangaszene ist eine besonders offene Szene und damit auch offen für andere sexuelle Orientierungen.

Im Centre Talma ist die geschlechtsspezifische und gendersensible Arbeitsweise der Schwerpunkt in den Angeboten. In Form von Jungen- und Mädchenarbeit, aber auch durch Aktionen wie „one billion rising“ (http://www.onebillionrising.de) wird auf die jeweilige Entwicklung der Jugendlichen mit den verschiedensten und buntesten Richtungen eingegangen.

Im Familientreff des Elisabethstifts gibt es eine Vielfalt an Familienkonstellationen, so auch Regenbogenfamilien mit ihren Kindern, sodass Jugendliche und Heranwachsende auch auf diese Weise mit alternativen Lebensentwürfen in Berührung kommen können.

 

Den Bedürfnissen von „queeren“ Jugendlichen, sich in einem geschützten Raum mit anderen Jugendlichen auszutauschen, die ebenfalls „queer“ sind, ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten und sich spezielle Beratung und ggf. psychologische Unterstützung zu holen, kann im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit in einer koedukativen Einrichtung nur eingeschränkt erfolgen und setzt zudem ein besonderes Engagement der Fachkräfte bei der ausgewogenen Steuerung der vielfältigen Angebote mit Blick auf unterschiedliche Zielgruppen voraus.

 

Gleichwohl beginnt die Freizeiteinrichtung „Haus der Jugend-Fuchsbau“ in der Region Ost gerade, geschlechtshomogene Räume für Mädchen und Jungen zu entwickeln und plant in diesem Rahmen eine Auseinandersetzung mit tradierten Rollen- und Geschlechtsbildern. Die Besucherinnen und Besucher des Fuchsbaus werden im kommenden Schuljahr über eine Zukunftswerkstatt die Gelegenheit bekommen, diese Räume im Fuchsbau selbständig zu gestalten. Damit soll unter anderem auch eine Atmosphäre geschaffen werden, in der es Kindern- und Jugendlichen möglich ist, sich Gedanken über die eigene Orientierung und Ausrichtung und/oder die ihrer Freundinnen und Freunde zu machen sowie über Zuschreibungen und Begrenzungen. Die Leiterin der Einrichtung wird im Herbst 2018 an einer Fortbildung zur geschlechtsreflektierten Arbeit mit Jungen teilnehmen. Es gibt zudem Gespräche zu einer Zusammenarbeit mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern, die eine Gruppe queerer Jugendlicher planen.

Auch im Centre Talma gibt es Mädchen- und Jungenräume bzw. werden die Räume teilweise gemeinsamen Nutzungszeiten, aber auch geschlechtsspezifischen Nutzungszeiten, je nach Bedarf zugeordnet.

 

Des Weiteren sind den Fachkräften der Freizeiteinrichtungen Handlungsmöglichkeiten im Bedarfsfall bekannt. Es gibt situativ Kontakte zu allen Fachstellen und diensten und Vereinen, wie z. B. der AIDSHilfe oder Mann-O-Meter e. V. Die zu den Themen sexuelle Identität und Coming-Out beratenden Fachstellen (u. a. Lambda e. V.) werden durch Broschüren und Informationsmaterial in den verschiedenen Häusern beworben, sodass Jugendliche und deren Eltern, die die Einrichtungen und die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste besuchen, sich informieren können. Im Allgemeinen leistet auch ProFamilia hervorragende Aufklärungsarbeit in allen Bereichen der Sexualität für alle Altersgruppen. In den Jugendfreizeiteinrichtungen Reinickendorfs werden die von ProFamilia auf die entsprechende Zielgruppe zugeschnittenen Angebote bei Bedarf in Anspruch genommen.

 

Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Bezirksverordnetenvorsteher, diese Antwort an die Bezirksverordneten Frau Mieke Senftleben und Herrn Andreas Otto weiterzuleiten.

 

 

 

 

Frank BalzerTobias Dollase

BezirksbürgermeisterBezirksstadtrat

 

 

Stammbaum:
1108/XX   Jugendfreizeiteinrichtungen und homosexuelle Jugendliche   BVV-Büro   Große Anfrage
1108/XX-01   Jugendfreizeiteinrichtungen und homosexuelle Jugendliche   Bezirksamt - Abt. Jugend, Familie, Schule und Sport   Große Anfrage - schriftliche Beantwortung
 
 

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