Auszug - Geschichtliche Aufarbeitung Wissmannstraße  

 
 
9. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Integration gemeinsam mit der 11. öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule und Kultur
TOP: Ö 4
Gremium: Ausschuss für Integration Beschlussart: mit Änderungen im Ausschuss beschlossen
Datum: Di, 17.10.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:20 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Beratungs- und Begegnungszentrum
Ort: Morusstrasse 18a, 12053 Berlin
0089/XX Geschichtliche Aufarbeitung Wissmannstraße
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPDBA/BiSchulKuSport
Verfasser:1. Atashgahi, Bijan
2. Beitritt: Grüne, LINKE
Korte, Karin
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme - SB
 
Beschluss


Herr Szczepanski reicht in Abstimmung mit der SPD-Fraktion einen Änderungsantrag der Grünen-Fraktion ein. Nach der Vorstellung tritt die Fraktion der Linken bei.

 

Umbenennung Wissmannstraße

Das Bezirksamt wird gebeten, im Rahmen eines Dialogprozesses mit den Anwohner*innen der Wissmannstraße eine geschichtliche Aufarbeitung des Straßennamens zu initiieren. Das Ziel soll die Umbenennung der Wissmannstraße sein.

Die Anwohner*innen und die weiteren am Prozess Beteiligten sollen aktiv sowohl in den Findungsprozess eines neuen Straßennamens als auch in die Entscheidung der Umbenennung einbezogen werden. Dazu schlagen wir vor, die Straße nach einer Frau zu benennen, die in Neukölln gelebt und/oder gewirkt hat oder einen inhaltlichen Bezug zum Thema Antikolonialismus besaß.

 

Begründung

Die Wissmannstraße ist benannt nach Hermann von Wissmann (1853-1905), Reichskommissar und Gouverneur von damals Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Burundi und Ruanda).

Da sich die einheimische Bevölkerung gegen die Kolonisierung ihrer Länder zur Wehr setzte, hatte Wissmann als Reichskommissar den Auftrag, „geordnete politische Verhältnisse“ in die deutsche Kolonie zu bringen. Mit einem Militärfeldzug massakrierte die deutsche Armee dabei die afrikanische Bevölkerung, um deren Widerstand zu brechen. Wissmanns Kriegsführung wurde selbst von anderen Kolonialoffizieren als äußerst barbarisch beschrieben und Wissmann wurde im Reichstag vereinzelt für dessen Grausamkeit kritisiert.

Die Liste an Verbrechen im Zuge der Kolonialisierung Afrikas und anderer Teile der Welt durch das Deutsche Reich und andere europäische Länder ist endlos. Die handelnden Akteure dieser Verbrechen sollten nicht weiter posthum durch Straßennamen o.ä. geehrt werden. Daher sollte die Wissmannstraße umzubenennen.

Im Zug der Diskussion haben Herr Rämer und Herr Atashgahi jeweils redaktionelle Änderungen angeregt, die zur besseren Verständlichkeit gleich vorweg dargestellt werden und von den antragseinreichenden/beigetretenen Fraktionen geteilt werden.

  1. Betreff: geschichtliche Aufarbeitung der Wissmannstraße (Titel des Ursprungsantrages)
  2. Letzter Absatz der Begründung wie folgt: Die handelnden Akteure dieser Verbrechen sollten nicht weiter posthum durch Straßennamen o.ä. geehrt werden. Daher sollte die Wissmannstraße umbenannt werden.

 

Frau Lanske reicht für die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag ein:

Wenn es im Zuge des Aufarbeitungsprozesses und der intensiven Auseinandersetzung mit Hermann von Wissmann aus der Anwohnerschaft zu einem Umbenennungswunsch kommen sollte, soll eine Straßenumbenennung nur dann durchgeführt werden, wenn bei einer Abstimmung unter allen Anwohnern 2/3 die Umbenennung befürworten und mindestens 50% der Abstimmungsberechtigten daran teilnehmen.

 

Von der CDU-Fraktion wird angeführt, dass der Wunsch der dort wohnhaften Bürger*innen unbedingt berücksichtigt werden müsse – sie tragen die Kosten für Änderungen des Ausweises und haben den Aufwand die Anschriftsänderung unzähligen Stellen mitzuteilen. Frau Gloeden greift auf Erfahrungen aus der Umbenennung einer Nummernstraße zurück; hier wollten die Anwohner*innen dies auch nicht. Sie bezweifelt ebenfalls, dass die Anwohner*innen überhaupt wüssten, wer Wissmann ist.

Herr Ebert und Herr Szczepanski führen in ihren Redebeiträgen aus, dass es um eine Beteiligung der Anwohner*innen geht, aber das Interesse der Aufarbeitung ein übergeordnetes Interesse ist. Die angesprochenen Initiativen können heute noch nicht abschließend aufgezählt werden. Hierzu zählen sicherlich antikolonialistische Initiativen, aber in der Vergangenheit auch die Clay-Schule - es sollen auch kritische Stimmen einbezogen werden. Zudem wäre ja auch trotz der Haltung der Anwohner*innen die Nummernstraße umbenannt.

Frau Zielisch hatte zuvor nachgefragt, welche Initiativen hier gemeint seien und ob dies auch die Nation of Muslim sei. Im Verlauf stellt sie auf eine kleine Befragung der AfD im April unter den Bewohner*innen in der Straße ab, die die Umbenennung nicht wollen.

 

Herr Rämer knüpft an den Ausführungen an und betont, dass aus den Prozessfehlern in anderen Bezirken gelernt werden müsse und die Diskussion sensibel geführt werden sollte. Dokumentiert ist der politische Wunsch, der auch mit dem Gutachten zu Wissmann aus dem Jahr 2005 begründet werden könne. Er sollte jedoch ergebnisoffen geführt werden. Er sieht dies als Aufgabe des Museums Neukölln an, sich hier einzubringen. Herr Scharmberg ergänzt, dass auch bereits bei der damaligen Diskussion zur Aufstellung der jetzigen Hinweisschilder debattiert wurde, dass bei einer Umbenennung die alte Namensgebung und Zusammenhänge dargestellt werden sollten.

Frau Gloeden betont nochmals, dass sie dem Antrag nicht ablehnend gegenüber steht – soweit die im Änderungsantrag definierten Quoten einbezogen würden.

Herr Abed sieht die quantitativen Kriterien als so hochgegriffen an, dass der Eindruck entsteht, dies wird inhaltlich nicht wirklich gewollt.

Herr Kapitän findet die Umbenennung eine tolle Idee und wirft in den Raum, dass die Grünen, die SPD und Die Linken alle Straßennamen edel und rein wollen, sie seien die Guten, sie sind die Besten. Die Bürger*innen werden dies zu würdigen wissen.

Frau Kühler von der Seniorenvertreter, unterstützt die Einbeziehung der Anwohner*innen und sieht hier Organisationsfragen im Vordergrund.

 

Die Abstimmung über die zwei Änderungsanträge erfolgt in den Ausschüssen getrennt:

Bildungsausschuss:

Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion wird mit den Stimmen der SPD, Grünen und der Linken abgelehnt.

Der Änderungsantrag der Grünen/SPD/Die Linke wird mit den Gegenstimmen der CDU-Fraktion angenommen.

Die AfD-Fraktion war im Bildungsausschuss nicht vertreten.

 

Integrationsausschuss:

Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion wird mit den Stimmen der SPD, Grünen und der Linken bei Enthaltung der AfD-Fraktion abgelehnt.

Der Änderungsantrag der Grünen/SPD/Linken wird mit den Gegenstimmen der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion angenommen.


 
 

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