Auszug - Gespräch mit dem Projektleiter des "Arnold-Fortuin-Hauses" -"Roma Wohnprojekt"-Harzer Str. in Neukölln, Herr Benjamin Marx   

 
 
20. öffentliche Sitzung des Integrationsausschusses
TOP: Ö 2
Gremium: Integrationsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 15.01.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Arnold-Fortuin-Haus
Ort: Harzer Straße 64-67, 12059 Berlin
 
Beschluss

Herr Marx berichtet, dass das Arnold-Fortuin-Haus vor ein paar Jahren über die Medien noch als „Rattenhaus“ oder „Roma-Dorf“ bekannt war

Herr Marx berichtet, dass das Arnold-Fortuin-Haus vor einigen Jahren in den Medien noch als „Rattenhaus“ oder „Roma-Dorf“ bekannt war. 2011 wurde es von der Aachener (Siedlungs- und Wohnungsbaugenossenschaft) übernommen und es wurde mit Umstrukturierungen begonnen, um die Überbelegung, Müllberge und den florierenden „Matratzenhandel“ zu bekämpfen. Ähnliche Problematiken sind in anderen deutschen Städten, z.B. Duisberg auch bekannt.

 

Herr Marx führt aus, dass die CSU die Kampagne „Wer betrügt, der fliegt“ hatte und auch der jetzige Koalitionsvertrag seiner Ansicht nach sehr europafernen gestaltet sei.

 

Im Haus leben z.Zt. rund 80-90 Romafamilien. Das Haus ist laut Herr Marx nicht als „Roma-Haus“ ausgelegt. Die neu freigewordenen Wohnungen wurden alle an „Nicht-Roma Familien“ vermietet, auch um Signale in die Heimat zu senden, dass Deutschland nicht das „Roma-Paradies“ ist, dass sich die Geflüchteten vorstellen. In diesem Zusammenhang wurde mit den Roma Einzelgespräche geführt, um ihnen die Situation in Deutschland nahe zu führen (sie würden von der deutschen Bevölkerung als Minderheit in der Gesellschaft angesehen etc.).

 

Mit den Neumieter*innen gab es sehr positive Erfahrungen, diese verteidigten bereits mehrmals die Roma, wenn es zu rassistischen Anfeindungen von Altmietern in der direkten Wohnumgebung kam. Gerade dort gebe es Menschen im „sozialen Bodensatz“, die sich gerne stark alkoholisiert sehr Roma-feindlich verhalten würden.

 

Es folgte eine Nachfrage der SPD zu den Neumieter*innen.

 

Herr Marx erläutert, dass diese gebildet seien (akademischer Abschluss). Die Neumieter seien gerne und gezielt in das Haus gezogen. Ende des Jahres fand eine gemeinsame Weihnachtsfeier mit 220 Kindern statt. In dem Zusammenhang wurde erwähnt, dass vorliegend keine überdurchschnittlich große Kinderzahl angenommen werden könne. Zudem würden alle Kinder beschult. 

 

Es wird versucht Zuzügler auf Deutschland vorzubereiten, z.B. im Umgang mit der Post. Nachdem die Polizei ein Mal mit Haftbefehl für einige Bewohner anrückte, weil Rechnungen nicht gezahlt worden sind, wurde von Seiten des Projekts eine Mietersprechstunde zur Aufklärung eingerichtet.

 

Grds. seien die Bewohner sehr selbstbewusst, weil sie sich akzeptiert fühlten und nicht ausgebeutet. Zwar arbeiten viele Bewohner von Wohnprojekt, jedoch bedarf es bei vielen noch aufstockender Leistungen. Von “Sozialmissbrauch“ zu sprechen sei aber falsch, da alles gesetzlich zu gehe.

 

Für die angrenzende Nachbarschaft wird für besonders „antizigeunische“ Anwohner*innen eine Deeskalationsrunde veranstaltet. Da einige der Anwohner die Polizei rufen, weil die Bewohner grillen würden.

 

Herr Marx sagte, dass er hierzu gerne die rechtliche Lage wüsste. Seiner Vermutung nach gehe es bei den Beschwerden aber weniger um das Grillen als um die Tatsache in unmittelbarer Nachbarschaft zu Roma zu leben.

 

Der Zustand des ist nach Angaben von Herrn Marx, nach der Sanierung 2011 einwandfrei. Sie haben auch eine [Bau-Auszeichnung] erhalten. Es existieren bereits Projekte bzw. sind verschiedene Projekte geplant, damit Zuwanderung keine Einbahnstraße ist. Z.B. gibt es eine Werkstatt die Kunstgegenstände herstell und eine Werkstatt in der Fontanelle errichten möchte. Zusammen mit einer Schule ist ein Jugendzeltcamp geplant, in dem Jugendliche und Kinder im Rahmen von Klassenfahrten nach Fontanelle reisen können um mitzubekommen woher ihre Roma-Mitschüler*innen herkommen. Die Idee kam von den Schülern selbst, ein ähnliches Projekt gab es bereits in Frankreich.

 

Vor Ort wird auch Deutschunterricht angeboten, ebenso wie eine Nähwerkstatt für Frauen. Diese hat zum Ziel, dass auch junge Frauen fernab der Familie untereinander kommunizieren können. Es gebe auch eine Kinderbetreuung. Eine alte Gaststätte wird zum Teil in eine Kita umgewandelt. 

 

Der Betreiber, die Aachener, besitzt nach Aussage von Herrn Marx rund 2000 Wohnungen in Berlin. Sie hätten als Betreiber etwas mit den Flüchtlingen am Oranienplatz zu tun. Weiter führt er aus, dass es in Berlin rund 300.000((?)) leer stehende landeseigene Wohnungen gibt und eigentlich genutzt werden könnten.

 

Fragen des Ausschusses:

 

- Höhe der Mieten?

*Die Mieten gibt es ab 4,50€. Die Aachener geht mit dem Mietzins nicht über den Mietspiegel hinaus.

.

- Fluktuation?

*Diese kann noch nicht festgestellt werden. Im Wohnprojekt gab es noch keine gezielte Kündigung.

 

- Einschätzung der Willkommensklassen seitens Herrn Marx

*Er schätzt die Leistung von Frau Simon und Frau Giffey positiv ein. Ebenso die Leistung der Hans-Fallada Schule. Da die Aachener auch ein Projekt in Reinickendorf durchführt, wusste er von der dortigen Ablehnungshaltung. Neukölln sei in dem Hinsicht ganz anders, der Bezirk weit vorne. Wenn Schüler von den Willkommensklassen in die „normalen“ Klassen kommen, empfinde er dies als positiven Wert.

 

-Es wird gebeten nochmal die Geschichte des Hauses zusammenzufassen.

*Das Haus gehörte einem privaten Investor, dem es wohl vor allem um die Rendite ging. Dies ging aber ohne Investition in das Objekt auf dem normalen Markt nicht, sodass als Mieter gezielt Roma, die von Schlepperbanden ins Land gebracht worden sind, . Zum Teil wurde eine 40qm Wohnung mit 15 Schlafplätzen vermietet. Die Bewohner*innen haben damals wegen der Überbelegung von morgens bis abends geduscht und so kam es das der Besitzer die Wasserrechnung nicht mehr zahlen konnte. Daraufhin wurde der Aachener das Objekt angeboten und gekauft. Es gibt in Berlin noch mindestens 30-40 solcher Häuser, die auf ausbeuterischer Weise mit „Armutsmigrant*innen“ gefüllt sind.

 

-Gab es Zuschüsse für das Projekt?

*Nein, es wurde aus Eigenmitteln finanziert.

 

-Es gibt eine Frage zu den Bewohner*innen. Laut Einschätzung des Fragestellers(*) sind die meisten Männer selbstständig und Aufstocker, sowie die Frauen eher nicht erwerbstätig. Gibt es da Hilfe?

*Herr Marx kann die Aussage so nicht stützen. Die Romafrauen seien meist emanzipierter als deutsche Frauen. Sie arbeiten und das meist auf Grund einer Selbstständigkeit. Momentan testet eine große Einzelhandelskette, ob sie Romafrauen anstellen können. Diese sollen dann einen Vollzeitjob erhalten. Bei 3.060 Gewerbeanmeldungen in Neukölln bekommen 132 Familien aufstockende Leistungen.

 

-Frage ob man weitere Häuser von ausbeutenden Hausbesitzer*innen übernehmen kann.

*Diese Besitzer haben kein Interesse ihre Objekte zu verkaufen, weil sie weiterhin hohe Rendite dafür bekämen. Bei einer Übernahme müssten sie derzeit sogar noch draufzahlen.

 

 

 

-Status der Flüchtlinge am Pariser Platz

* Die Flüchtlinge werden bis zum 31.März bleiben, haben jedoch individuell unterschiedliche Status. Einer hat beispielsweise eine Anerkennung erhalten, das bedeutet eine Wohnung und ein Neustart in Berlin. Es wird versucht, dies mit anderen Flüchtlingen auch zu machen. Die Aufnahme war ein „humanitärer Akt“, damit die Flüchtlinge ihre Sachen klären können und ihren Hungerstreik beenden.

-Werden die „Aachener-Wohnungen“ annonciert  und wenn ja, wo?

*Z.B. bei Immobilienscout24. Die Menschen kommen ganz gezielt hier her. Die Harzer Straße ist ein Begriff.

 

-Wie sieht die Aufstockungsleistung bei Selbstständigen aus und wie hat. sich das entwickelt?

* Es gab eine stätige Zunahme. Je länger die Menschen hier ihren Lebensmittelpunkt haben desto schwieriger kann das Jobcenter ihnen die Leistungen verwehren. Das Jobcenter Neukölln ist eines der kritischsten, wenn es um Leistungsbewilligung geht.

 

-Frage zu Jugendlichen, die am Rande der Schulpflicht stehen. Gibt es für diese eine spezielle Förderung?

* Herr Marx teilt mit, dass er bei diesem Thema leider überfragt ist. Diese Generation gäbe es bei den Roma meistens nicht. 13 bis 14-jährige hier seien etwas familienbezogener als z. B. gleichaltrige türkische Jugendliche, aber die Kinder gehen alle in die Schule. Sie versuchen dran zu sein, dass alle auch einen Ausbildungsplatz bekommen. Die Kinder sind in keiner Verweigerungshaltung.

 

Zum dem Thema führt die Europabeauftragte Frau Simon aus, dass es in anderen Kiezen beispielsweise 16 -jährige Analphabeten gibt. Sie haben zusammen ein Projekt mit Kubus, das den Sprachunterricht mit einer handwerklichen Ausbildung kombiniert, die zum Hauptschulabschluss führt.  Schwierig sind Jugendliche im Alter von 17 Jahren. Das Problem ist, dass Integrationskurse 120 Euro die Stunde kosten.

 

-Überblick im Bezirk.

* Es gibt die Apse e.V. und das Nachbarschaftsheim sowie die Taschengeldfirma und Amaro Foro sowie Anlaufpunkt für Wohnungssuchende, die mitunter in Hinterzimmern von Gewerberäumen schlafen. Das Bezirksprogramm umfasst ca. 93.000 €. Von 18 Schulen mit besonderer Lerngruppe gibt es bei 14 Schulen eine Unterstützung vom Bezirk. Restmittel kommen vom Land für die Berufsorientierung. (17-27 Jahre). Deutschkurse, Praktika, Grundbildungsjahr OSZ. Aber die Oberstufenzentren lehnen meistens ab, weil die Deutschkenntnisse nicht ausreichen. Bei Projektmittel darf sie mitreden.

 

-Frage zur allgemeinen Wohnungssituation

*Senat muss Wohnungsbaugesellschaften in die Pflicht nehmen. Beispiel ist dabei die Stuttgarter Straße. Alleine kann man nichts gegen die Überbelegung machen. Der Senat hat im letzten Jahr 93.000 Euro Sachmittelerstattung bei den Impfkosten bekommen. Die Aktion vom Jugendgesundheitsdienst und die Impfaktion wurden von den Schulen und den Eltern gut angenommen. Zu Recht sei das Thema erster Arbeitsmarkt eine problematische Sache. Es sei gut, dass eine Einzelhandelskette da erste Dinge tut. Neukölln arbeite zwar gut mit der Wirtschaft zusammen aber es ist trotzdem problematisch.

 

-Frage zu den Planungen des Jugendzeltlagers in Rumänien. Wie sehen die Eltern das?

*Es gibt positive Verhandlungen mit einer Neuköllner Schule, die von sich aus den Vorschlag machte, mit den Schülern hinzufahren. Die Schüler freuen sich darauf. Es handelt sich um ein kleines Volumen, die Fahrt ist mit einem Bus. Man geht davon aus, dass die Kinder positiv bei ihren Eltern berichten werden, wenn sie wiederkommen.

 

-Frage zur Flyerverteilung gegen Roma in der Nachbarschaft und dessen Entwicklung

*Es gab viele rassistische Tendenzen, aber es wurde vermieden darüber zu sprechen um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Letztens gab es einen Buttersäure-Anschlag auf die Hausflure. Aber es gebe auch Positives zu berichten: In näherer Nachbarschaft gibt es einen christlich/türkischen Kioskverkäufer, der sehr deeskalierend gegenüber der deutschen Bevölkerung tätig ist.

 

Die Roma fühlen sich sehr beleidigt über die momentane Diskussion. Sie nehmen das wahr und wissen wie über sie gesprochen wird. Bewohner*innen des Wohnprojektes planen in naher Zukunft einen offenen Brief an die Politik zu schreiben.

 

-Frage was sich Herr Marx vom Bezirk und der Politik wünschen würde

*Er bittet die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in die Pflicht zu nehmen und mal nachzuschauen welche Politiker in den Aufsichtsräten sitzen und dort Druck aufzubauen.

Der Bezirksvertretung hat er mitzuteilen, dass seit drei Jahren für ein Zebrastreifen gekämpft wird. Es gibt eine Diskussion über die Zuständigkeit. Die CDU verweist auf die Verkehrslenkung. Die GRÜNEn merken an, man könne einen interfraktionellen Antrag an den Wirtschaftsausschuss übergeben.

 

-Frage, ob in den Räumlichkeiten auch Konzerte und Kunstaktionen veranstaltet werden.

Herr Marx entschuldigt sich wegen der fortgeschrittenen Zeit und verweist auf Frau Berger die im Anschluss der Sitzung einen Rundgang im Objekt anbietet. Frage bleibt unbeantwortet

 

-Frage an Frau Simon zu den Willkommensklassen.

*Bis auf die Hans-Fallada-Schule gibt es ganz gemischte Gruppen. Bildungsorientierte kommen recht schnell an und versuchen schnell Kitaplätze zu bekommen. Wenn das Heim in der Spätstraße kommt, werden wohl viele Flüchtlinge aus Syrien kommen. Laut Mengelkoch kämen auf einen Asylantragssteller drei Helfer.

 

Frau Lemke von der Seniorenvertretung berichtet über Menschen, die bei der Flüchtlingsunterkunft helfen wollen. Ein Mann möchte eine Hartz 4-Beratung für Zuzügler in Neukölln aufbauen.

 

 


 
 

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