Auszug - Bericht Tiefenprüfung HzE  

 
 
14. öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 17.01.2013 Status: öffentlich
Zeit: 17:00 - 19:00 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Rathaus Neukölln, Çigli-Zimmer, 1. Etage, Raum A104
Ort: Karl-Marx-Straße 83, 12040 Berlin
 
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Anlässlich dieses Tagesordnungspunktes übergibt Frau Schwarzer das Wort an Herrn BzStR Liecke

Anlässlich dieses Tagesordnungspunktes übergibt Frau Schwarzer das Wort an Herrn BzStR Liecke. Dieser erläutert zunächst, dass es sich bei der Durchführung der Tiefenprüfung um eine Verabredung zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und allen 12 Berliner Bezirken handelt. Verschiedene Themenschwerpunkte werden intensiv betrachtet, um Erkenntnisse zu sinnvollen Veränderungs- bzw. Steuerungsmöglichkeiten zu erhalten. Er macht in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss aus dem Abgeordnetenhaus aufmerksam, der eine unabhängige fallbezogene Revision im Rahmen des Fach- und Finanzcontrollings des Jugendamtes fordert. Schwerpunkt ist hier die einheitliche Qualifizierung der Entscheidungsprozesse im Jugendamt. Die Bezirke sind verpflichtet die Maßnahmen zu evaluieren und jährlich einen Bericht vorzulegen, erstmals im März 2013. In diesen Bericht werden die Erkenntnisse aus der Tiefenprüfung im Bezirk ebenfalls einfließen. Anschließend bittet er die Jugendamtsdirektorin, Frau Dr. Gallus – Jetter, Frau Thurley (Leiterin der Fachlichen Steuerung im Jugendamt) und Herrn Caglar (Controller in der Abteilung Jugend und Gesundheit) die Ergebnisse der Tiefenprüfung zu erläutern. Frau Dr. Gallus – Jetter erklärt einleitend, dass das SGB VIII vor mehr als 20 Jahren in Kraft getreten ist, und dadurch in Deutschland die damit verbundene Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts gilt. Kernstück der Reform sind dabei die Hilfen zur Erziehung (HzE), auf die Eltern einen Rechtsanspruch haben, deren Inanspruchnahme als Ausdruck der Ausübung der elterlichen Sorge zu verstehen ist. Hilfen zur Erziehung sollen Eltern in der Wahrnehmung der ihnen verfassungsrechtlich obliegenden Erziehungsverantwortung unterstützen. Gegen den Willen der Eltern kann Hilfe zur Erziehung nur auf der Grundlage einer familiengerichtlichen Entscheidung geleistet werden. Über die Möglichkeiten der Steuerung der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung wird seit längerer Zeit nicht nur in Berlin, sondern bundesweit diskutiert. Insbesondere werden Ursachen für die seit 2006 erneut stetig ansteigenden Kostenvolumina gesucht. Die in den letzten Jahren verstärkt geführte Diskussion der gesellschaftlichen Verantwortung im Kinderschutz trägt dazu bei, reicht aber alleine als Begründung für die Steigerung der Ausgaben keineswegs aus. Im Land Berlin trägt der Bezirk Neukölln in Bezug auf die Gesamteinwohnerzahl, selbst unter Berücksichtigung von sozialstrukturellen Faktoren, überproportional zu den Ausgaben in diesem Politikfeld bei. Die damit verbundene Belastung des Bezirksetats führt seit Jahren immer wieder zu Einschränkungen der Spielräume für andere politische Schwerpunktsetzungen im Bezirk. Einfache, eindimensionale Erklärungsmuster gibt es dabei nicht; vielmehr müssen in der Regel mehrere Belastungsfaktoren nicht nur additiv, sondern sich potenzierend zusammenkommen, die geeignet sind, natürliche Kompensationsmöglichkeiten der Familien in der heutigen Zeit und in einer Metropole mit ihren vielfältigen Herausforderungen und Verlockungen massiv zu beeinträchtigen.

 

Auf dringliche Empfehlung des Hauptausschusses hat das Abgeordnetenhaus von Berlin im Sommer 2009 zum Thema HzE unter anderem ein standardisiertes Fachcontrolling beschlossen (Drucksache 16/2474), das „insbesondere für jedes Haushaltsjahr eine jährliche Tiefenprüfung von 3 Bezirken“ umfasst. Zusätzlich ist seit Inkrafttreten des Haushaltsplanes 2012/2013 „eine unabhängige, fallbezogene Revision (Prüfung von Umfang und Qualität der Hilfen) im Rahmen des Fach- und Finanzcontrollings des Jugendamtes generell ein- und durchzuführen.“ Dieser Auftrag wurde in Neukölln über entsprechende Beschäftigungspositionen bereits umgesetzt. Nach Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf im Jahr 2010, Tempelhof-Schöneberg, Spandau und Steglitz-Zehlendorf im Jahr 2011 sowie Charlottenburg-Wilmersdorf im Jahr 2012 wird im November 2012 die Tiefenprüfung vom Jugendamt Neukölln vorgestellt.

 

Nach diesen ersten einführenden Erläuterungen, stellen Frau Dr. Gallus – Jetter, Frau Thurley und Herr Caglar gemeinsam allen Anwesenden die Ergebnisse der Tiefenprüfung des Fach- und Finanzcontrollings für die Hilfen zur Erziehung vor (siehe Anlage 1, 2 und 3). Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass für die Neuköllner Tiefenprüfung die Datenlage des Haushaltsjahres 2011 zugrunde gelegt wurde. Auf Nachfrage von Frau Helm erläutert Herr Caglar, dass sich der sogenannte soziostrukturelle Belastungsindex (S-Faktor) aus den Einzelindikatoren Demographie und Bevölkerungsstruktur, Familienstruktur, Bildungsstruktur und Struktur des Sozialraumes zusammensetzt und zur Ermittlung der soziostrukturellen Belastung in den Berliner Bezirken dient.

 

Im Rahmen der Vorstellung der Ergebnisse aus der Tiefenprüfung machen Frau Dr. Gallus – Jetter und Frau Thurley darauf aufmerksam, dass das Jugendamt bis zu 500.000,00 Euro jährlich sparen könnte, wenn ca. 20 junge Volljährige in eigenen Wohnraum vermittelt werden könnten anstatt weiter von niedrigschwelliger Hilfe zur Erziehung abhängig zu sein, da kein passender Wohnraum zur Verfügung steht. Herr BzStR Liecke erklärt, dass aktuell intensive Gespräche mit verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften geführt werden, um dieses Problem zu lösen.

 

Anschließend bittet Frau Blumenthal im Zusammenhang mit der Einführung einer Präventionskette in Neukölln um Mitteilung, ob auch in Dormagen vor Umsetzung der Präventionskette eine solche Tiefenprüfung durchgeführt wurde, ob bezirkseigene Unterbringungseinrichtungen nicht ggf. kostengünstiger wären und daher Überlegungen hinsichtlich eines Wiederaufbaus eigener Heime erfolgen sollten. Herr BzStR Liecke erläutert, dass es sich seiner Kenntnis entzieht, ob auch in der Stadt Dormagen eine Tiefenprüfung durchgeführt wurde. Es gibt jedoch 13 Großstädte, die ähnliche Analysen durchführen. Hinsichtlich des Zusammenhangs der Tiefenprüfung mit der Präventionskette merkt Herr BzStR Liecke an, dass es sich bei der Tiefenprüfung ausschließlich um ein Analysetool handelt, das neben zahlreichen anderen Erkenntnissen als Basis für die Aufstellung der Präventionskette im Bezirk dient. Ein wichtiges Instrument der Präventionskette ist zum Beispiel die Bestandsaufnahme aller Angebote für Familien im Bezirk. Sobald alle Angebote erfasst sind, können diese ausgewertet werden, um fehlende oder doppelt vorhandene Angebote zu ermitteln. Über die Angebotsstruktur wird der JHA informiert und Schwerpunkte gesetzt.

 

Des Weiteren führt Herr BzStR Liecke aus, dass es deutlich mehr kostenintensive Angebote der freien Träger gibt als günstige mit einer geringeren Betreuungsquote. Es ist daher schwierig für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regionalen Diensten (RSD) zeitnah eine passgenaue Unterbringungsmöglichkeit für die Kinder und Jugendlichen zu finden. Hier wird aktuell die Wiedereinführung einer „Heimpflegestelle“ im Jugendamt geprüft, damit eine kostenintensive Unterbringung „aus der Not heraus“, weil kein anderes Angebot vorhanden ist, nicht notwendig wird.

 

Hinsichtlich der bezirkseigenen Unterbringungsmöglichkeiten erläutert Herr BzStR Liecke, dass zum Zeitpunkt der Abschaffung der eigenen Kinderheime die Meinung vorherrschte, externe Anbieter könnten diese Leistungen besser erbringen. Des Weiteren stehen dem Bezirk zwischenzeitlich keine geeigneten Gebäude für die Errichtung eines Kinderheimes etc. mehr zur Verfügung. Außerdem soll die öffentliche Jugendhilfe gemäß § 4 SGB VIII von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können. In diesem Zusammenhang merkt Herr BzStR Liecke weiterhin an, dass er im Land Berlin derzeit einem deutlichen Trend in Richtung einer Externisierung wahrnimmt. So überlegen einzelne Bezirke zum Beispiel, die Jugendgerichtshilfe an einen freien Träger zu übergeben. Er macht deutlich, dass dies für ihn keine Option ist. Grundsätzlich sollten vor einer Auslagerung von Leitungen sehr gewissenhaft und intensiv die Vor- und Nachteile abgewogen werden.

 

Frau Vonnekold schließt sich den Ausführungen von Herrn BzStR Liecke an und ergänzt, dass bezirkseigene Einrichtungen seitens des Senats nicht gewollt sind. Bei der aktuellen Personalzielzahlendebatte wäre eine Realisierung des Vorschlags von Frau Blumenthal auch gar nicht möglich. Hauptziel des Senats ist ein Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung, was sich auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel dem Elterngeld bemerkbar macht. Ihrer Ansicht nach wird seitens des Senats nicht mal im Ansatz kaufmännisch gedacht. Sie führt diesbezüglich aus, dass ein Sozialarbeiter im RSD sich dem Grunde nach „allein finanziert“, sobald er zwei Hilfen zur Erziehung im Jahr vermieden hat. Die dafür erforderliche intensive Arbeit mit den Familien ist bei der derzeitigen Personalsituation jedoch nicht möglich.

 

An dieser Stelle macht Herr BzStR Liecke deutlich, dass es in Neukölln bei der Nachbesetzung von Stellen in der Vergangenheit immer eine Prioritätensetzung auf das Jugendamt gab. Dies führt dazu, dass man sich im Jugendamt zweifelsfrei auf einem sehr niedrigen Niveau bewegt, aber keine Tendenzen eines Personalabbaus zu verzeichnen sind. Herr BzStR Liecke hat sich zum Ziel gesetzt, die monetären Möglichkeiten, die er im Personalbereich in diesem Jahr hat, auch entsprechend einzusetzen. In die nächste Bezirksamtssitzung am 22. Januar 2012 wurde zum Beispiel die Vorlage zur Einrichtung des Kinderschutzes – Fachteams eingebracht.

 

Abschließend zu diesem Tagesordnungspunkt bedankt sich Frau Schwarzer bei Frau Dr. Gallus – Jetter, Frau Thurley und Herrn Caglar für den ausführlichen Bericht und die anschauliche Präsentation.

 


Abstimmungsergebnis:

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Neukölln_BerichtTP (860 KB)    
Anlage 2 2 Tischvorlage Tiefenprüfung (541 KB)    
Anlage 3 3 JHA_Neukölln_PräsentationTP (598 KB)    

 
 

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