Bezirksamtsbeschluss 39/22

Mit Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 18. März 2019 ist das Bezirksamt gebeten worden, sich mit den anderen Berliner Bezirken über die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Vorkaufsrechts auszutauschen und ein entsprechendes Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, dass auch alternative Strategien der Verkehrswertermittlung prüft.

Das Bezirksamt Neukölln stand und steht mit den anderen Bezirken sowie der Senatsverwaltung im Austausch – das gilt für die politische Ebene wie für die Arbeitsebene. Innerhalb der letzten Wahlperiode hat der Bezirk die Anwendungsmöglichkeiten des Vorkaufsrechts kontinuierlich weiterentwickelt und zahlreiche rechtliche Fragen geklärt. So hat Neukölln mehrere Modelle entwickelt, wie das Vorkaufsrecht auch zu Gunsten anderer Dritter als Städtischer Wohnungsgesellschaften ausgeübt werden kann. Auch Vertragskonstruktionen etwa mit Anteilsverkäufen oder Nießbrauchsrechten wurden rechtlich geprüft. Zuletzt hat Neukölln mit der Ausübung des Vorkaufsrechts im Fall von zwei Häusern, die per Share Deal veräußert wurden, die Anwendungspraxis des kommunalen Vorkaufsrechts erweitert.

Im Rahmen von größeren Paketverkäufen, die mehrere Bezirke betrafen, gab es zudem intensive Abstimmungen zwischen den beteiligten Bezirken und Senatsverwaltungen. Unter anderem gab es auch eine gemeinsame Verhandlungskommission, der u.a. ich für die Bezirke angehört habe.

Mit der letzten Novelle des Baugesetzbuches (BauGB) hat der Bundesgesetzgeber in § 28 Abs. 3 BauGB die Bestimmungen zum preisreduzierten Vorkaufsrecht angepasst und ist damit grundsätzlich auch einer Forderung des Bezirkes nachgekommen. Eine Reduktion auf den Verkehrswert soll nun schon möglich sein, wenn der „vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert überschreitet“. Die Verkehrswertermittlung ist jedoch formal klar geregelt ist. Für sie ist die „Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV)“ heranzuziehen: Sie gilt für die Wertermittlung in der Vorkaufsrechtsprüfung wie für die Wertermittlungen aus anderen Gründen.

Diese gesetzliche Neuregelung hätte absehbar dazu geführt, dass das Vorkaufsrecht einfacher preisreduziert hätte ausgeübt werden können. Entsprechende Vorarbeiten zur Nutzung dieser Möglichkeit wurden im Bezirksamt bereits intensiv vorbereitet, als das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 der bisherigen Ausübungspraxis Berlins und weiterer Kommunen ein Ende gesetzt hat. Vier noch nicht rechtskräftige Ausübungsbescheide mussten in der Konsequenz vom Bezirksamt aufgehoben werden. Alle seither eingegangenen Kaufverträge haben nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anzulegenden Kriterien nicht dazu geführt, dass eine Vorkaufsrechtsausübung möglich gewesen wäre.

Das Vorkaufsrecht in der Intention auch des BVV-Beschlusses wird jedoch dringend weiter gebraucht, um preiswerten Wohnraum zu sichern, Spekulation zu verhindern und Leerstand zu beseitigen. Das Bezirksamt erwartet deshalb von Bundesregierung und Bundestag zügiges Handeln um mindestens die bisherige Ausübungspraxis wieder zu ermöglichen, bestenfalls zu erweitern. Als positives Zeichen bewertet das Bezirksamt in diesem Zusammenhang, dass der Bundesrat im April 2022 auf Initiative der Länder Berlin, Bremen und Hamburg eine Entschließung an die Bundesregierung verabschiedet hat, um das kommunale Vorkaufsrecht zum Erhalt bezahlbaren Wohnraums in den sogenannten Milieuschutzgebieten zu stärken.

Ausgehend von den Möglichkeiten des Bezirksamtes, sieht das Bezirksamt den BVV-Beschluss damit als erledigt an.