Einladung zur Ausstellungseröffnung in die Galerie im Saalbau "Alltagsarchive" von Nadia Kaabi-Linke und Roos Versteeg

Pressemitteilung vom 28.03.2012

am Freitag, den 30. März 2012, um 19 Uhr

Wer ist Nadia Kaabi-Linke, die 2010 zusammen mit el:ch Landschaftsarchitekten den Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes der Stadt Hof gewann? Wer ist Roos Versteeg, mit der Kaabi-Linke im Rahmen des die Platzgestaltung vorbereitenden Projekts meinstein mehrere Workshops mit ganz unterschiedlichen Gruppen von Neuköllner Bürgern durchführte?
Ehe im Herbst 2012 die Tiefbaumaßnahme „Platzumbau“ tatsächlich beginnt, werden die beiden Künstlerinnen mit einem kleinen Einblick in ihre „anderen“ Kunstprojekte vorgestellt.

In dieser gemeinsamen Präsentation beschäftigen sich beide Künstlerinnen mit der Frage, wie sich Alltägliches als und durch Kunst archivieren lässt.

Nadia Kaabi-Linke bewahrt die Spuren von Orten und Ereignissen, indem sie Graffiti von Wänden in ihren Wohnorten Berlin und Tunis abnimmt und deren Kontexte erzählt. Ausgangspunkt für die Installation These Goddamned Boys All Stealing (2008) war das Graffiti eines Penis, das die Künstlerin in der Zossener Straße 7 in Berlin auf der Wand eines Hauses fand, in dem sich in den 1920er und 1930er Jahren die von Homosexuellen frequentierte Bar Cosy Corner befand. Diese Bar spielt in der Autobiographie von Christopher Isherwood (Christoper and His Kind, 1976), die Teil der Wandinstallation ist, eine bedeutende Rolle.
Eine deutlich politische Dimension hat die ebenfalls in der Ausstellung gezeigte Arbeit Fleischerei Glück (2010), die auf die Ausbeutung Tunesiens durch den Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali (1987-2011) anspielt. Voraussetzung für die schöne Oberfläche zerbrechlicher, an Fleischerhaken aufgehängter Porzellanabdrücke von vier Rindermägen ist eine Reihe brutaler Akte: das Schlachten des Tieres, das Ausnehmen der Mägen und ihr Aufspannen zum Trocknen.

Roos Versteeg befragt für ihr neues Projekt Auftauch!Schrank Anwohner und Passanten nach Geheimtipps und Alltagsritualen auf der Karl-Marx-Straße. In den Berichten von Menschen, die dort wohnen, arbeiten oder täglich einkaufen, werden Orte, Personen, Geschäfte, Handlungen, Gedanken, Sichtweisen und Rituale genannt, die in irgendeiner Form mit der Straße in Verbindung stehen. Die Künstlerin transformiert die Ergebnisse der Fragebögen zu Gebrauchsanweisungen, die in einem alten Archivschrank im vorderen Raum der Galerie im Saalbau kategorisiert und einsortiert werden. In diesem „Büro“ können Besucher auch während der Ausstellung Gebrauchsanleitungen herstellen. Es entsteht ein Inventar des alltäglichen Umgangs verschiedener Bevölkerungsgruppen mit der Straße.
Samstagnachmittags ist Roos Versteeg in der Sammelstelle, d.h. in der Ausstellung anwesend, um Besucher zu informieren und zu begleiten.

Nadia Kaabi-Linke, 1978 geb. in Tunis, erwarb 2008 ihren PhD-Titel an der Sorbonne in Paris, sie lebt in Berlin und Tunis. Die Künstlerin nahm an zahlreichen Ausstellungen in amerikanischen, europäischen und afrikanischen Institutionen teil, u.a. an Based in Berlin, Kunst-Werke, Berlin (2011), an der ersten panarabischen Ausstellung zeitgenössischer Kunst auf der Venedig-Biennale Future of a Promise (2011), der Alexandria Biennale (2010) und der Sharjah Biennale in den Vereinten Arabischen Emiraten (2009). Zurzeit stellt sie in der Lawrie Shabibi Gallery in Dubai und der Pump House Gallery in London aus.

Roos Versteeg , 1979 geb. in Rotterdam, studierte an der Willem De Kooning-Akademie in Rotterdam und 2007-2009 an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, seitdem lebt sie in Berlin. Sie nahm an Ausstellungen in Rotterdam, Berlin und Skopje teil. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind interaktive Projekte wie Schachteldenken, das sie 2009 zusammen mit Maria Luisa Stock für die Anwohner der Plattenbau-Siedlungen in Lichtenberg entwickelte und 2011 auch in Neukölln präsentierte. 2011 führte sie im Projekt Letteparade mit Kindern eine Art soziologische Erforschung der Nachbarschaft in Reinickendorf durch, deren Endergebnis ein Porträt des Quartiers an einem Schulzaun war. Zur Zeit arbeitet sie gemeinsam mit der Ethnologin Barbara Lenz für das Museum Neukölln unter dem Titel Licht und Schattenseiten an einer Geschichtswerkstatt für die Bewohner/innen der Hufeisensiedlung.

GALERIE IM SAALBAU
Karl-Marx-Straße 141, 12040 Berlin, Di-So: 10-20 Uhr
Ausstellungsdauer: 31. März bis 6. Mai 2012
Mehr Informationen/Fotos: baerbel.ruben@bezirksamt-neukoelln.de