Drucksache - 1854/III
Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:
(Text siehe Rückseite)
Vorlage – zur Kenntnisnahme –
über „Kein Handel mit Scheinadressen!“
Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 18.11.2010 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 1854/III): „Das Bezirksamt wird ersucht, die Möglichkeiten des Ordnungswidrigkeitsgesetzes zu prüfen, um gegen den Betreiber der Internetseite ‚http://www.guter-leumund.de’ wegen Handels mit Scheinadressen vorzugehen.“
Das Bezirksamt hat am 07.06.2011 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:
Das Bezirksamt teilt die Intention der BVV, gegen den Handel mit Scheinadressen vorzugehen. Im Rahmen der Bezirksstadträtesitzungen für Bürgerdienste bei der Senatsverwaltung für Inneres wurde deshalb das Thema Scheinadressen vom Bezirksamt Mitte thematisiert. StS Freise ist zu dieser Frage wie folgt im entsprechenden Protokoll zitiert: „Nach Auffassung der Berliner Staatsanwaltschaft liegt der Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 StGB nicht vor und entsprechende Ermittlungsverfahren wurden dort eingestellt. Es kommt die Verfolgung wegen der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a MeldeG (Scheinanmeldung) i.V. mit § 14 OWIG in Betracht“.
Die Möglichkeit der Durchführung eines OWiG-Verfahrens gegen den Betreiber der Internet-Seite www.guter-leumund.de hat das Bezirksamt rechtlich geprüft. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass das Anbieten oder Verschaffen einer unrichtigen Meldeadresse für sich allein noch keine Ordnungswidrigkeit darstellt. Für ein Verfahren wegen der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit fehlt es nach dem derzeitigen Erkenntnisstand an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Kunden des Betreibers.
Im Einzelnen:
1. Sachverhalt und rechtliche Würdigung Der Betreiber der Internet-Seite www.guter-leumund.de bietet unter anderem als entgeltliche Dienstleistung Meldeadressen in Berlin an. Es besteht der Verdacht, dass die Personen, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, sich unter einer solchen Anschrift bei den Meldebehörden melden, obwohl sie unter dieser Anschrift keine Wohnung bezogen haben. Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 a) des Berliner Meldegesetzes (MeldeG) dar. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass diese Personen solche unrichtigen Meldeadressen missbrauchen, um Straftaten, insbesondere Betrugshandlungen im privat- oder sozialrechtlichen Bereich, zu begehen. Konkrete Hinweise für derartige Straftaten sind jedoch bisher nicht aktenkundig geworden.
a) Verfolgbarkeit als Täter Das MeldeG sieht keine Ahndung des Anbietens oder Verschaffen von falschen Meldeadressen als Ordnungswidrigkeit vor.
b) Verfolgbarkeit als Teilnehmer Nach § 14 Abs. 1 OWiG kann auch eine Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit eines Anderen geahndet werden. Es gelten die Grundsätze des Strafrechts zur Teilnahme entsprechend, so dass eine Beteiligung des Betreibers als Anstifter oder Gehilfe zur Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt. Für eine Ahndung des Betreibers als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) muss eine vorsätzliche und rechtswidrige Ordnungswidrigkeit (Haupttat) durch die Kunden des Betreibers begangen worden sein, zu der der Betreiber angestiftet bzw. deren Vorbereitung oder Ausführung gefördert hat. Als solche Haupttat kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 a) MeldeG - Verstoß gegen die Meldepflicht - in Betracht. Allerdings liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein (bestimmter) oder mehrere (bestimmte) Kunden des Betreibers sich unter einer vom Betreiber zur Verfügung gestellten falschen Meldeadresse gemeldet haben. Ohne den Nachweis der Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Kunden des Betreibers scheidet die Ahndung der Beteiligung an einer solchen von vornherein aus. Ein genereller Verdacht genügt für eine Verantwortung des Betreibers als Teilnehmer an einer Ordnungswidrigkeit nicht. Demnach ist nach aktueller Sachlage auch eine Verantwortlichkeit des Betreibers als Teilnehmer einer Ordnungswidrigkeit nicht gegeben.
2. Handlungsmöglichkeiten Um eine Verantwortlichkeit des Betreibers nach Ordnungswidrigkeitenrecht zu begründen, ist es erforderlich, insbesondere einen konkreten Nachweis dafür zu erbringen, dass sich Kunden des Betreibers unter Verwendung einer vom Betreiber zur Verfügung gestellten Anschrift bei einer Meldebehörde gemeldet haben. Konkret bieten sich hierfür Ermittlungen durch die Meldebehörden in folgende Richtungen an:
a) Ermittlungen in Richtung der Kunden des Betreibers Die Adressen, die der Betreiber für seine Kunden als Meldeadressen zur Verfügung stellt, kann das für die jeweilige Meldeadresse örtlich zuständige Bezirksamt als Meldebehörde auf die Richtigkeit überprüfen. Stellt sich dabei heraus, dass unter der Anschrift des Betreibers auffallend viele Personen gemeldet sind, so kann eine Überprüfung der Örtlichkeiten und der dort gemeldeten Personen vorgenommen werden.
b) Ermittlungen in Richtung des Betreibers Gemäß § 13 S. 2 MeldeG kann die Meldebehörde von jedem Wohnungsgeber Auskunft darüber verlangen, welche Personen bei ihm wohnen oder gewohnt haben. Als Wohnungsgeber im Sinne dieser Vorschrift ist nach dem Normzweck des §13 MeldeG nicht nur derjenige zu verstehen, der eine (räumliche) Wohnung im Sinne des § 16 MeldeG zur Verfügung stellt, sondern vielmehr auch derjenige, der die rechtliche Verantwortlichkeit über das Gebäude oder die Wohnung hat, unter dessen Anschrift Personen gemeldet sind. Dies ist erst recht auch derjenige, der seine Anschrift bewusst als Meldeanschrift zur Verfügung stellt. Kommt der Wohnungsgeber seiner Auskunftspflicht nicht nach, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 MeldeG dar, die selbstständig geahndet werden kann.
Das Bezirksamt wird daher bei Vorliegen von konkreten Verdachtsmomenten eine Überprüfung der Meldeadressen und der gemeldeten Personenzahl durchführen. Das Thema wird weiterhin im Rahmen der Beratungen der Bezirksstadträte für Bürgerdienste erörtert werden und inhaltlich mit der Senatsverwaltung für Inneres abgestimmt werden. Sollten neue Aspekte der Thematik bekannt oder neue gemeinsame Strategien verabredet werden, so wird das Bezirksamt im zuständigen Fachausschuss unaufgefordert berichten.
Rechtsgrundlage § 13 i.V. mit 36 BezVG
Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung: a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben: keine b) Personalwirtschaftliche Auswirkungen: keine
Berlin, ....................
Dr. Hanke von Dassel Bezirksbürgermeister Bezirksstadtrat
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