Drucksache - 1854/III  

 
 
Betreff: Kein Handel mit Scheinadressen!
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der CDUBezirksamt Mitte von Berlin
Verfasser:Reschke 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
18.11.2010 
39. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin ohne Änderungen in der BVV beschlossen   
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
23.06.2011 
45. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   

Sachverhalt
Anlagen:
1. Antrag vom 09.11.2010
2. Beschuss vom 18.11.2010
3. Vorlage zur Kenntnisnahme vom 10.06.2011

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:

 

 

 

(Text siehe Rückseite)


Bezirksamt Mitte von Berlin

01.06.2011

Abt. Soziales und Bürgerdienste

(918)42660

 

 

Bezirksverordnetenversammlung

Mitte von Berlin

Drucksache Nr.1854/III

 

 

Vorlage – zur Kenntnisnahme  –

 

über „Kein Handel mit Scheinadressen!“

 

Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 18.11.2010 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 1854/III):

„Das Bezirksamt wird ersucht, die Möglichkeiten des Ordnungswidrigkeitsgesetzes zu prüfen, um gegen den Betreiber der Internetseite ‚http://www.guter-leumund.de’ wegen Handels mit Scheinadressen vorzugehen.“

 

Das Bezirksamt hat am 07.06.2011 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussbericht zur Kenntnis zu bringen:

 

Das Bezirksamt teilt die Intention der BVV, gegen den Handel mit Scheinadressen vorzugehen. Im Rahmen der Bezirksstadträtesitzungen für Bürgerdienste bei der Senatsverwaltung für Inneres wurde deshalb das Thema Scheinadressen vom Bezirksamt Mitte thematisiert. StS Freise ist zu dieser Frage wie folgt im entsprechenden Protokoll zitiert: „Nach Auffassung der Berliner Staatsanwaltschaft liegt der Straftatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nach § 271 StGB nicht vor und entsprechende Ermittlungsverfahren wurden dort eingestellt. Es kommt die Verfolgung wegen der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a MeldeG (Scheinanmeldung) i.V. mit § 14 OWIG in Betracht“.

 

Die Möglichkeit der Durchführung eines OWiG-Verfahrens gegen den Betreiber der Internet-Seite www.guter-leumund.de hat das Bezirksamt rechtlich geprüft. Es gelangte zu dem Ergebnis, dass das Anbieten oder Verschaffen einer unrichtigen Meldeadresse für sich allein  noch keine Ordnungswidrigkeit darstellt. Für ein Verfahren wegen der Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit fehlt es nach dem derzeitigen Erkenntnisstand an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Kunden des Betreibers.

 

Im Einzelnen:

 

1. Sachverhalt und rechtliche Würdigung

Der Betreiber der Internet-Seite www.guter-leumund.de bietet unter anderem als entgeltliche Dienstleistung Meldeadressen in Berlin an. Es besteht der Verdacht, dass die Personen, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, sich unter einer solchen Anschrift bei den Meldebehörden melden, obwohl sie unter dieser Anschrift keine Wohnung bezogen haben. Dies stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 a) des Berliner Meldegesetzes (MeldeG) dar. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass diese Personen solche unrichtigen Meldeadressen missbrauchen, um Straftaten, insbesondere Betrugshandlungen im privat- oder sozialrechtlichen Bereich, zu begehen. Konkrete Hinweise für derartige Straftaten sind jedoch bisher nicht aktenkundig geworden.

 

a) Verfolgbarkeit als Täter

Das MeldeG sieht keine Ahndung des Anbietens oder Verschaffen von falschen Meldeadressen als Ordnungswidrigkeit vor.

 

b) Verfolgbarkeit als Teilnehmer

Nach § 14 Abs. 1 OWiG kann auch eine Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit eines Anderen geahndet werden. Es gelten die Grundsätze des Strafrechts zur Teilnahme entsprechend, so dass eine Beteiligung des Betreibers als Anstifter oder Gehilfe zur Ordnungswidrigkeit in

Betracht kommt. Für eine Ahndung des Betreibers als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) muss eine vorsätzliche und rechtswidrige Ordnungswidrigkeit (Haupttat) durch die Kunden des Betreibers begangen worden sein, zu der der Betreiber angestiftet bzw. deren Vorbereitung oder Ausführung gefördert hat. Als solche Haupttat kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 a) MeldeG - Verstoß gegen die Meldepflicht - in Betracht. Allerdings liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass ein (bestimmter) oder mehrere (bestimmte) Kunden des Betreibers sich unter einer vom Betreiber zur Verfügung gestellten falschen Meldeadresse gemeldet haben. Ohne den Nachweis der Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch die Kunden des Betreibers scheidet die Ahndung der Beteiligung an einer solchen von vornherein aus. Ein genereller Verdacht genügt für eine Verantwortung des Betreibers als Teilnehmer an einer Ordnungswidrigkeit nicht. Demnach ist nach aktueller Sachlage auch eine Verantwortlichkeit des Betreibers als Teilnehmer einer Ordnungswidrigkeit nicht gegeben.

 

2. Handlungsmöglichkeiten

Um eine Verantwortlichkeit des Betreibers nach Ordnungswidrigkeitenrecht zu begründen, ist es erforderlich, insbesondere einen konkreten Nachweis dafür zu erbringen, dass sich Kunden des Betreibers unter Verwendung einer vom Betreiber zur Verfügung gestellten Anschrift bei einer Meldebehörde gemeldet haben. Konkret bieten sich hierfür Ermittlungen durch die Meldebehörden in folgende Richtungen an:

 

a) Ermittlungen in Richtung der Kunden des Betreibers

Die Adressen, die der Betreiber für seine Kunden als Meldeadressen zur Verfügung stellt, kann das für die jeweilige Meldeadresse örtlich zuständige Bezirksamt als Meldebehörde auf die Richtigkeit überprüfen. Stellt sich dabei heraus, dass unter der Anschrift des Betreibers auffallend viele Personen gemeldet sind, so kann eine Überprüfung der Örtlichkeiten und der dort gemeldeten Personen vorgenommen werden.

 

b) Ermittlungen in Richtung des Betreibers

Gemäß § 13 S. 2 MeldeG kann die Meldebehörde von jedem Wohnungsgeber Auskunft darüber verlangen, welche Personen bei ihm wohnen oder gewohnt haben.

Als Wohnungsgeber im Sinne dieser Vorschrift ist nach dem Normzweck des §13 MeldeG nicht nur derjenige zu verstehen, der eine (räumliche) Wohnung im Sinne des § 16 MeldeG zur Verfügung stellt, sondern vielmehr auch derjenige, der die rechtliche Verantwortlichkeit über das Gebäude oder die Wohnung hat, unter dessen Anschrift Personen gemeldet sind. Dies ist erst recht auch derjenige, der seine Anschrift bewusst als Meldeanschrift zur Verfügung stellt. Kommt der Wohnungsgeber seiner Auskunftspflicht nicht nach, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 MeldeG dar, die selbstständig geahndet werden kann.

 

Das Bezirksamt wird daher bei Vorliegen von konkreten Verdachtsmomenten eine Überprüfung der Meldeadressen und der gemeldeten Personenzahl  durchführen. Das Thema wird weiterhin im Rahmen der Beratungen der Bezirksstadträte für Bürgerdienste erörtert werden und inhaltlich mit der Senatsverwaltung für Inneres abgestimmt werden. Sollten neue Aspekte der Thematik bekannt oder neue gemeinsame Strategien verabredet werden, so wird das Bezirksamt im zuständigen Fachausschuss unaufgefordert berichten.

 

Rechtsgrundlage

§ 13 i.V. mit 36 BezVG

 

Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:

a)               Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben: keine             

b)               Personalwirtschaftliche Auswirkungen: keine

 

             

Berlin, ....................

 

Dr. Hanke                                                                                                                    von Dassel

Bezirksbürgermeister                                                                         Bezirksstadtrat

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen