Auszug - Schließung der Kontakt- und Begegnungsstätte "Laufmasche"  

 
 
43. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Gesundheit
TOP: Ö 1.4
Gremium: Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 26.05.2011 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:05 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Herr BzStR Dr

Herr BzStR Dr. Hanke teilt einleitend mit, dass die schriftliche Beantwortung zum Vorgang allen bekannt sei.

 

Anschließend skizziert Frau Petry-Stahlberg kurz den Vorgang. Das Projekt wurde ursprünglich in Kooperation mit dem Gesundheitsamt und der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit/Sozialpädagogik gegründet und war ein Projekt, welches niedrig schwellige aufsuchende Sozialarbeit im Kiez angeboten hat, unter Federführung des Gesundheitsamtes. Das Projekt wurde vor mehr als 20 Jahren gegründet. Zwischenzeitlich zog das Projekt zwei Mal um (von der Linienstraße in die Turmstraße und dann von der Turmstraße zum Standort Müllerstraße 158). Die Laufmasche hat sich im Laufe der 20 Jahre seines Bestehens gewandelt, sich den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst. In der Müllerstraße konnten ca. 16 bis 20 Kinder im Grundschulalter betreut werden. Man hatte dort kostenlose Hausaufgabenbetreuung angeboten incl. Beratung der Eltern und eine Lotsenfunktion zwischen Schule und Elternhaus. Alle betreuten Kinder hatten keine andere Nachmittagsbetreuungsmöglichkeit. Alle Kinder hatten einen Migrationshintergrund. Die Hilfe wurde auch von den beiden benachbarten Schulen (Herrmann-Herzog-Grundschule und Trift-Grundschule) gern angenommen und rege in Anspruch genommen. Parallel dazu gab es in der Laufmasche eine Kleiderkammer. Dort wurde kostenlos Bekleidung für obdachlose Menschen, auch für Menschen, die vom Sozialamt geschickt wurden und für Familien, die andere Angebote angenommen haben zur Verfügung gestellt. Für die Angebote in der Laufmasche lag kein Budget vor, man war auf Sponsoren angewiesen, die man jährlich warb. Das Projekt konnte nur laufen, weil die Möglichkeit bestand, auf die Zuweisungen des Jobcenters zurückzugreifen, wo es darum ging, Menschen in Arbeitserprobungen im 2. Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Es konnten somit in einem gründlichen und differenzierten Prüfungsverfahren Menschen in die pädagogische Arbeit der Laufmasche integriert werden. Das Jobcenter signalisierte nun, dass er keine Zuweisungen mehr in kommunale Einrichtungen geben werde, sondern man werde sehr viel stärker versuchen, die Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Zum Jahresende 2010 hatte das zur Folge, dass man bei verschiedenen Beschäftigungsträgern diverse Anträge auf Zuweisung von Menschen, die eine Betreuung dieser Kinder übernehmen könnten, stellte. Leider ist das nicht zustande gekommen. In der Beschreibung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sind solche Einrichtungen nicht so vorgesehen. Frau Petry-Stahlberg betont, dass es trotzdem ein erfolgreiches und gut funktionierendes Projekt im Rahmen des präventiven Kinderschutzes war. Man hatte sehr verzahnt mit den Fachdiensten im Gesundheitsamt, mit dem Jugendamt, mit den Freien Trägern rund um die Jugendhilfe zusammen gearbeitet und man hatte ein sehr gut funktionierendes Netzwerk, mit dem man die Familien und Menschen, die dort Unterstützung suchten unterstützen konnte. Wenn aber die Rahmenbedingungen so schlecht werden, dass man Angebote nicht mehr aufrecht erhalten kann, dann muss man die Konsequenzen ziehen. An dem Punkt sei man nun angelangt, als man vom Beschäftigungsträger informiert wurde, dass man keine Zuweisungen mehr erhalten wird. Man hatte aber die Zusage gegeben, noch 3 Mitarbeiter/-innen bis zu den Sommerferien zu beschäftigen, so dass im Februar 2011 die Entscheidung in Abstimmung mit Herrn Dr. Hanke und der LuV-Leitung getroffen wurde, das Projekt bis zu den Sommerferien sozialverträglich abzuwickeln. Da sich die Ereignisse überschlugen, musste die Laufmasche kurzfristig geschlossen werden. Das hatte dazu geführt, dass eine betroffenen Mutter an den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses eine Eingabe gestellt hat, das nun Wellen schlug.

 

Herr Busse bemerkt, dass das Schulamt angedacht habe, die Räume der Laufmasche zu beanspruchen. Man möchte dort ein Angebot für die Pflichtversorgung der Schule mit dem Hort machen. Das Schulamt hatte auch angedacht, diese Räume eventuell für die Musikschule zu beanspruchen.

Frau BV Schauer-Oldenburg (Grüne) erinnert an die letzte Sitzung des Ausschusses, in dem die Eingabe einer Mutter zur Sprache kam. Es wurde mitgeteilt, dass der Standort Schule ein Problem sei, dass die Laufmasche sich nicht halten konnte. Auf die Frage, ob es Ausweichräumlichkeiten gäbe, wurde verneint. Frau Schauer-Oldenburg bemerkt, dass am Tegeler Weg Räume wären, in denen man die Laufmasche unterbringen könnte.
Weiterhin teilt sie mit, dass ihre Fraktion und die Fraktion Die Linke sich an Herrn Dr. Hanke gewandt und gefragt haben, welche Position der Personalrat vertreten habe. Viele Fragen stehen offen. Es sei bedauerlich, wenn der Bezirk so eine Anlaufstelle verliert. Man hätte nach Möglichkeiten suchen sollen, dieses Projekt zu erhalten.

 

Frau Petry-Stahlberg teilt mit, dass allen bekannt sei, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen erbracht wurden. Es sei eine sehr kräftezehrende Arbeit, wenn man immer nur darauf angewiesen sei, Mitarbeiter/-innen für einen befristeten Zeitraum aus dem Jobcenter zu bekommen, die man immer wieder nach 6, 9 oder 12 Monaten neu anleiten muss, neu einarbeiten muss. Ein Signal der Verstetigung sei nicht in Aussicht weder von Seiten des Bezirks noch von Seiten eines Freien Trägers. Es gibt offensichtlich keine Ressourcen für solche Projekte, obwohl die politische Diskussion in Richtung Familienzentren gehe, die das fordern – niedrigschwellige aufsuchende Arbeit –.

Frau Petry-Stahlberg führt weiter aus, dass sie Mitte Februar eine Nachricht vom Personalrat erhalten hatte. Der teilte mit, dass er nicht wisse, ob er zuständig sei, aber die Maßnahme lehne er ab. Das habe das Projekt zu tiefst getroffen, weil man dem Personalrat sehr detailliert beschrieben hatte, was man möchte. Man wolle keine dauerhafte Einstellung von Personal in der Laufmasche. Man wolle das Projekt nur bis zu den Sommerferien fortführen, um es sozialverträglich abwickeln zu können. Das war mit der Antwort des Personalrates nicht mehr möglich.

 

Frau Schauer-Oldenburg hat aus den Schilderungen herausgehört, dass die Bedarfe vorhanden seien. Sie fragt, wie das Klientel dort versorgt wird. Es wird sich eine Lücke auftun. Kann man das sozial vertreten? Frau Petry-Stahlberg meint, dass die Zeiten härter werden. Das betreffe nicht nur die Laufmasche, sondern es betreffe auch andere soziale Einrichtungen. Man habe überall mit Kürzungen zu tun. Es trifft dann leider zuerst die Einrichtungen, wo man keinen gesetzlichen Auftrag habe.

 

Frau BV Kliemann (SPD) fragt, ob es eine Absichtserklärung vom Jobcenter war und ob das Personal Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben sollte oder ob sie tatsächlich auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt wurde. Frau Petry-Stahlberg kann nur mutmaßen. Sie befürchtet, dass diese Mitarbeiter/-innen nach wie vor schlechte Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Man kann aber nichts anderes tun, wenn man der Laufmasche mitteilt, in eure Einrichtung wird nicht mehr vermittelt und schon gar nicht in Form einer Verlängerung.

 

Herr BzStR Dr. Hanke weist darauf hin, obwohl man das Projekt Laufmasche 20 Jahre lang halten konnte, sich der Charakter geändert habe. War es anfangs ein Kooperationsprojekt, wo Studenten/-innen ihr verbindliches Praktikum zur Anerkennung ihres Studiums machen konnten und ein Projekt, welches Hochzeiten hatte, wo viele Studenten/-innen kamen, ist das jetzt vorbei. Man sei jetzt an seine Grenzen gekommen. Man habe Personalschlüssel. Man kann keine freiwilligen Aufgaben mehr wahrnehmen. Er wird das noch unter dem TOP Mitteilungen in Bezug auf die Therapeuten darstellen. Man habe große Schwierigkeiten die Stellen, die frei werden, nach zu besetzen. Es habe sich ein Projekt von der Kooperation zu einem Projekt mit Arbeitsmaßnahmen entwickelt. Die Laufmasche sei somit in den Sog gekommen, wie Dutzende andere gute Projekte, die im Bezirk Mitte vorhanden sind, auf der Grundlage von Arbeitsmarktmaßnahmen. Herr Dr. Hanke betont, dass der Bezirk Mitte große Schwierigkeiten habe, überhaupt noch Projekte so zu formulieren, dass das Jobcenter sie akzeptiert.
Herr Dr. Hanke vermittelt weiter, dass Projekte in der Bürgerarbeit weiter angemeldet wurden. Die Laufmasche wurde auch angemeldet. Man wird sehen, was man in diesem Jahr noch umsetzen kann. Das Modell Familienzentrum in der Badstraße konnte im Rahmen von Aktionsraum Plus entwickelt werden. Man wird versuchen, Familienzentren weiter im Bezirk Mitte zu etablieren. Herr Dr. Hanke hält das für einen politisch wichtigen Weg. Wie das gelingen wird und ob man am Ende zu einer Regelfinanzierung kommen wird, sei noch nicht sicher.

Abschließend teilt er mit, dass es einen Flächenbedarf gibt, der mittelfristig sei. Im Gespräch war, Räumlichkeiten in der Lüderstraße zu nutzen. Es hätte aber trotzdem nur mit Arbeitsmarktmaßnahmen klappen können. Die Überleitung zielte darauf ab, in andere Strukturen die Familien überzuleiten oder das in Richtung Hort zu entwickeln. Es sei das Ziel Ganztagsschulen, Hort, Betreuung, AG´en, Elternarbeit zu schaffen.

 

Frau BV Fried (SPD) fragt, ob im Tegeler Weg ein gleiches Klientel vorhanden sei, wie er jetzt in der Müllerstraße vorhanden sei. Frau Petry-Stahlberg kann die Frage nicht beantworten. Möchte man solche Angebote machen, dann muss man als realistisches Ziel auch im Auge haben, dass man dieses Projekt auch verstetigen kann.

 

Frau Morgenstern, Bereichsleiterin bei der Schildkröte GmgH berichtet, dass sie jetzt neu in Mitte sei. Sie war bisher in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg tätig und hatte dort verschiedene Projekte und Standorte betreut. Seit 2 Monaten sei sie in Mitte.
Das Jobcenter hatte bewilligte Konzepte auch mit bewilligten Tätigkeitsbeschreibungen angezweifelt und wieder zur Diskussion gestellt, ob bestimmte Tätigkeiten zusätzlich seien oder nicht. Das hatte ein Chaos hervorgerufen. Es tut allen leid. In Abstimmung mit dem Jobcenter mussten Mitarbeiter/-innen heraus genommen werden, weil das Jobcenter es so entschieden hatte.

 

Frau BV Freikamp (Die Linke) meint, dass die Schließung sehr plötzlich sei. Sie fragt, ob die Laufmasche eine festangestellte Mitarbeiterin habe. Wäre es möglich gewesen, dass in verminderter Form das Projekt langsam auslaufen zu lassen, um einen besseren Übergang zu ermöglichen.

Frau Petry-Stahlberg teilt mit, dass es eine Aufsichts- und Fürsorgepflicht für die Kinder bestehe. Es geht nicht, dass eine Person für 18 bis 20 Kinder einen gesamten Nachmittag verantwortlich ist. Das sei aufgrund der Aufsichtspflicht nicht zu realisieren. Man hätte mehr Mitarbeiter/-innen benötigt. Zum Jahresende hatte man so wenig Mitarbeiter/-innen, dass man die Gruppe der Kinder in zwei Gruppen aufteilen musste. Das Angebot musste zurückgefahren werden.

 

Die Vorsitzende, Frau Stein, dankt für die Ausführungen und für die Beantwortung der gestellten Fragen.


 

 
 

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