Auszug - Schwarzarbeit in Berlin – Ursachen, Umfang und Instrumente ihrer Eindämmung BE: Referenten Herr Alexander Bergant und Herr Dipl. Volkswirt Lothar Kolenberger  

 
 
5. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
TOP: Ö 1.1
Gremium: Wirtschaft und Arbeit Beschlussart: erledigt
Datum: Mo, 26.03.2007 Status: öffentlich
Zeit: 17:35 - 19:38 Anlass: ordentlichen Sitzung
 
Wortprotokoll
Beschluss

Frau Matischok-Yesilcimen merkt an, dass aus der letzten BVV-Sitzung die Drucksachen-Nr

Frau Matischok-Yesilcimen merkt an, dass aus der letzten BVV-Sitzung die Drucksachen-Nr. 0217/III und 0219/III in den Wirtschaftsausschuss überwiesen wurden. Sie geht davon aus, dass die Drucksachen mitbehandelt werden können.

 

Die Mitglieder sind mit dem Vorschlag einverstanden.

 

 

Frau Matischok-Yesilcimen begrüßt Herrn Bergant und Herrn Kolenberger, die über das Thema Schwarzarbeit berichten. Den Mitgliedern ist vorab eine pdf-Datei zugegangen.

 

Herr Kolenberger führt aus, dass bei der Begrifflichkeit der Schwarzarbeit sehr viel dargestellt wird, was den Sachverhalt nicht trifft. Der Begriff der Schattenwirtschaft ist hier sehr oft in der Diskussion. Die Begriffe Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit haben zwar etwas miteinander zu tun, wobei die Schwarzarbeit eine Teilmenge der Schattenwirtschaft ist. Jedoch ist die Schattenwirtschaft im übergreifenden Bereich nicht ungesetzlich, so wie es die Schwarzarbeit im Sinne des Gesetzes ist. Wenn in der Zeitung steht, das Berlin die Hauptstadt der Schwarzarbeit ist, dann betrifft das hauptsächlich Zahlen, die sich eigentlich mit der Schattenwirtschaft beschäftigen. Es handelt sich also um eine Aussage, die man so nicht stehen lassen kann. Die Schattenwirtschaft ist ein Bereich der Wirtschaft, der gewissermaßen neben der offiziellen Wirtschaft steht. Man könnte darunter den Teil der Wirtschaft verstehen, der seine Umsätze dem Statistischen Landesamt meldet. Die Schattenwirtschaft wird im Sinne dieser Meldung nicht erfasst. Und zu dieser Schattenwirtschaft gehört auch der große Bereich der sog. Selbstversorgungswirtschaft (z.B. Wohnungsrenovierung, sauber machen). Weiterhin gibt es den Bereich der sog. Untergrundwirtschaft, der ebenfalls als Schattenwirtschaft bezeichnet wird und worunter man die sog. Schwarzarbeit versteht. Wenn also über Schwarzarbeit gesprochen wird, dann muss man darunter den engeren Bereich im Sinne des Gesetzes (Untergrundwirtschaft) verstehen. Wenn man das Wort „Schwarzarbeit“ hört oder liest, dann ist damit meistens der große Bereich der Selbstversorgungswirtschaft (Nachbarschaftshilfen) gemeint. Betreffend es Umfangs gibt es unterschiedliche Schätzungen von Instituten, Universitäten u.a. Es gibt jedoch keine amtlichen Schätzungen. Eine Universität geht von einer Größenordnung von ca. 17 % Schattenwirtschaft in Deutschland aus. Wobei dieser Bereich nicht zum engeren Sinne der Schwarzarbeit (Untergrundwirtschaft) gehört. Eine andere Studie (dänische Stiftung) besagt, dass die Größenordnung bei 4 % liegt. Man kann davon ausgehen, dass die Schwarzarbeit deutlich niedriger liegt, als es bei den Schattenwirtschaftszahlen suggeriert wird. Die Systematik, mit der die Schwarzarbeit erfasst wird, ist keine unmittelbare, sie wird nicht gemeldet. Aber die Statistiker verfügen über ausgefeilte, komplizierte Methoden, um Schwarzarbeit dem Bruttoinlandsprodukt zuzuschätzen. Diesen Unterschied wollte Herr Kolenberger vorab darstellen. In Berlin selbst gibt es laut den Beobachtern einen Schwerpunkt der Schwarzarbeit in der Baubranche, im Reinigungsgewerbe und in der Gastronomie. Schwarzarbeit findet offensichtlich in Branchen statt, die sehr arbeitsintensiv sind.

 

Frau Matischok-Yesilcimen fragt nach, wenn jemand ohne Lohnsteuerkarte arbeitet, obwohl die Tätigkeit lohnsteuerkartenpflichtig und anmeldepflichtig wäre, dann ist es doch auch möglich, in der Industrie schwarz zu arbeiten.

 

Herr Kolenberger führt aus, dass dies der Bereich der illegalen Beschäftigung wäre, eine Sonderform der Schwarzarbeit. Weiterhin geht es hierbei auch schon um den Bereich der Hinterziehung von Abgaben.

Schwarzarbeit zu bekämpfen heißt auch, von der Schwarzarbeit zu lernen. Ein anderer Aspekt aus ökonomischer Sicht ist der, das Schwarzarbeit, wo immer sie stattfindet, natürlich einen Preisdruck verursacht. Das bedeutet, dass auch diejenigen, die mit Schwarzarbeit nichts zu tun haben, von der Schwarzarbeit profitieren. Es sieht auch nur auf den ersten Blick so aus, als würde sich der „Schwarzarbeiter“ Steuerzahlungen und Beitragszahlungen völlig entziehen. Wenn er seine Materialien einkauft bzw. verkauft, dann führt dies wiederum dazu, dass Abgaben geleistet werden, so dass insgesamt aus ökonomischer Sicht gesagt werden kann, dass Schwarzarbeit auch zur Wohlstandswährung beiträgt.

 

Die Ausführungen von Herrn Bergant sind leider sehr schlecht zu verstehen.

Herr Bergant führt aus, dass man keine konkrete Verfolgungszuständigkeit hat. Man sieht sich eher als koordinierende Stelle. Man fungiert als Schnittstelle zwischen den Bundesbehörden und zwischen den jeweils zuständigen Stellen im Land. Im Rahmen dieses Koordinierungsauftrages werden jährliche Beratungen mit zuständigen Stellen in Berlin und Brandenburg durchgeführt. Weiterhin wird in Berlin eine zentrale Informations- und Anlaufstelle für Jedermann betrieben. Man versteht den Auftrag insbesondere in der Information und Aufklärung über Schwarzarbeit. Im Rahmen der zentralen Informations- und Anlaufstelle werden Faltblätter und Berichte ausgegeben (werden an die Mitglieder verteilt).

Wenn von Schwarzarbeit gesprochen wird, dann spricht man immer von den Tatbeständen, die der Gesetzgeber seit 01.08.2004 gesetzlich normiert hat. Es handelt sich um die gesetzliche Definition der Schwarzarbeit. Diese werden in fünf Bereiche unterteilt (z.B. Sozialversicherungsrechtliche Verstöße, steuerrechtliche Verstöße, Leistungsmissbrauch, gesetzwidrige Gewerbeausführungen u.a.). Es liegt keine Schwarzarbeit vor, wenn solche Dienst- oder Werksleistungen von Angehörigen erbracht werden, auf Gefälligkeiten beruhen und es sich um Nachbarschaftshilfe oder Selbsthilfe handelt.

Ansonsten spricht man von illegaler Beschäftigung in drei Bereichen. Die illegale Ausländerbeschäftigung, Verstöße gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz und der illegalen Beschäftigungs..?... (erwerbsmäßige Verleihung von Arbeitnehmern.

Je nach Art und Intensität des Verstoßes setzen unterschiedliche Sanktionen ein. Ein Bußgeld ab 1.000 € bis zu 500.000 €, bei illegaler Ausländerbeschäftigung von 500.000 € bis hin zum Straftatbestand mit einer Geldstrafe bzw. Freiheitsentzug.

Der Bundesgesetzgeber hat die weitverzweigte Zuständigkeit der Schwarzarbeit zum Großteil beim Zoll konzentriert. Damit einhergehend hat der Gesetzgeber auch eine Verschiebung des Aufgabenschwerpunktes vorgenommen. Wurde früher der Schwerpunkt auf die Verfolgung von Verstößen gegen die Gewerbeordnung gesetzt, liegt der Schwerpunkt mittlerweile bei den fiskalischen Aspekten (Steuerhinterziehung, Hinterziehung von Beiträgen). Deshalb auch die Konzentration beim Zoll und beim Bundesfinanzministerium.

Die bezirkliche Zuständigkeit liegt vor bei Leistungsmissbrauch und Verstoß gegen die Gewerbeordnung. Der Zoll hat im Jahre 2005 bundesweit 355.000 Personen kontrolliert. In diesem Zusammenhang wurde ein Schaden in Höhe von rd. 563 Mio. € festgestellt. Weiterhin wurden 81.300 Strafverfahren eingeleitet und etwa in gleichem Umfang Strafverfahren zum Abschluss gebracht. Bei den abgeschlossenen Strafverfahren wurden insgesamt Freiheitsstrafen in Höhe von 995 Jahren und Geldstrafen in Höhe von 21,2 Mio. € verhängt. Weiterhin wurden 60.000 Bußgeldverfahren eingeleitet und rd. 54.000 Bußgeldverfahren zum Abschluss gebracht. Das führte zu einer Festsetzung von Bußgeldern in Höhe von 67 Mio. €.

Der Berliner Zoll hat im Jahre 2005  17.700 Arbeitnehmer und 5.000 Arbeitgeber überprüft. Er hat 2.800 Strafverfahren zum Abschluss gebracht und rd. 2.000 Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Abschluss gebracht. Im Rahmen dieser Verfolgungstätigkeit wurden rd. 12 Mio. € Schaden festgestellt. Weiterhin wurden Bußgelder in Höhe von 2,4 Mio. € und Geldstrafen in Höhe von 1,5 Mio. € verhängt. Die Summe der Haftstrafen betrug insgesamt 312 Monate.

Sieht man sich die Zahlen für die Bezirke an, dann gibt es einen Anstieg bis 1999 von festgesetzten Bußgeldern in Höhe von 800.000 €. Seit 1999 sind die Zahlen rückläufig und sinken kontinuierlich. Im Jahr 2005 gab es Bußgeldfestsetzungen in Höhe von 200.000 €.

Es gibt eine Vielzahl von Erscheinungsformen der Schwarzarbeit. Demzufolge gibt es auch viele Formen, dem zu begegnen.

 

Frau David merkt an, dass gerade die Bauwirtschaft durch Schwarzarbeit belastet sei. Sie fragt nach, ob es Anhaltspunkte gibt, woran man die Schwarzarbeit erkennt.

 

Herr Bergant führt aus, dass es leider nicht mehr so offensichtlich festzustellen ist, wie vor ca. 10 oder 20 Jahren. Die Täterseite hat sich in den vergangenen Jahren nicht unwesentlich professionalisiert. Es werden kaum noch Aufzeichnungen aufgefunden. Für die Kontrolleure ist es nicht einfach, Schwarzarbeit zu erkennen. Diese Annahme allein darauf abzustellen, dass viele Ausländer auf einer Baustelle tätig sind, ist auch kein schlüssiges Kriterium.

 

Frau Kliemann bezieht sich auf die organisierte Schwarzarbeit in den neuen EU-Staaten und fragt nach, wie die staatenübergreifende Zusammenarbeit (Europol, Interpol) funktioniert.

 

Die Ausführungen von Herrn Bergant sind leider nicht zu verstehen.

 

Herr Koch würde es gut finden, wenn es bei der Senatsverwaltung ein Internet-Portal (ähnlich dem Wirtschaftsportal) geben würde, wo man möglichst transparent macht, welche Möglichkeiten in diesen Grenzbereichen (haushaltsnahe Dienstleistungen, Kleingewerbetreibende) möglich sind. Weiterhin fragt er beim Bezirksamt nach, ob es noch andere Informationsmöglichkeiten geben könnte.

 

Herr Zeller führt aus, wenn es solche Informationsangebote gäbe, dann wären diese sicherlich auch mit der Homepage des Bezirksamtes verlinkt. Die weiteren Ausführungen sind leider nicht zu verstehen.

 

Herr Kolenberger ergänzt, dass solche Informationen auch auf der Homepage der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen nachzulesen sind. Auch die Kleingewerbetreibenden können sich dort erkundigen.

 

Herr Zeller ergänzt, dass die Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht zu den Aufgaben des Ordnungsamtes gehört. Dort wo es Verdachtsmomente im Rahmen der Gewerbeanzeigen gibt, wird dies den zuständigen Behörden mitgeteilt. Bei den Bauvorhaben, die durch die öffentliche Hand (BA-Mitte) ausgelöst werden, ist es Teil der Ausschreibung, dass eine Tariftreueerklärung erwartet wird. Dies wird auch überprüft. Dazu gibt es eine spezielle Einrichtung bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Werden Verstöße festgestellt, führt dies oftmals zu einer zeitlich befristeten oder sogar zu einer dauerhaften Streichung aus dem Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis.

 

Frau David bezieht sich auf die mögliche Zusammenarbeit mit dem LKA, die auf Ersuchen des Bezirksamtes bei illegaler Gewerbeausübung stattfindet und fragt nach, ob ein solches Ersuchen schon ein Mal ergangen ist, wenn ja, wie oft und liegen weitere Zahlen darüber vor. Weiterhin bezieht sie sich auf das Berliner Bündnis für „Regeln am Bau“ und fragt nach, ob es Informationen darüber gibt, wie sich das Abgeordnetenhaus dazu verhalten hat.

 

Herr Zeller teilt mit, dass er zurzeit keine Zahlen nennen kann. Die müsste er nachliefern. In der Regel ist es so, dass der Gewerbeaußendienst des LKA diese Überprüfung vornimmt und dabei in Amtshilfe die Mitarbeit der berzirklichen Gewerbeämter in Anspruch nimmt. Umgekehrt könnte es aber auch möglich sein.

 

Herr Kolenberger führt zum Berliner Bündnis „Regeln am Bau“ aus, dass dies von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unterstützt wird. Die weiteren Ausführungen sind leider nicht zu verstehen.

Dieses Bündnis würde sehr gerne eine sog. Identitäts-/Chipkarte für Bauarbeiter erreichen. Dabei handelt es sich jedoch um ein sehr großes Ziel und es gibt auch sehr große Hürden (z.B. Änderung des Rentengesetzes) zu überwinden.

 

Herr Sander bezieht sich auf das Vergabegesetz und der damit zusammenhängenden Verfassungsbeschwerde, die zurückgewiesen wurde, und fragt nach, ob es noch immer Einschränkungen gibt bzw. kann das Land Berlin/der Bezirk auf Tariftreue bestehen oder muss der günstigere Anbieter genommen werden.

 

Herr Bergant führt aus, dass das Vergaberecht vom Verfassungsgericht als verfassungskonform angesehen wurde.

 

 

Frau Matischok-Yesilcimen bedankt sich bei Herrn Kolenberger und Herrn Bergant für die Ausführungen.


 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Sitzungsteilnehmer Auszug Realisierung
   Anwesenheit Kleine Anfragen