Auszug - Verdrängung geschützter Tiere in Berlin-Mitte - Wann hört das auf?  

 
 
25. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin (mit LIVE-STREAMING)
TOP: Ö 9.6
Gremium: BVV Mitte von Berlin Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 21.02.2019 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 21:05 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: BVV-Saal
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
1703/V Verdrängung geschützter Tiere in Berlin-Mitte - Wann hört das auf?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der AfDFraktion der AfD
Verfasser:Paetz, Torno 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Wortprotokoll

Vorwort: Im Haus der Statistik nisten jedes Jahr im Frühjahr und im Sommer Turmfalken und andere kleine Raubvögel. In der Parkanlage zwischen Berolinastrasse 11, dem Bezirks-Rathaus, Berolinastrasse 14 und der Karl-Marx-Allee 25 nisten Nachtigallen und auch Fledermäuse.

 

  1. Ist dem Bezirksamt bekannt, dass sich an den im Vorwort erwähnten Stellen und Plätzen geschützte Tierarten ihren Lebensraum haben?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Paetz. Ja, das ist dem Bezirksamt sehr wohl bekannt, dass in den genannten Bereichen geschützte Tierarten vorkommen, so zum Beispiel Fledermäuse und Vögel von denen alle Arten, mit Ausnahme der Straßentaube, den Bestimmungen des besonderen Artschutzes unterliegen. Um das gleich zu beantworten, für unsere Taubenfreunde, auch die sind geschützt, weil sie Wildtiere sind, aber es gibt eine Abgrenzung zwischen allgemeinen Schutz und besonderen Schutz. Besonders geschützt sind sie nicht, da ist die Fledermaus dann doch vorne.

 

  1. Warum stellt das Bezirksamt die Belange verschiedener und seltener Tierarten nicht an die erste Stelle?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Grundsätzlich ist jedes Verwaltungshandeln auch ein Handeln mit Abwägungen unterschiedlicher Belange. Das muss so sein. Dafür sind wir auch da, diese Interessen aufzunehmen, sie sozusagen auf die gesetzlichen Grundlagen zu projizieren und auszuhandeln. Das gilt zum Beispiel auch für die Belange des Denkmalschutzes, des Klimaschutzes, den Interessen am Wohnungsneubau, aber auch an der Vorsorge von Erholungsstätten oder den vielen sozialen und kulturellen Belangen, die sich auch immer wieder an solchen Orten festmachen. es ist auch so, dass Bauherrinnen und Bauherren daran gehalten sind, besonderen und allgemeinen Artenschutz zu berücksichtigen. Dazu sind sie verpflichtet. Das Bezirksamt agiert im Rahmen seiner Aufgabenbereiche auf den Artenschutzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetztes sowie auf der Verordnung über Ausnahmen von Schutzvorschriften für besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten.

 

  1. Weshalb stellt das Bezirksamt die geplanten Umbauten im Haus der Statistik nicht ein?

 

BzStaRin Weißler antwortet: r das Haus der Statistik wird laut Bebauungsplan 1-105 vom Bezirksamt aufgestellt. In diesem Verfahren wird auch die Vereinbarkeit der geplanten Vorhaben mit den naturschutzrechtlichen Bestimmungen geprüft. Gegenwärtig gibt es aber keinen Grund für die Annahme, dass diese Vereinbarkeit nicht gegeben ist bzw. nicht erreicht werden kann. Insofern gibt es für das Bezirksamt momentan keinen Grund von den geplanten Umbauten der geplanten Entwicklungen Abstand zu nehmen.

 

  1. Inwieweit prüft der Bezirk bei der Abholzung und Rodung von Bäumen bzw. Büschen ob hierbei (geschützte) Tiere das Nachsehen haben (bei Vorhandensein von Brut- und Nistplätzen in vorhandenen Bäumen)?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Das Bezirksamt setzt die Vorgaben auch hier des Arten- und Naturschutzrechtes natürlich um, auch im Zusammenhang mit Baum- und Gehölzrodung. Bei der Beseitigung von Vegetation, dem Fällen von Bäumen, ist es Pflicht der Bauherren oder Grundstückseigentümer*innen die Artenschutzbelange zu berücksichtigen und das Vorhandensein geschützter Tiere, ihre Fortpflanzung und Ruhestätten sachkundig überprüfen zu lassen und gegebenenfalls in einem gesonderten Verfahren eine artenschutzrechtliche Genehmigung zu beantragen. Sie erinnern sich vielleicht noch an unsere Spatzen in der Wilhelmstraße. Da haben wir das, wie ich glaube, ziemlich machtvoll durchgesetzt und der Bau bzw. der Abriss musste verschoben werden, bis die Spatzen zu Ende gebrütet hatten.

 

  1. Ist dem Bezirksamt bekannt, dass durch den Umbau der Karl-Marx-Allee Tierarten verdrängt und gestört werden?

 

  1. In welchem Umfang geht das Bezirksamt den Hinweisen von Bürgern nach, die die Verdrängung von geschützter Tierarten beobachten und feststellen?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Tatsächlich ist uns das nicht bekannt. Dem Bezirksamt liegen zu diesem konkreten Ort keine Erkenntnisse vor. Die bisher sechsspurig ausgebaute vielbefahrene Straße, die wir alle kennen und lieben, stellt im Moment auch keinen wertvollen Tierlebensraum oder ein schützenswertes Biotop dar. Andere Erkenntnisse oder andere Hinweise nehmen wir immer gerne entgegen. Wenn sie die haben, dann melden Sie das. Wir gehen dem grundsätzlich nach. Wir können auch nicht alles erfassen und sind auf die Hinweise von Bürger*innen über die Gefährdung von besonders geschützten Tierarten angewiesen. Dann wird auch immer umfassend geprüft. Das war auch schon die Antwort zu Ihrer sechsten Frage. Da nur die Lebensstätten geschützter Tiere geschützt werden können, die bekannt sind, sind wir eben auf derartige Hinweise besonders angewiesen.

 

  1. Teilt das Bezirksamt die Auffassung, dass der Schutz der Tiere in Berlin-Mitte Vorrang hat?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Ich komme da nochmal auf den Punkt zur Abwägung besonderer und verschiedener Interessen zu sprechen. In einem so dicht besiedelten Innenstadtbezirk wie Berlin Mitte steht der Natur- und Artenschutz in einem ständigen Spannungsfeld vielfältiger Zielsetzungen, Konkurrenzen, Nutzungsansprüchen, Wiederschaffung von Wohnraum, dem Bau neuer Schulen und Kindertagesstätten, dem Denkmalschutz, der Bereitstellung von Sport- und Grünflächen sowie natürlich auch Gesundheits- und Kultureinrichtungen. Das was wir auch hier immer wieder besprechen, die Fläche ist eben nur einmal da. Das Bezirksamt ist allerdings der Ansicht, dass für die Förderung der wildlebenden Tiere die Erhaltung und die entsprechende Entwicklung von Lebensräumen für diese Tiere von grundsätzlicher Bedeutung sind. Darum sind wir bemüht, die dauerhafte Sicherung von öffentlichen und privaten Grün- und Erholungsflächen, von Parkanlagen, Kleingärten, Straßenbegleitgrün, das wird unterschätzt, Brachen und Friedhöfen zu fördern. Die Brachen und das Straßenbegleitgrün, das sieht nicht immer so ordentlich aus, das ist aber zum Beispiel für die Nahrungsfindung vongeln ganz besonders wichtig. Auch andere Freiflächen, die vielleicht nicht im Quadrat oder im Rechteck gepflanzt sind, sindr das Überleben vieler wilder Tierarten durchaus sehr notwendig und werden von uns auch entsprechend betrachtet. Urbane Freiflächen dienen eben nicht nur der notwendigen Erholung, sondern sie dienen eben auch der Biodiversität. Vom Bezirk Mitte werden zudem vielfältige Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung wildlebender Tiere und Pflanzen in der Stadt durchgeführt. Unter anderem im Rahmen der Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt oder der Berliner Bienenstrategie. Wir untersuchen zurzeit drei Probeflächen, die wir besonders anlegen, als bienenfreundliche Flächen. Das ist einmal eine Fläche am Geschichtspark Moabit, der ist relativ eingefasst und geschützt. Dann der Mittelstreifen Altonaer Straße, für Bienen ist es kein Problem, wenn da rechts und links der Verkehr tost, aber es ist für sie ein Problem, wenn das Gras immer auf einen Zentimeter abgesäbelt wird. Das brauchen die nämlich anders. Im Spreebogenpark, in den Staudenpflanzungen, werden wir besondere Blumen und Pflanzen aussähen, um zu testen, inwieweit das angenommen wird, also den Wildbienen etwas Gutes tun.

 

  1. Wo und wie viele Naturschutzgebiete gibt es in Berlin-Mitte?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Das kann man auf dem allgemein zugänglichen Webportal des Landes Berlin übrigens entnehmen. Es gibt im Bezirk Mitte tatsächlich keine Naturschutzgebiete. Es gibt aber zwei Landschaftsschutzgebiete, nämlich den Volkspark Rehberge und einen kleineren Anteil am Landschaftsschutzgebiet Ehemaliger Mauerstreifen. Das sind alles verschiedene Klassifikationen, das können sie dort nachlesen. Dann gibt es in Mitte etwas ganz einmaliges, nämlich die Düne Wedding. Sie ist ein flächenhaftes Naturdenkmal und ist über viele Jahre mit sehr viel Sachverstand rekonstruiert worden. Wenn Sie mal in der Seestraße die Gelegenheit haben ins SUZ zu gehen, dann tun Sie das, diese Düne ist wirklich sehr beeindruckend.

 

  1. Wenn das Bezirksamt das Vorhandensein der im Vorwort erwähnten Tierarten bestätigt, dürfte unstreitig sein, dass wissentlich die Zerstörung der Biotope in Kauf genommen wird. Weshalb hat das Bezirksamt einen möglichen Baustopp noch nicht in Erwägung gezogen?

 

BzStaRin Weißler antwortet: Ich nehme an, da geht es wieder zurück zum Haus der Statistik. Es hat bisher überhaupt keine Anhaltspunkte gegeben, dass ich bei den oben genannten Vorhaben eben die gesetzlichen Vorhaben und Bestimmungen des Naturschutzes durch die Bauherren nicht eingehalten werden. Zumal die Baumaßnahmen am Haus der Statistik und für den Neubau an der Berolinastraße noch überhaupt nicht begonnen haben. Von Seite des Bezirksamtes bestand daher bisher keine Veranlassung und auch überhaupt keine Möglichkeit einen Baustopp umzusetzen. Gestern wurde vom Umwelt- und Naturschutzamt auf dem Weg zu einem anderen Ortstermin festgestellt, dass aktuell am Haus der Statistik mutmaßlich Fenster verhängt bzw. verschlossen wurden. Es ist anzunehmen, dass das Gebäude als Riesenhöhle von Vögeln und Fledermäusen genutzt wird. Deswegen haben wir heute mit der BIM gesprochen und die hat sofort einen Ornithologen bestellt, der jetzt untersucht, ob sich in der Zwischenzeit in diesem Korpus Arten niedergelassen haben. Wenn dem so ist, dann werden wir auch mit dem notwendigen Instrumentarium darauf reagieren und überlegen was wir tun, um die Tiere zu schützen.

 

 

 

 
 

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