Auszug - Bericht der drei Schuldnerberatungen in Mitte (Caritas, AWO und Deutscher Familienverband) über ihre Arbeit, Entwicklung der Überschuldungssituation im Bezirk und der damit verbundene Beratungsbedarf, Finanzierung der Schuldnerberatung und Verbesserungsbedarf dort aus Sicht der Schuldnerberatungen  

 
 
8. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit
TOP: Ö 6.1
Gremium: Soziales und Gesundheit Beschlussart: erledigt
Datum: Di, 13.06.2017 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 20:00 Anlass: ordentlichen Sitzung
Raum: Sitzungsraum 121
Ort: Karl-Marx-Allee 31, 10178 Berlin
 
Wortprotokoll

Im Vorfeld verteilt der Vorsitzende, Herr Lötzer, Unterlagen von Herrn Wahrmann (Schuldnerberatung). Herr Wahrmann stellt sich anschließend vor.

In einem Kurzbericht werden die wichtigsten Zahlen der Schuldner- und Insolvenzberatung des Bezirks Mitte vorgestellt. Nachzulesen in untenstehenden Anlagen

 

 

                         

 

 

                   

 

 

Frau BV Stein (Grüne) dankt für die Informationen und fragt nach, ob es auch Nachmittagszeiten gebe? Des Weiteren fragt sie nach, ob es Möglichkeiten gebe, aus eigenem Antrieb die Schuldner- und Insolvenzberatung aufzusuchen und wie können Jugendliche herausfinden, dass es eine Schuldner- und Insolvenzberatung gibt? Frau Ochs teilt mit, dass im Eingang in der Jugendberufsagentur ein Plakat aufgehängt wurde, auf dem darauf hingewiesen werde, dass sich die Schuldnerberatung im Hause befinde. Auch wurden den Mitarbeitern/-innen Flyer in der Jugendberufsagentur übergeben. Man sei darauf angewiesen, dass sie weitergegeben werden. Leider können die Mitarbeiter/-innen der Schuldner- und Insolvenzberatung nicht in die Jugendprojekte, in die Ausbildungsprojekte, in die Schulen mit den Projekten zu diesem Thema hineingehen, weil das seit ca. 10 Jahren nicht mehr finanziert werde. Dafür benötige man eine völlig eigenständige zusätzliche Finanzierung, wie es sie z.B. in München, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gebe.

 

Herr BzStR Gothe dankt im Namen des Bezirksamtes Mitte für die geleistete Arbeit. Es sei unstrittig, dass so eine Arbeit benötigt werde. Auch benötige man Leistungen, um Menschen, die in die Schuldenfalle geraten, dort wieder hinaus zu bekommen. Ihm sei bekannt, dass das Thema Unterfinanzierung ein Dauerthema sei. Die Zahl der Fälle steige. Die Zuwendungen stagnieren. Die Mietkosten steigen. Die Gehälter steigen. Das bedeute, dass die Beratungsleistungen eingeschränkt werden müssen, wenn Personal abgebaut werde. In seinem Amt sei überlegt worden, ob eine Neuausschreibung helfen könnte. Dabei lasse man offen, ob 3 Organisationen zum Zuge kommen, 2 oder nur eine, und erhoffe sich, durch diese Ausschreibung eine Neuformatierung der Schuldnerberatung, durch die Klienten, die solche Probleme haben, in einer anderen Art und Weise beraten würden. Er sei skeptisch, ob das ein guter Weg sei. Er befürchte, sollte man das System austauschen und wechseln, um neue Akteure zum Zuge kommen zu lassen, dass damit einhergehen könnte, dass die informellen Strukturen wegbrechen und dass damit ein Verlust entstehe, der im Laufe von vielen Jahren nicht aufgeholt werden könne. Es wurde in der Vergangenheit angeregt, ob ein Verbund gebildet werden könnte, der es erlaube, dass die Verwaltungskosten (bestehen 3 Mal) reduziert werden könnten. Durch einen freiwilligen Verbund könnte man vielleicht die Nebenkosten eindämmen und den Leistungsumfang aufrechterhalten. Er fragt nach, ob es möglich wäre, dass die 3 Beratungsstellen durch eigene Auffindung von Synergien und mit dem gleichen Sockelbetrag auskommen könnten?

 

Herr Wahrmann teilt mit, dass diese Überlegung schon in der letzten Wahlperiode mit dem damaligen BzStR von Dassel lange und ausführlich diskutiert wurde. Die Mietverträge seien bei den 3 Beratungsstellen sehr unterschiedlich. Kosten seien hier schon eingespart. Benötige man eine neue Beratungsstelle, würden neue Räume benötigt. Auf dem neuen Mietmarkt seien die Kosten dafür inzwischen deutlich höher. Die Verbraucherzentrale hatte letztes Jahr per Ausschreibung die Stelle verloren. Sie mussten 3 Monate lang abwickeln. Sie hatten ein Defizit von 20,00 € pro Kontakt erwirtschaftet. Würde man das auf den Bezirk Mitte umlegen, hätte man über 200.000 € Verlust. Er begründet anschließend, warum Mitte angeblich so teuer sei. Das liege an den wenigen noch nach Tarif beschäftigten älteren Mitarbeiter/-innen. Ein neuer Träger könne anfangs scheinbar billiger wirtschaften, wenn er mit ganz jungem und damit billigerem Personal anfange. In einigen Jahren hätte der neue Träger dann aber auch das alte Problem. Abschließend bemerkt Herr Wahrmann, wenn man zentral organisieren würde, würde eine Menge an Kontakten verloren gehen.

 

Der Vorsitzende, Herr Lötzer, dankt für die Ausführungen und schließt sich den Anmerkungen von Herrn BzStR Gothe an, dass nicht nur das Bezirksamt, sondern auch der Ausschuss die Schuldner- und Insolvenzberatung für ihre verdienstvolle Arbeit sehr schätze.

Er stellte fest, dass aktuell nur etwa 1/6 der überschuldeten Personen im Bezirk erreicht werden. Er wisse von einem Schreiben der Liga an den Finanzsenator, in dem dieser informiert worden sei, dass die Schuldnerberatungen suboptimal finanziert seien und um eine Verbesserung werben. Herr Lötzer fragt nach, ob dazu von der Landesebene Signale empfangen wurden? Des Weiteren beziehe er sich darauf, dass es eine Gehaltsdifferenz zwischen der Vergütung der Beschäftigten bei der Schuldnerberatung in Mitte und der vergleichbarer Beschäftigten im Öffentlichen Dienst gebe. Er fragt nach, wie groß der Gehaltsunterschied sei? Herr Wahrmann kann die letzte Frage nicht beantworten. Der Senat habe beschlossen, ca. 17 Mio. € in die Zuwendungsbereiche für die Bezirke zur Verfügung zu stellen. Es wurde ein entsprechender Antrag an das Bezirksamt Mitte gestellt, um die Differenz zwischen 2016 und 2017 (ca. 4.500) aus zu gleichen. ½ Stelle werde aus eigenen Mittel bezahlt. Frau Ochs teilt mit, dass die Gehälter auf dem Stand von 2002 eingefroren seien.

 

Herr BV Kurt (Grüne) dankt für die Ausführungen und fragt nach,

  • ob man das so organisierten könne, dass mehr Klienten/-innen beraten werden?
  • wie man mit nicht wahrgenommenen Terminen umgehe?
  • ob es möglich sei, dass Termine vom Jobcenter bezahlt werden?
  • wie sich Eigenmittel und die KLR auswirken?
  • wie sei der Anteil derer, die nur vom Jobcenter leben bzw. derer, die noch einen Job haben und in die Überschuldung geraten?

Herr Marien teilt mit, da das Bezirksamt Mitte im Jobcenter kein eigenes Beratungsangebot habe, könne er nicht antworten.

 

Herr BV Hauptenbuchner (SPD) meint, da die Schuldnerberatung im SGB II und im SGB IX verankert sei, müsse sie vom Jobcenter finanziert werden. Er hofft, dass durch das Land Berlin ein Weg geebnet werde, um für diese Finanzierungsfragen mehr Klarheit zu schaffen.

Frau Ochs teilt mit, dass es sich beim SGB II um Bezirksamtsaufgaben handele. In den anderen Bundesländern laufe die Finanzierung anders. Dort werden die Aufgaben gesondert nach SGB II, SGB IX, Selbstzahler/-innen, Insolvenzberatung finanziert. Man sei dort mit der Hälfte der Arbeitszeit damit beschäftigt, die Abrechnung fertig zu stellen. Berlin habe dieses Abrechnungssystem nicht, weil es einen hohen Verwaltungsaufwand darstelle. Man habe Vertrauen zu den Mitarbeitern/-innen, die ihre Arbeit verrichten. Frau Ochs sei froh darüber, dass Berlin eine Gesamtfinanzierung habe. Herr Wahrmann teilt mit, dass es mit Schuldnerberatungen aus anderen Bundesländern Gespräche gab. Man musste feststellen, dass es ganz unterschiedliche Finanzierungen und Beratungsarten gebe. Welches die beste sei, sei bis heute umstritten.

 

Frau BV Schrader (DIE LINKE) meint, es sei ein ureigenes Interesse von allen, eine Überschuldung gar nicht erst entstehen zu lassen, sondern präventiv zu verhindern. Sie fragt nach, ob eine solche Schuldnerprävention in der KLR abgebildet werde? Frau Ochs teilt mit, dass die solche Finanzierung präventiver Arbeit nicht über die KLR finanziert werde. Dazu bedürfe es anderer Finanzierungsformen.

 

Herr BzStR Gothe sagt zu, dieses Thema in der nächsten Sozialstadträtesitzung auf die Tagesordnung zu setzen, auch das Thema der Vergütung von Leistungen, die vom Jobcenter oder der Jugendberufsagentur gewünscht werden.

 
 

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