Drucksache - DS/1480/VIII
Die Bezirksverordnetenversammlung hat beschlossen:
Das Bezirksamt wird ersucht:
Das Bezirksamt bittet die Bezirksverordnetenversammlung, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
Zu 1.) Aufbauend auf den Grundstrukturen der ehemaligen Berliner Unterbringungsleitstelle (BUL) werden derzeit im Rahmen des Projektes zur Umsetzung der gesamtstädtischen Steuerung (GStU) Strukturen geschaffen, um eine gesamtstädtische Kapazitätsplanung sowie eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Unterbringung gewährleisten zu können. Zentrales Ziel ist die Gewährleistung einer bedarfsgerechten und qualitätsgesicherten Unterbringung für alle von Wohnungslosigkeit bedrohten oder betroffenen Personen, die unterzubringen sind, unabhängig von ihren staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen. Das beinhaltet auch die Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote, z. B. längerfristige Versorgungsbedarfe (Beheimatung), rollstuhlgerechte Unterbringung, Angebote für Frauen, für Familien mit Kindern, für LSBTIQ-Menschen. Mit der Umsetzung der gesamtstädtischen Belegungssteuerung wird denjenigen Stellen, die unterzubringende Menschen direkt betreuen, ermöglicht, ihre Arbeit stärker auf deren individuelle Betreuung auszurichten. Die Leitung des Projektes zur Umsetzung der gesamtstädtischen Steuerung der Unterbringung (GStU) obliegt der SenIAS. Die Fachstelle Soziale Wohnhilfe des Amtes für Soziales Lichtenberg ist am Projekt zur Umsetzung der gesamtstädtischen Steuerung (GStU) beteiligt.
Mit der Forderung nach einer stärkeren und bedarfsgerechteren Profilierung und Wahrnehmung dieser gesamtstädtischen Steuerungsrolle des Senats hat sich das Bezirksamt – der Intention der Drucksache folgend – mit einem entsprechenden Schreiben vom 20.01.2020 an die Senatorin für Arbeit, Integration und Soziales gewandt (s. Anlage). In diesem wird nochmals auf die Notwendigkeit verwiesen, das drängende und facettenreiche Problem der Obdach- und Wohnungslosigkeit über das bestehende Regel-Hilfesystem und die entsprechenden Zuständigkeitsfragen hinaus für die gesamte Stadt offensiv und innovativ anzugehen.
Zu 2.) Der Berliner Senat hat am 3. September 2019 die neuen „Leitlinien der Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik“ beschlossen. Sie sind in einem ressortübergreifenden Partizipationsprozess entwickelt worden und geben allen Akteuren in unserer Stadt Handlungsanleitung zur Prävention gegen Wohnungslosigkeit und zum Ausbau des Hilfesystems. Neben der Fokussierung auf die Prävention gegen Wohnungslosigkeit liegt der Schwerpunkt der Leitlinien auf den Maßnahmen zur ihrer Bekämpfung. Sie reichen von der Umsetzung eines bezirksübergreifenden Fachstellenkonzeptes der Sozialen Wohnhilfen über die Gewährleistung einer bedarfsgerechten und qualitätsgesicherten Unterbringung im Rahmen einer gesamtstädtischen Steuerung bis hin zum Ausbau der bestehenden niedrigschwelligen Hilfen und Notunterkünfte. Berlin hält ein seit Jahren stetig weiterentwickeltes differenziertes Wohnungsnotfallhilfesystem bereit, das niedrigschwellig erreichbare Aufenthalts- und Beratungsmöglichkeiten, Übernachtungsstätten, ambulante Hilfen, kommunale Fachstellen für Wohnungsnotfälle, Wohnprojekte besonderer Art, (teil)stationäre Einrichtungen etc. umfasst. Die gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozesse, sei es in rechtlicher Hinsicht, sei es in Folge von EU-Zuwanderung oder der steigenden Zahl anerkannter oder geduldeter Geflüchteter, insbesondere im Zusammenhang mit Armut oder an sichtbaren Schnittstellen unterschiedlicher Sozialleistungssysteme zwischen Sozialgesetzbuch (SGB) II, SGB V, SGB VIII, SGB XI, SGB XII und AsylbLG erforderten eine Fortschreibung der ursprünglichen Leitlinien.
Das Amt für Soziales Lichtenberg fördert im Rahmen der Berliner Kältehilfe über Zuwendungen das Projekt „Notübernachtung im Rahmen der Kältehilfe“ des Trägers „Merkur e.V. Berlin für soziale Arbeit“. Der Träger stellt in der Kältehilfeperiode täglich 15 Schlafplätze als Notübernachtung (geöffnet von 17:00 Uhr abends bis 8:00 Uhr morgens) zur Verfügung. Eine Notübernachtung beinhaltet einen Imbiss am Abend und ein kleines Frühstück. Warme Getränke werden durchgehend angeboten und Duschen ist ebenfalls möglich. Bei extremen Witterungsbedingungen können die Kapazitäten an Unterbringungsplätzen durch den Träger erhöht werden.
Folgend die aktuelle Auslastung des Lichtenberger Kältehilfeprojektes 2019:
Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sind aufgrund der Verknüpfung unterschiedlicher Ursachen mit einer Wohnungsnotfallproblematik konfrontiert. Für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit und einer kürzeren und/oder undokumentierten Aufenthaltsdauer in Berlin wiegen diese Ursachen jedoch schwerer, da der Zugang zur Sozialhilfe rechtlich nur unter bestimmten Voraussetzungen besteht. Eine besondere Situation besteht dabei für Menschen, die als EU-Bürger*innen ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU wahrnehmen. Ihr Zugang zu existenzsichernden Leistungen wird im Wesentlichen vom Arbeitnehmerstatus abgeleitet. Sind sie arbeitssuchend oder von prekären Arbeitsverhältnissen oder Arbeitsausbeutung betroffen, begründet dies häufig keinen Arbeitnehmerstatus und sie bleiben infolgedessen ohne sozialrechtliche Leistungsansprüche. Dies betrifft insbesondere Unionsbürger*innen aus Mitgliedsstaaten, die nicht Teil des Europäischen Fürsorgeabkommens sind.
Insbesondere wenn für EU-Bürger*innen sozialrechtliche Ansprüche noch nicht geklärt sind, besteht grundsätzlich ein im Gefahrenabwehrrecht begründeter Anspruch auf Bereitstellung einer Unterkunft, wenn die Betroffenen unfreiwillig obdachlos sind und nicht über Möglichkeiten verfügen, sich selbst aus dieser unerwünschten Lage zu befreien. Diese Verpflichtung gilt mindestens solange, bis die sozialhilferechtlichen Ansprüche geklärt sind oder Verwaltungsgerichte im Einzelfall eine konkrete Unterbringungsdauer anordnen. Die Entscheidung der Behörde auf Versagen einer Unterbringung hat auf Grundlage einer dezidierten Prüfung des Einzelfalls zu erfolgen. Zudem wird die freiwillige Rückkehr obdachloser Unionsbürger*innen in ihre jeweiligen Herkunftsländer bereits seit Jahren durch eine Rückkehr- und Weiterwanderungsberatung unterstützt. Somit bleibt oft nur die Versorgung durch die niederschwellige Wohnungslosenhilfe. Dort liegt der Fokus neben Versorgung zum Teil auch auf Beratung und Vermittlungsleistungen.
Im Rahmen der Kältehilfe wurde am 30.01.2020 das von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales vorgeschlagene Gebäude der ehemaligen NUK Köpenicker Allee geöffnet. Das Angebot wurde zwar ursprünglich im Zusammenhang mit der Unterkunft für obdachlose Menschen in der Rummelsburger Bucht ins Leben gerufen, da sich dort zwischenzeitlich jedoch nur noch eine kleinere Gruppe an Personen auf dem Gelände befand, wurde es auch für wohnungslose Personen auf dem Vorplatz des Bahnhofs Lichtenberg geöffnet.
Der Träger Tentaja hat in Kooperation mit Karuna e.G. und anderen Kooperationspartnern die obdachlosen Menschen in das neue Unterkunftsangebot begleitet. Die Unterkunft wird als modifiziertes Kältehilfeangebot mit einer Tagesöffnung befristet bis zum Ende der Kältehilfeperiode zur Verfügung gestellt. Vor Ort finden Verweisberatungen in Angebote der Regelsysteme in Kooperation mit weiteren in der Straßenarbeit tätigen Akteuren statt. Die Besonderheit des Angebotes besteht darin, dass zusätzlich zur Notübernachtung auch ein Tagesangebot gemacht wird.
Da dies ist jedoch über die regulären Leistungen des Produktes „VT-Berliner Kältehilfe“ nicht abgedeckt ist, besteht derzeit zwischen 13 und 18 Uhr kein Betreuungsangebot in der Unterkunft und die Unterkunft wird geschlossen. Vorerst werden 30 Plätze für die Personen vom Bahnhofsvorplatz und der Rummelsburger Bucht angeboten. Eine Aufstockung ist in Absprache möglich. Die Einrichtung wird von Tentaja Soziale gGmbH geführt.
Zu 3. und 4.)
Zur Verbesserung der Situation hat der Bezirk seit dem ersten Oktober das Projekt „Platzmanagement am Bahnhof Lichtenberg“ beauftragt. Das Projekt ist bis einschließlich 2021 gefördert und wird von der OE Sozialraumorientierte Planungskoordination fachlich begleitet und koordiniert. Der Humanistische Verband Deutschlands Berlin-Brandenburg (HVD) setzt das Projekt um, er hat langjährige Erfahrung in der sozialen Arbeit mit unterschiedlichen Arbeitsfeldern und betreibt einen Tagestreff für Obdachlose und Bedürftige direkt gegenüber des Bahnhofs Lichtenberg in der Weitlingstraße 11.
Der Platzmanager ist Ansprechpartner für Platznutzer*innen, Anwohner*innen, Gewerbetreibende, Ordnungsamt, Polizei, Bahn etc. In der Zeit seit Projektbeginn hat er persönliche Kontakte mit den Obdachlosen auf dem Bahnhofsvorplatz aufgenommen und vielfältige Beziehungen ins Bahnhofsumfeld, zu Trägern und verschiedenen Akteur*innen aufgebaut. Des Weiteren gibt es regelmäßigen Austausch mit den Personen im vorderen Bereich des Bahnhofsvorplatzes, die der sog. „Trinker-Szene“ zugeordnet werden, selbst aber überwiegend nicht ohne Obdach sind. Der Platzmanager bemüht sich um die Weitervermittlung von Obdachlosen an weitere Projekte, wie das Wohnhilfeprojekt „Neustart“ und an die Sozialberatung des Tagestreffs in der Weitlingstraße. Auch gibt er Informationen über die Angebote der Kältehilfe in Berlin aus. Darüber hinaus gibt es regelmäßigen Austausch mit aktiven Ehrenamtlichen, Mitarbeiter*innen von Sicherheitsdienst der Bahn, WISAG, Ordnungsamt, Polizei, Familienzentrum des DRK, Robinson-Schule und Bewohner*innen. Vorhandene Netzwerkstrukturen des Stadtteils und ein kürzlich etabliertes Treffen von Gewerbetreibenden wurden dafür genutzt, um Einschätzungen einzuholen und neue Kontakte zu gewinnen. Bei diesen Gesprächen wurden Bedarfe ermittelt und Konfliktpotenziale identifiziert. Wichtige und überwiegend erfolgreiche Handlungsansätze waren unter anderem die Nutzung der Sanitäranlagen, Aktionen gegen die Vermüllung des Bahnhofsvorplatzes, eine Steigerung des Sicherheitsgefühls in der Umgebung sowie eine Reduktion der Lärmbelästigung.
Um langfristig für eine Verbesserung der Situation auf dem Bahnhofsvorplatz und einer positiven Besetzung der Flächen zu sorgen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen:
Auf Initiative der Evangelisch-Freikirchlichen-Gemeinde in Lichtenberg fand mit Förderung und Unterstützung des Bezirksamtes, des HvD sowie weiterer Akteure am 14.12.2019 am Bahnhofsvorplatz ein Weihnachtsmarkt statt. Einrichtungen und Gewerbetreibende des Weitlingkiezes nahmen ebenfalls teil. Es wurde an einer großen Kaffeetafel das nachbarschaftliche Miteinander mit einem Kulturprogramm lebendig -ohne Alkohol- gefeiert, alle Interessierten konnten auf diesem Markt Produkte und Angebote vorstellen.
Am 28.11.2019 verständigte sich eine verwaltungsinterne Runde über die Möglichkeiten, ab dem Frühjahr 2020 einen Wochenmarkt auf dem Bahnhofsvorplatz zu installieren. Die Idee gehört zu ersten Überlegungen einer möglichen qualitativen Aufwertung des Bahnhofsvorplatzes.
Im ersten Quartal 2020 wird eine Runde mit den wichtigsten Akteuren – dem Platzmanager, der OE SPK-Gebietskoordination, der Stadtteilkoordination, dem Ordnungsamt, der Polizei, der Evangelisch-Freikirchliche-Gemeinde, dem DRK und bei Bedarf mit der BVG und der Bahn sowie weiteren Akteuren - auf Quartiersebene eingerichtet. In dieser Runde sollen regelmäßig Informationen ausgetauscht, gemeinsame Projekte entwickelt und gemeinsames Vorgehen abgestimmt werden.
Das Platzmanagement-Projekt wird noch in diesem Jahr einen Flyer erstellen, um die Öffentlichkeit und dabei insbesondere Anwohner*innen über die Arbeit des Platzmanagers und die Kontaktmöglichkeiten zu informieren.
Mit Beginn der Projektplanung für das Platzmanagement wurde auf die Notwendigkeit eines komplementären Einsatzes von Straßensozialarbeit am Bahnhof und anderen relevanten Stellen des Bezirks für die niedrigschwellige Einzelansprache der Betroffenen verwiesen. Hier plant SenIAS nach Kenntnis des Bezirksamtes gegenwärtig die zusätzliche Finanzierung eines entsprechenden Angebotes ab 2020.
Zu 5.) Im Rat der Bürgermeister erläuterte Staatssekretär Fischer auf Bitten des Bezirksamtes Lichtenberg die Vorgehensweise zur Erarbeitung eines Konzeptes für Safe Places. Hauptziel der Einrichtung solcher Rückzugsorte sei die Minderung der Belastung des öffentlichen Raumes. Safe Places seien dabei keine Alternative zur Vermittlung von Wohnungen oder ordnungsbehördliche Maßnahmen. Mit Safe Places sollen unkomplizierte Eingänge ins Hilfesystem ermöglicht werden. Die wichtigsten Kooperationspartner seien die Stadtmission und Karuna e.V. Es habe sich als sinnvoll erwiesen, Safe Places in der Nähe von niedrigschwelligen Einrichtungen zu schaffen. Im nächsten Doppelhaushalt seien Mittel für ein Modellprojekt bereitgestellt worden.
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