Drucksache - DS/0492/V  

 
 
Betreff: Hygienische Zustände am Ringcenter Friedrichshain
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDPFDP
Verfasser:Heihsel, MarleneHeihsel, Marlene
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
11.10.2017 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Wir fragen das Bezirksamt:

  1. Ist dem Bezirksamt bekannt, dass unter der S-Bahnbrücke zwischen den beiden Ringcenter-Gebäuden (Ringcenter 1 und 2) möglicherweise aufgrund eines Camps von obdachlosen Menschen kritische hygienischen Zustände herrschen?

 

  1. Wer ist für diesen Gehsteigabschnitt der Frankfurter Allee zuständig (Deutsche Bahn, Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, Bezirk Lichtenberg, Stadt Berlin, …)?

 

  1. Welche Konzepte liegen im Bezirksamt allgemein bezüglich der Bekämpfung von Lagerbildung aufgrund von Obdachlosigkeit in Zusammenhang mit kritischen hygienischen Zuständen und Drogenkriminalität vor?

 

Beantwortung: BezStR Herr Hehmke

 

zu Frage 1: Ja, es ist bekannt, dass in dem in Rede stehenden Bereich campiert wird. Das ist schon seit längerem der Fall, nicht erst seit Beginn dieser Wahlperiode. Schon in den letzten Jahren gab es da häufiger Menschen, die sich dort aufhielten.

Das Gesundheitsamt hat auf unsere Nachfrage mitgeteilt, dass aktuell keine Meldungen zu einem Rattenbefall bzw. zu kritischen hygienischen Zuständen im Bereich der S-Bahnbrücke zwischen den beiden Ringcentergebäuden vorliegen. Generell ist aber davon auszugehen, dass solche Camps problematische Zustände im Hinblick auf die hygienischen Verhältnisse entwickeln können.

 

zu Frage 2:r diesen betreffenden Bereich ist in der Tat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zusndig.

 

zu Frage 3: Das Bezirksamt hat sich in seiner Sitzung am 19. September darauf verständigt, dass das Campieren in öffentlichen Grünanlagen und auf öffentlichem Straßenland nicht länger geduldet wird. Dabei wurde vereinbart, dass die Räumung der Camps in der nächsten Zeit nach Dringlichkeit erfolgen soll. Dabei wird es ein zwischen dem Ordnungsamt, dem Straßen- und Grünflächenamt, dem Sozialamt und der Polizei abgestimmtes Vorgehen geben.

Die Bezirksverwaltung kann jedoch nur mit nachhaltigem Erfolg tätig werden, wenn speziell für diesen Zweck Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Da jetzt als eine der Hauptursachen für die zunehmende Zahl von Camps die Armutswanderung identifiziert werden kann und sich diese parallel in vielen Bezirken bemerkbar macht, aktuell haben wir ja die Berichterstattung aus Mitte, muss die Landesebene angesprochen und für das Finden von Lösungen, insbesondere für das Reservieren von Mitteln, sensibilisiert werden.

Der Senat hat sich in seiner Sitzung am gestrigen Tag dazu verständigt und, zunächst beschränkt auf den Bereich des Tiergartens, erste Maßnahmen ergriffen. Ich habe dieses Thema bereits vor einigen Wochen für die Ordnungsamtstadträtesitzung angemeldet. Die nächste Sitzung ist am morgigen Tag. Wir werden uns am 12.10. auf unserer nächsten Zusammenkunft dazu verständigen und bezirksübergreifend nach Lösungen suchen.

Ich sage ganz eindeutig, dass ich der Auffassung bin, aber auch das Bezirksamt, dass es allein mit den Mitteln des Ordnungsamtes nicht möglich ist, diese Problematik effektiv und nachhaltig zu bekämpfen. Wir haben es hier in der Tat mit unterschiedlichen Gruppen von Obdachlosen zu tun, vielfach aber auch mit Obdachlosen, die im Rahmen der Freizügigkeitsregelung innerhalb der EU nach Berlin gekommen sind und sich hier aufhalten.

Nun wollen wir das Freizügigkeitsrecht nicht in Frage stellen. Ich glaube, auch die Einlassung des Kollegen Bürgermeisters aus Mitte sind nicht besonders geeignet, mit Abschiebung zu arbeiten. Ich sage mal, wenn dort sich viele Menschen, und das ist in unserem Bezirk der Fall, aus Polen aufhalten, wie nachhaltig eine Abschiebung wäre sozusagen, mag ich bezweifeln. Die Leute werden sehr schnell wieder da sein.

Nebenbei hat jeder EU-Bürger, jede EU-Bürgerin das Recht, sich voraussetzungslos drei Monate lang in einem anderen EU-Land aufzuhalten. Überhaupt festzustellen, ob jemand bereits drei Monate sich hier aufhält oder nicht, ist eine  Herausforderung, die kann, glaube ich, niemand so annehmen. Deswegen muss es einen Weichplan geben aus präventiven Maßnahmen, aus sozialarbeiterischer Betreuung. Wir haben uns hier des Öfteren über aufsuchende Sozialarbeit unterhalten, insbesondere in Bezug auf den Görlitzer Park und in der Tat auch, wenn es nicht anders geht, als letztes Mittel muss mit restiktiven Mitteln gearbeitet werden, d. h. Platzverweise bzw. Räumung.

Wir haben in unserem Bezirk eine Entwicklung, die geht einher mit den Beobachtungen und den Entwicklung in allen anderen Innenstadtbezirken. Es halten sich vermehrt Gruppen hier auf. Es zelten vermehrt Gruppen, es bilden vermehrt Gruppen, wo sie nicht zelten, werden Lager gebaut, werden Bäume mit Planen überspannt usw.. Wir haben hier mehrere Flächen und ich glaube in der Tat, dass jetzt zunächst akut, und das ist auf Landesebene auch verabredet, das hat die Senatorin Breitenbach auch gesagt, das Kältehilfeangebot in Berlin noch mal gegenüber den letzten Jahren bedeutsam aufgestockt werden muss. Wir sind dort bzw. der Kollege Mildner-Spindler auch im Gespräch, wo in unserem Bezirk hier zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden können. Aber auch alle anderen Bezirke sind dort betroffen. Das ist ein wichtiger Punkt, aber sozusagen die Kältehilfe als temporäres Angebot in der kalten Jahreszeit wird hier nicht helfen, hier brauchen wir andere Möglichkeiten und Zugänge.

Und wir haben eine wesentliche Beschränkung, den EU-Bürgerinnen, EU-Bürgern, die sich hier aufhalten, die haben in der Regel überhaupt keinen Leistungsanspruch. Also das heißt, mit irgendwelchen Dingen zu helfen im Hinblick auf Wohnraumerlangung oder sonstiger Dinge wird es sehr schwer. Dennoch können die Zustände in bestimmten Bereichen nicht geduldet werden. Ich habe das im Frühjahr mal gesagt, als es hier Anfragen in der BVV gab, wir werden nicht jedem Obdachlosen die Matratze wegziehen etwas salopp formuliert. Aber ich glaube dort, wo es Ansammlungen gibt, die dann auch die öffentliche Gesundheit bedrohen, wir haben an einigen Standorten einen massiven Rattenbefall, da muss eingegriffen werden.

Und ich habe hier gesprochen von der Prioritätenliste, dass wir Prioritäten setzen. Das erste Camp, was geräumt wird, wird das Camp an der Helsingforser Straße, also neben dem Berghain sein und das wird ziemlich zeitnah erfolgen. Wir sind hier in intensiver Abstimmung zwischen Ordnungsamt, Straßen- und Grünflächenamt, Sozialamt und der Polizei. Wir werden den Termin nicht öffentlich kommunizieren, aber der wird ziemlich zeitnah stattfinden.

Und die andere Schrittfolge ist dann jeweils sozusagen in Abstimmung mit den beteiligten Behörden, die ich gerade genannt habe, so dass wir hier sagen wir mal diese Zustände so nicht fortsetzen wollen und können.

 

Frau Heihsel: Ich habe noch eine Nachfrage, und zwar ist es möglich, zusätzlich zu den präventiven Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, gibt es für den Ringcenterbetreiber eine Möglichkeit, mit dem Bezirk so eine Art Abkommen zu schließen, dass er berechtigt ist, diesen Abschnitt von Zeit zu Zeit selbstständig zu reinigen, kostenlos? Um zu präzisieren: Natürlich nicht von Menschen, sondern von Dreck und die Menschen werden da auch nicht vertrieben, sondern die dürfen natürlich wieder zurückkommen.

 

zu Nachfrage 1: Das ist ja in der Regel das, was passiert, wenn wir Platzverweise aussprechen. Also wir haben an vielen Orten in den letzten Monaten Platzverweise ausgesprochen und haben diesen Platzverweis zeitlich synchronisiert mit dem Auftrag an die BSR, dort zu reinigen. Es handelt sich hier um öffentliches Straßenland. Deswegen glaube ich nicht, dass hier private Initiativen großes Interesse daran haben, sich an der Säuberung des öffentlichen Straßenlandes zu beteiligen. Das heißt, wir werden sicherstellen müssen, dass dort, wo wir Ansammlungen haben und Platzverweise erteilen, dann eben auch unmittelbar die BSR den Bereich reinigt.

Sollte es sozusagen Interessenbekundungen geben von Seiten Privater, sich an der Reinigung zu beteiligen, unabhängig von Obdachlosigkeit, dann habe ich dafür gern ein offenes Ohr, aber bisher sind bei mir solche Interessenbekundungen noch nicht eingegangen.

 

Herr Amiri: Da Sie die Auffassung Ihres Innensenators oder unseres Innensenators teilen, dass repressive Maßnahmen, egal durch Polizei und Ordnungsamt, nicht viel bringen, würde mich interessieren, was Sie hier im Bezirk konkret sich überlegt haben, wie man damit umgehen kann und ich meine jetzt eben nicht die Zusammenarbeit oder die Hilfe des Senats und ich meine auch nicht, dass Sie sich mit anderen Behörden hier im Bezirk absprechen, sondern was Sie konkret planen? Das würde mich interessieren. Vielen Dank.

 

zu Nachfrage 2: Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich Ihnen sage, dass wir keine detaillierten Planungen dazu haben. Ich habe gesagt, dass es im Vorfeld solchen restriktiven Eingreifens eine sozialpädagogische Ansprache geben sollte und geben muss, die insbesondere beinhaltet die Frage nach einer Unterbringung der Personen.

Ich habe Bezug genommen auf die Kältehilfe. Die Kältehilfeperiode beginnt am 01.11., das ist sozusagen ein ganz wichtiger und zentraler Punkt. Darüber hinaus stellen sich aber auch andere Fragen, wie Fragen der gesundheitlichen Versorgung beispielsweise so. Das ist alles ein Prozess, der jetzt Gott sei Dank auf der Landesebene auch vorangetrieben wird. Ich finde es ein bisschen schade, dass es erst sozusagen dieser Einlassung des Bürgermeisters aus Mitte bedurfte, dass das jetzt an prominenter Stelle diskutiert wird. Aber ich glaube, genau das ist der richtige Weg und wir stehen vor dem großen Problem, dass einfach eine große Zahl dieser betroffenen Menschen hier keinerlei Leistungsanspruch hat.

So, und wenn man keinen Leistungsanspruch hat, dann ist es schwierig für das Hilfssystem, entsprechend wie wir es sonst kennen, anhand einschlägiger sozialen Gesetzbücher und einschlägiger Paragraphen einen Hilfeplan zu erarbeiten. Hier stehen wir vor einer völlig neuen Herausforderung und diese Herausforderung in dieser Art und Weise hatten wir in Berlin in der Vergangenheit nicht und deswegen ist es auch gut, wenn sich sowohl die Bezirke damit befassen als auch der Senat. Das kann jeder nur in seiner Zuständigkeit tun.

Ich bin zuständig für das Ordnungsamt, bin also der Mensch für das Restriktive, aber ich sage gleichwohl, dass dieses Restriktive erstens überhaupt nicht nachhaltig ist - wir haben schon eine ganze Reihe von Platzverweisen ausgesprochen. Dann hat die BSR geräumt und am nächsten Tag waren die Leute wieder da. Ist ja auch völlig normal. Die Alternative ist, sie sind irgendwo ein Stück weiter, dann ist diese geräumte Fläche frei und dann ist an einer anderen Fläche, kommen die Bürgerbeschwerden und … Also eine nachhaltige Lösung wird man mit restriktiven Mitteln hier nicht finden. Davon bin ich fest überzeugt und deswegen ist es der einzige Weg, dass die, die ich genannt habe, ich will es jetzt nicht noch mal aufzählen, die hier beteiligt sind, diese Prozesse vorantreiben und Ideen entwickeln.

Da sind alle Vorschläge hilfreich, aber wir sind hier am Beginn eines Prozesses und nicht mittendrin und nicht am Ende.

 

Frau Keküllüoglu: Ich bin ein bisschen verwundert, dass Sie in diesem Kontext Armutsmigration auch reinvermengt haben. Haben Sie dazu zuverlässige Daten? Weshalb vermengen Sie das Thema mit dieser mündlichen Anfrage? Dieser Link ist für mich nicht klar und ich würde gerne nachvollziehen, warum Sie das jetzt hier in diesem Kontext erwähnt haben.

 

zu Nachfrage 3: Das kann ich Ihnen sehr gern beantworten. Ich habe eingangs gesagt, dass wir unterschiedliche Gruppen von obdachlosen Menschen haben, die sich im öffentlichen Raum aufhalten. Dazu gehören mit Sicherheit auch vermehrt Bürgerinnen und Bürger, die in Berlin wohnhaft waren, die aufgrund der Mietenentwicklung ihre Wohnungen verloren haben, aufgrund verschiedener persönlicher Schicksale. Das kennen wir alle. Wir haben ein neues Phänomen und das ist in der Tat die Armutsmigration aus dem EU-Ausland. Das ist ein Phänomen, was wir in der Vergangenheit in diesem Ausmaß nicht hatten und was selbstverständlich mit der Freizügigkeit zusammenhängt.

Ich bin kein Gegner der Freizügigkeit, aber das Ordnungsamt macht vor Ort die Beobachtung, dass wir hier zahlreiche Menschen antreffen, die eben nicht aus Berlin oder aus Deutschland kommen, sondern die sich hier temporär oder dauerhaft aufhalten. Das ist schon mal sozusagen in der Ansprache ein erstes Problem.

Also bezüglich Helsingforser Stre/Berghain wird es sozusagen eine mehrsprachige Information geben, um die Leute zu informieren, dass sie hier an diesem Platz nicht verbleiben können. Auch sozialarbeiterische Hilfen, wenn jemand des Deutschen nicht mächtig ist, müssen dann auch in den entsprechenden Herkunftssprachen möglich sein. Das sind völlig unterschiedliche Gruppen. Da sind Menschen aus Polen dabei, da sind Menschen aus den Baltischen Staaten dabei, da sind Menschen aus Südosteuropa dabei, insbesondere dann, wenn man über Südosteuropa reden, Roma und das bedeutet sozusagen, dass man hier ganz vielfältig Strategien entwickeln muss, um überhaupt erst mal eine Ansprachemöglichkeit zu finden. Da ist mit Sicherheit das Ordnungsamt in seiner Zuständigkeit allein völlig überfordert und wird nicht nachhaltig irgendwas lösen.

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 
 

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