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Drucksache - DS/0292/V
Ich frage das Bezirksamt:
Abt. Bauen, Planen und Facility Management Bezirksstadtrat
Ihre beantworte ich wie folgt:
1. Wird die Umsetzung der von der großen Mehrheit der BVV beschlossenen DS/1910/IV vom Stadtplanungsamt noch betrieben?
Mit der DS 1910 wurde das Bezirksamt mit der Prüfung eines juristischen Sachverhalts beauftragt, der äußerst komplex ist, und im Rahmen der aktuellen Rechtsprechung nicht eindeutig in Bezug auf die Verhältnisse in der Berliner Innenstadt umsetzbar erscheint. Vergleichbare Ansätze, z.B. im Bezirk Mitte, sind in der Vergangenheit gescheitert. Der Fachbereich Stadtplanung befindet sich derzeit noch weiterhin in der Prüfung und im juristischen Austausch, inwieweit im Rahmen der Berliner Gegebenheiten ein Bebauungsplanverfahren rechtsicher durchgeführt und festgesetzt werden kann.
2. Wenn nein, warum nicht?
Siehe Antwort 1
3. Wenn ja, wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung?
Wie unter Pkt.1 ausgeführt, befindet sich die Verwaltung derzeit weiterhin in der Prüfung. Die beabsichtigte „Steuerung“ von Nutzungen kommt grundsätzlich auch einem Eingriff in das Privatrecht gleich, der, um rechtssicher abgewogen werden zu können, letztlich in Bezug auf das Wohl der Allgemeinheit begründbar sein. Hinzu kommt, dass ein Bebauungsplan nach seiner Festsetzung ein abgeschlossenes Planwerk darstellt, das nicht flexibel auf Prozesse oder Veränderungen reagieren kann, sondern in seinen Festsetzungen immer gleich bleibt. Allein hier stellt sich schon die Frage, ob ein B-Plan ein geeignetes Instrument für die gewünschte Steuerung von sich stetig verändernden und sich weiter entwickelnden Nutzungen darstellt. Maßgeblich ist darüber hinaus, ob eine Steuerung nicht auch durch andere Rechtsinstrumente möglich ist. Abgesehen davon stellt sich die Frage: Wenn Außengastronomie nur noch bis 22 Uhr zulässig wäre, entfiele ein Großteil der in den Sommermonaten erwirtschafteten Einnahmen! Dieser Effekt würde sich allerdings höchstwahrscheinlich auch ohne Bebauungsplan einstellen, wenn man Außengastronomie in diesen Bereichen wirklich konsequent ab 22 Uhr untersagen würde. Planungsrechtlich ermöglicht § 15 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung bzw. § 7 Nr. 5 der Bauordnung für Berlin von 1958, Vorhaben in Baugebieten, die an sich nach zulässig sind, im Einzelfall wegen gebietsunverträglicher Auswirkungen abzulehnen. Im Baugebiet kann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO eine Nutzung allein aufgrund ihrer auftretenden Anzahl als gebietsunverträglich abgelehnt werden, wenn dadurch das Gebiet zu kippen droht und seine besondere Eigenart gefährdet wird. Dies kommt dann in Betracht, wenn in einem Baugebiet von mehreren dort allgemein zulässigen Anlagen eine Anlagenart dergestalt zu dominieren droht, dass die übrigen Anlagen zahlenmäßig nicht mehr in der Weise vertreten sind, wie es der Eigenart des Baugebietes eigentlich entsprechen würde. Das Bezirksamt prüft regelmäßig bei Baugesuchen für Gaststätten in Baugebieten, die als Allgemeines Wohngebiet einzustufen sind, ob das Vorhaben gebietsunverträglich ist und hat in der Vergangenheit verschiedene Baugesuche aufgrund einer Gebietsunverträglichkeit abgelehnt. Im Allgemeinen Wohngebiet sind neben dem Wohnen allgemein zulässig: die der Versorgung des Gebietes dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften, nicht störende Handwerksbetriebe, Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die betreffenden Quartiere in Friedrichshain und Kreuzberg stellen im Wesentlichen gründerzeitliche Quartiere dar, in denen neben dem Wohnen eine gewerbliche Nutzung traditionell vornehmlich in der Erdgeschosszone stattfindet. Die zur Verfügung stehenden Grundrisse sind größenmäßig vorgegeben und stark eingeschränkt. In diesem Zusammenhang gehen die klassisch der Versorgung des Gebietes dienende Läden immer mehr zurück, da sich die Einkaufsgewohnheiten heute grundlegend geändert haben. Es wäre nun die Frage zu beantworten, ab wann in einem gründerzeitlichen Quartier die eben genannten Nutzungen sich nicht mehr in der gebietstypischen Anzahl ansiedeln können, weil die Flächen im Erdgeschoss von Schank- und Speisewirtschaften besetzt sind. Das OVG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil 1 A 10058/11 ausgeführt, dass eine Massierung von Schank- und Speisewirtschaften vorliegt, wenn in einem Straßenabschnitt von 170 m bereits 9 Schank- und Speisewirtschaften vorhanden sind, was zu einer Versagung einer weiteren Gaststätte führte. Beklagt war die Stadt Worms, betroffen der Bereich der Altstadt. Gemäß Eintragung im Internet wohnen im Stadtbezirk O – Innenstadt – 7867 Einwohner auf 86 Hektar. Im Gebiet um den Boxhagener Platz wohnten am 31.12.2015 insgesamt 38.640 Menschen auf ca. 69 Hektar. Hier wird deutlich, dass sich in der Regel die Verhältnisse anderenorts nicht ohne weiteres auf Berlin übertragen lassen. Der § 15 Abs. 1 BauNVO ist ein Korrektiv, das sich auf den Einzelfall, also auf die konkrete Situation bezieht so wie sie sich zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung darstellt. In Worms kommen ca. 91 Einwohner auf einen Hektar, im Gebiet um den Boxhagener Platz ca. 560 Einwohner auf einen Hektar. Wenn das Urteil übertragbar wäre, würde dies bedeuten, dass ein Gebiet, das als allgemeines Wohngebiet eingestuft wird, 9 Gaststätten auf 170 m verträgt. Die 10. würde aufgrund von Häufung und Verlust des Gebietscharakters abgelehnt werden müssen. Das Urteil VG Berlin 19 K 326.12, das die Versagung der Erweiterung eines bestehenden gastronomischen Betriebs bestätigt, äußert sich nicht dazu, ob ein Vorhaben bereits im Hinblick auf die einzelnen in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Merkmale der Eigenart des Baugebiets, Allgemeines Wohngebiet, widerspricht. Es müsste also im Einzelfall begründet werden können, warum durch die Einordnung einer weiteren beantragten Gaststätte der Gebietscharakter von der Anzahl der Gaststätten her verloren ginge. An dieser Stelle könnte in Erwägung gezogen werden, für die betroffenen Bereiche mit einer so gearteten Häufung gastronomischer Betriebe Bebauungspläne aufzustellen, die diese Gebiete als Besondere Wohngebiete zur Festsetzung bringen sollen. Durch textliche Festsetzungen wäre eine wohnverträgliche Entwicklung der Gaststätten zu regeln. Alle vorhandenen Gaststätten unterliegen zwar dem Bestandsschutz. Bei einer Nutzungsaufgabe stünden die Gewerbeeinheiten jedoch wieder für die Einordnung anderer wohngebietstypischer Nutzungen zur Verfügung. Dieser Ansatz wurde in etwas abgewandelter Form in Heidelberg verfolgt. Für den Bereich Östliche Altstadt wurde auf der Grundlage einer genauen Kartierung des Planungsgebietes, bei der die Nutzungen aller Gebäude über alle Geschosse aufgenommen wurden, der Bebauungsplan Nr. 2.27.00 zur Festsetzung gebracht. Planungsziel war u.a. die Sicherung bzw. Weiterentwicklung der vorhandenen charakteristischen Nutzungsmischung von Wohnen, Einzelhandel, Gaststätten und Betrieben des Beherbergungsgewerbes. Die bebaute Fläche Kernaltstadt beträgt 53,5 ha. Dort wohnen 5386 Menschen, was ca. 101 Bewohner pro Hektar ergibt (im Vergleich: 38.640 Menschen auf ca. 69 Hektar am Boxhagener Platz). Der Bebauungsplan setzt ein Sondergebiet fest, in dem die ausnahmsweise Zulässigkeit von Schank- und Speisewirtschaften im Erdgeschoss, Untergeschoss und im ersten Obergeschoss besteht, wenn in den seitlich an der Straße angrenzenden Grundstücken keine Gastronomie vorhanden ist. Im 1. Obergeschoss ist eine gewerbliche Nutzung nur zulässig, wenn pro Gebäude der Anteil des Wohnens an der Nutzfläche > 50% bleibt. Für die Blöcke entlang der Seitenstraßen werden in Besonderen Wohngebieten neue Schank- und Speisewirtschaften ausgeschlossen. Im Plangebiet hatte sich die Anzahl der gastronomischen Betriebe zwischen 1987 und 2006 von 87 auf 120 erhöht. Durch diesen Bebauungsplan wurde in der östlichen Altstadt - einem Gebiet besonderen touristischen Interesses, in dem jedoch selbst in den Hauptgeschäftslagen ab dem ersten Obergeschoss überwiegend gewohnt wird, ein Bereich geschaffen, in dem sich Gastronomie bis zu einem Viertel der Nutzfläche ausbreiten darf, um andere Wohnlagen vor weiteren gastronomischen Betrieben zu schützen. Allerdings läßt sich die Baustruktur, der im wesentlichen barocken Altstadtsubstanz mit typischerweise 2 bis 3-geschossiger Bebauung auf mittelalterlichen Kleinstadtparzellen in der Heidelberger Altstadt nicht mit der 5-geschossigen Gründerzeitlichen Bebauung auf den großstädtischen Parzellen der Berliner Innenstadt vergleichen. Es wurde bereits auf die flächenmäßigen Unterschiede zwischen dem Bebauungsplan „Östliche Altstadt“ in Heidelberg zu dem Bereich hingewiesen, der in der DS/1910/IV erwähnt ist. Hier ist zu beachten, dass für die erforderliche Kartierung und Untersuchung der Gebiete erhebliche finanzielle Mittel erforderlich sind, die dem Bezirk momentan nicht zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund wurde durch den letzten Dezernenten für Stadtentwicklung entschieden, in einzelnen Gebieten z.B. Graefekiez und Wrangelkiez exemplarisch Anträge äußerst kritisch in Bezug auf eine unzulässige Häufung sowie ggf. im Zusammenwirken mit §15 BauNVO zu prüfen. Auf dieser Grundlage sind auch bereits Anträge abgelehnt worden. Die BVV wird über das Ergebnis zu gegebener Zeit über die weiteren Entscheidungen unterrichtet.
Freundliche Grüße
Florian Schmidt
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