Drucksache - DS/0252/V  

 
 
Betreff: EA012 - Genehmigung von Nutzungsänderungen für Gewerbeeinheiten zu Ferienwohnungen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Einwohner*inEinwohner*in
   
Drucksache-Art:Einwohner*innenanfrageEinwohner*innenanfrage
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Entscheidung
10.05.2017 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet   

Beschlussvorschlag

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. Wie gedenkt der Bezirk mit der Problematik in Baugenehmigungsbescheiden existierender präjudizierender Aussagen wie "Genehmigung einer Nutzungsänderung" umzugehen, wenn doch eine Nutzungsgenehmigung in Erhaltungsgebieten nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB ein eigener Verwaltungsakt ist, der einen eigenen Bescheid verlangt?

 

  1. Nach welche Kriterien beurteilt der Bezirk auch im Hinblick auf die Begrenzung der Umnutzung von Gewerbe zu Ferienwohnungen entsprechende Anträge mit Nutzungsänderungen von Gewerbeeinheiten zu Ferienwohnungen?

 

  1. Wie geht der Bezirk mit der offensichtlich durch die Umnutzung von Gewerbe zu FerienWOHNUNGEN dahingehend besonders zu beachtenden Tatsache um, dass die dauerhafte Zweckentfremdung einer somit neu geschaffenen "Wohnung" ihrerseits verboten ist?

 

  1. Welche Sanktionsmechanismen wendet der Bezirk für diese Art der Umgehung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes wie an?

 

  1. Entspricht die aktuell an Relevanz gewinnende Praxis der Umgehung der Zweckentfremdung für Wohnraum durch das Ausweichen der Protagonisten auf die Gewerbeeinheiten den Zielen des Bezirks für eine ausgewogene auf die soziale Erhaltung zielende Stadtentwicklungspolitik?

 

 

Erläuterungen/Hinweise zur Einwohner*innenanfrage

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in der jüngeren Vergangenheit weichen Ferienwohnungsbetreiber durch das geltende Zweckentfremdungsgesetz für Wohnraum verstärkt auf Gewerbeeinheiten aus. Insbesondere in gründerzeitlichen Wohn- und Geschäftshäusern gelegene Gewerbeeinheiten werden v.a. abseits der wichtigsten Haupt- und Geschäftsstraßen von diesen Ferienwohnungsbetreibern aufgekauft und zu Ferienwohnungen umgenutzt.

 

Die u.U. für eine im Zuge der Nutzungsänderung zu involvierende zuständige Bauaufsichtsbehörde genehmigt hierbei mitunter die bauordnungsrechtlich genehmigungspflichtigen Umbauten für "Nutzungsänderung von Gewerbeeinheit zu Ferienwohnung".

 

Mitunter finden solche Nutzungsänderungen jedoch auch in Erhaltungsgebieten nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB statt, in denen Nutzungsänderungen nur nach Genehmigung durch das Bezirksamt, hier wäre dies das Amt für Stadtentwicklung bzw. u.U. das Amt für Bürgerdienste erfolgen dürfen.

 

Ich möchte den Bezirk und die Mitglieder der BVV darauf hinweisen, dass mitunter Nutzungsänderungen von Gewerbeeinheiten für die betroffenen Gebiete städtebauliche, soziale und mitunter auch andere sich negativ auf die Struktur der Gebiete auswirkende Entwicklungen nach sich ziehen. Insbesondere in den besonders geschützten sozialen Erhaltungsgebieten kann die Nutzungsänderung einer oder mehrerer Gewerbeeinheiten zu einer Kettenreaktion führen.

 

Folgende Entwicklungen sind durch allzu laxe Handhabung der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen möglich:

 

  1. Umnutzung einer Gewerbeeinheit zu einer Ferienwohnung oder zu einer für die im weiteren Sinne anders gearteten touristischen Nutzung.
  2. Durch die stärkere Frequentierung mit Touristen höhere Nachfrage nach weiteren touristischen Angeboten und Dienstleistungen.
  3. Umnutzung weiterer Gewerbe für die touristische Entwicklung.
  4. Sich selbst beschleunigende Entwicklung bei gleichzeitiger Verdrängung angestammter Gewerbe im Kiez durch steigende Gewerbemieten und Veränderung der Nachfragestruktur.
  5. Sukzessiver Niedergang des etablierten auf die Kiezstruktur abgestimmten Nutzungsmixes im gewerblichen Bereich bei gleichzeitiger Kostensteigerung für überteuerte touristische Produkte und Dienstleistungen.
  6. Attraktivitätsverlust als Wohnstandort durch Kollateralschäden (mehr Lärm, mehr Dreck, mehr Kriminalität) bei gleichzeitiger Anziehung von neuen Bevölkerungsgruppen, die genau diese Art des Kiezlebens für erstrebenswert halten.
  7. In der Folge soziale Verdrängung und Veränderung des Kiezes auf breiter Basis.

 

Soziale Erhaltungsgebiete leben insofern nicht nur von einer die soziale Entwicklung stabilisierenden Wohnraumpolitik, sondern auch von einer in gleicher Weise auf die gewerbliche Entwicklung im Kiez abzielende Stadtentwicklungspolitik unter besonderer Berücksichtigung einer auf die Bedarfe der ansässigen Bevölkerung zielenden Angebotsstruktur und Nutzungsmix im Gewerbe. Die Entwicklung der gewerblichen Struktur in den einzelnen Kiezen ist mit Sicherheit nicht alleine Ursache dafür, dass sich ein Kiez verändert, aber die gewerbliche Entwicklung stellt einen wesentlichen Eckpunkt auch für die soziale Erhaltung im Kiez dar.

 

Es gibt sicherlich noch einige weitere Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden käönnten. Ich hoffe, dass die Fraktionen der BVV, die dort aktiven Fachpolitiker und die fachlich interessierten und geeigneten Bürgerdeputierten das skizzierte Problem erkennen und in geeigneter Weise auf diese Art der Entwicklung reagieren.

 

Ich bin zuversichtlich, dass durch geeignete Verwaltungsanweisungen z.B. einer parallelen Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer Baugenehmigungen und von Anträgen zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigungr die angestrebten Nutzungsänderungen sich auch für das Bezirksamt Synergien ergeben könnten. Insbesondere bitte ich zu berücksichtigen, dass nicht jede bauordnungsrechtliche Zulässigkeit auch eine sozial- und stadtenwicklungspolitische Zulässigkeit nach sich ziehen muss.

 

Das bloße Versprechen zu investieren, neue Arbeitsplätze zu schaffen und am Tourismusboom in der Hauptstadt zu profitieren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch den Verlust von lebendigen Kiezen mittel- bis langfristig ein größerer Schaden entsteht, als durch die Zulassung einer gewerblichen Zweckentfremdung kurzfristig Profit ermöglicht wird.

 

 

Beantwortung: BezStR Herr Schmidt

 

zu Frage 1: Aus Sicht der Bauaufsicht, d.h. des Bauordnungsrechts, gibt es keine diesbezügliche Problematik. Eine Prüfung des Bauantrags erfolgt seitens der Bauaufsicht in bauordnungsrechtlicher Hinsicht, d.h. Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den rechtlichen Vorhaben der Bauordnung Berlin und den damit verbundenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

Im Namen des Genehmigungsverfahrens erfolgt eine Beteiligung des Stadtplanungsamtes zur planungsrechtliche Beurteilung und Prüfung. Stehen dem Vorhaben weder bauordnungsrechtliche noch planungsrechtliche Belange entgegen, wird eine Baugenehmigung für die beabsichtigte Nutzungsänderung erteilt.

 

zu Frage 2: Bei Anträgen dieser Art bei der Bauaufsicht erfolgt eine Prüfung des Bauantrags  in bauordnungsrechtlicher Hinsicht. Das heißt Übereinstimmung des …, Entschuldigung, Seitenwechsel, d.h. Übereinstimmung des Bauvorhabens mit den rechtlichen Vorgaben, wie gesagt, der Berliner Bauordnung und den damit verbundenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erfolgt eine Beteiligung des Stadtplanungsamtes.

Die planungsrechtliche Prüfung schließt die Prüfung bezüglich Baunutzungsverordnung ggf. bei Erhaltungsgebieten und Milieuschutz mit ein. Stehen dem Vorhaben weder bauordnungsrechtliche noch bauplanungsrechtliche Belange entgegen, wird eine Baugenehmigung für die beabsichtigte Nutzungsänderung erteilt. Auf der Grundlage der jetzt geltenden Kriterien zur Umnutzung der Haltungsverordnung, Ziff. 2.3 beurteilt die Bezirksverwaltung die Begrenzung der Anträge zur Umnutzung von Gewerbe in Ferienwohnungen. Demnach ist gemäß Ziff. 2.3 im Regelfall lediglich sonstiger Nutzungsänderungen, also auch Nutzungsänderung von Gewerbe in Ferienwohnungen, zugestimmt. In Ausnahmefällen kommt eine Versagung der Nutzungsänderung in Betracht, wenn die beantragte Nutzungsänderung auf die Änderung sozialer Infrastruktur abzielt.

 

zu Frage 3: Das Zweckentfremdungsverbot schützt bei Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen Wohnraum. § 1 definiert diesen wie folgt: „Wohnraum im Sinne dieses Gesetzes sind all Räumlichkeiten, die zur Dauer der Wohnnutzung tatsächlich und rechtlich genehmigt sind. Hiervon ausgenommen sind Räumlichkeiten, die zu anderen Zwecken errichtet worden sind und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung nach Abs. 2 auch entsprechend genutzt werden.“

§ 2 bestimmt den Begriff der Zweckentfremdung wie folgt: „Eine Zweckentfremdung im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn Wohnraum 1. zum Zwecke der wiederholten, nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung oder einer Fremdbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen verwendet wird.

2.: Für gewerbliche oder berufliche sonstige Zwecke verwendet wird, die die hier beschriebene Umnutzung einer Gewerbeeinheit in eine andere Nutzungsart hat nichts mit dem Zweckentfremdungsverbot zu tun, für Wohnraum zu tun.“

 

zu Frage 4: Es findet keine Umgehung des Zweckentfremdungsverbots statt. Das Zweckentfremdungsverbot kann keine Anwendung auf Gewerbeeinheiten finden, da es sich ausschließlich auf den Schutz des vorhandenen Wohnraums beschränkt.

 

zu Frage 5: Es findet keine Umgehung des Zweckentfremdungsverbots für Wohnraum statt.

 

 
 

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