Drucksache - DS/0745/III  

 
 
Betreff: Werbeverbot für Tabakwaren und Alkohol auf städtischen Werbeflächen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Abt. Gesundheit, Soziales und BeschäftigungVorsteherin
  Burkert-Eulitz, Marianne
Drucksache-Art:Vorlage zur KenntnisnahmeBeschluss
Beratungsfolge:
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
28.05.2008    Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg überwiesen   
Wirtschaft, Bürgerdienste und Ordnungsamt Vorberatung
26.06.2008 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Bürgerdienste und Ordnungsamt mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
Soziales und Gesundheit Vorberatung
03.07.2008 
Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales und Gesundheit mit Abschlussbericht zur Kenntnis genommen   
BVV Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin Vorberatung
16.07.2008 
Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg ohne Änderungen in der BVV beschlossen (Beratungsfolge beendet)     

Sachverhalt
Beschlussvorschlag
Anlagen:
1. Version vom 24.04.2008 PDF-Dokument

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Vorlage des Bezirksamtes wird zur Kenntnis genommen. 

 

 

Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung vom 22.04.08 beschlossen:

1. Schließt der Bezirk als Eigentümer von Fach- und Finanzvermögen

Werbeverträge ab bzw. erteilt er die Genehmigung zur Aufstellung einer

Werbeanlage, ist die Möglichkeit der Tabak- und Alkoholwerbung generell

auszuschließen. Schließt der Bezirk Miet- oder Pachtverträge über Flächen ab, ist

dem Mieter oder Pächter Tabak- und Alkoholwerbung generell zu untersagen.

2. Das Bezirksamt setzt sich gegenüber der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

dafür ein, dass nach Auslaufen bestehender Werbeverträge bei Neuabschluss

und bei Abschluss evtl. Miet- oder Pachtverträge über Flächen die Möglichkeit der

Tabak- und Alkoholwerbung auf öffentlichem Straßenland und an öffentlichen

Toilettenhäuschen generell ausgeschlossen ist.

3. Das Bezirksamt setzt sich gegenüber der Senatsverwaltung für Finanzen dafür

ein, dass die Allgemeine Anweisung über Werbung, Handel, Sammlungen und

politische Betätigung in und mit Einrichtungen des Landes Berlin (AllA Werbung)

im Rahmen der derzeitigen Überarbeitung dahingehend erweitert wird, dass

Werbung für Sucht- und Genussmittel (Alkohol, Nikotin u.ä.) nicht nur an Orten,

die überwiegend von Kinder und Jugendlichen besucht werden, sondern generell

auszuschließen ist.

4. Das Bezirksamt setzt sich aufgrund der gesamtstädtischen Bedeutung dieser

Angelegenheit gegenüber dem Rat der Bürgermeister (RdB) dafür ein, dass

Tabak- und Alkoholwerbung auf Öffentlichem Straßenland im Land Berlin

Ausgeschlossen wird. Danach setzt sich der Bezirk gegenüber dem RdB zum

Einen dafür ein, dass alle Berliner Bezirke und auch die Senatsverwaltungen

sowohl unmittelbar bei Werbeverträgen als auch mittelbar bei Miet- und

Pachtverträgen die Möglichkeit der Tabak- und Alkoholwerbung ausschließen.

Zum anderen wirkt der Bezirk darauf hin, dass ein Werbeverbot für Tabak und

Alkohol in die neuen Ausführungsvorschriften zu den §§ 10,11,13 und 14 des

Berliner Straßengesetzes aufgenommen wird und in der Allgemeinen Anweisung


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über Werbung, Handel, Sammlungen und politische Betätigung (AllA Werbung)

jegliche Tabak- und Alkoholwerbung auf sämtlichen Werbeanlagen auf

öffentlichem Straßenland generell verboten wird.

A). Begründung

Am 28.09.07 hat sich eine Bürgerin des Bezirks in einem Schreiben mit dem Anliegen an das Bezirksamt gewandt, dass aus Gründen des Jugendschutzes keine Tabakwerbung auf städtischen Werbeflächen mehr zugelassen werden solle.

In ihrer Problemdarstellung führt sie die Risiken des Tabakkonsums und den möglichen Einfluss von entsprechender Werbung auf Kinder und Jugendliche aus.

Nach Aussagen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Sabine Bätzing, sterben in der Bundesrepublik jährlich 140.000 Menschen an den direkten Folgen des Tabakkonsums.1 Frau Bätzing betont, dass der Tabakkonsum das "größte vermeidbare Gesundheitsrisiko" ist. Zigarettenrauchen ist in den Industrieländern die häufigste und wissenschaftlich am deutlichsten belegte Einzelursache für den Krebstod."2

Eine der wichtigsten Risikofaktoren des Rauchens ist die Tabakwerbung. Insbesondere werden Jugendliche durch Werbung beeinflusst. Dies wurde in einer umfangreichen Expertise, die von dem Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben wurde, ausführlich beschrieben.3 In einer Studie der Universität von Massachusetts aus dem Jahr 2006 wurde der kausale Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und Rauchen nochmals bestätigt.4 Auch die Weltbank kommt zu dem Ergebnis, dass ein umfassendes Werbeverbot zu einer 8-prozentigen Reduzierung des Tabakkonsums führen würde.5 So meint auch der EU-Kommissar Markos Kyprianou, dass das Verbot der Tabakwerbung eines der "wirksamsten Mittel" ist, das Rauchen zu verringern.6

Der Bundestag hat 2004 das Gesetz zu dem Tabakrahmenübereinkommen beschlossen. Damit hat sich Deutschland verpflichtet, Verbote zur Tabakwerbung einzuführen. Bisher sind diese Maßnahmen jedoch nur auf Medien und Internet beschränkt. Inzwischen hat sich die Bundesdrogenbeauftragte auch für ein Verbot der Plakatwerbung ausgesprochen, da damit insbesondere der Jugendschutz gestärkt werden könnte.

In Berlin rauchen nach einer Studie des Robert-Koch-Instituts7 25 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren. Die ersten Zigaretten werden im Alter von durchschnittlich 11,6 Jahren geraucht. Nach der Untersuchung "Tabak und Alkohol in Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen" (TALK) des Bezirksamtes

1 Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 2007

2 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1997, Heft 43, Seite 2871-73).

3 Hanewinkel, R, Pohl, J: Werbung und Tabakkonsum. Wirkungsanalyse unter besonderer Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen. Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, Kiel, 1998

4 DiFranza, J. R. et al.: Tobacco Promotion and the Initiation of Tobacco Use: Assessing the Evidence for Causality. Paediatrics, Vol. 117, Nr. 6, June 2006

5 Weltbank: Der Tabakepidemie Einhalt gebieten. Washington D.C., 2003

6 Kyprianou, Markos, EU-Kommissar für Gesundheit: "Das Verbot der Tabakwerbung ist eines der wirksamsten Mittel, um das Rauchen zu verringern." 27.05.2005

7 Robert-Koch-Institut: Gesundheitsverhalten von Schülern in Berlin. Ergebnisse der HBSC-Jugendgesundheitsstudie 2002 im Auftrag der WHO. Berlin, 2003


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Friedrichshain-Kreuzberg kennen über 85 Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 bis 15 Jahren Tabakwerbung.8 Die Ergebnisse von TALK zeigen, dass Kinder und Jugendliche der Tabakwerbung im extrem hohen Ausmaß ausgesetzt sind, und das, obwohl bekannt ist, dass die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen anzufangen, umso größer ist, je stärker Kinder und Jugendliche mit Werbung konfrontiert werden.

8 Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Hrsg.: Tabak und Alkohol in Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Berlin, 2007

9 Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Drogen- und Suchtbereicht 2007

10 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Pressemitteilung 12.06.2007

11 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Jahrbuch Sucht 07

12 Bert Kellermann in: Hamburger Ärzteblatt, 11/07

13 Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Jahrbuch Sucht 07

Das Bezirksamt hat sich darauf verständigt, die Forderung nach einem Tabakwerbeverbot zu erweitern und sich im Hinblick auf Risiken des Alkoholkonsums auch für ein Alkoholwerbeverbot einzusetzen.

Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form und überschreiten regelmäßig die empfohlenen Konsumgrenzen Etwa 1,6 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig. 20% der Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren trinken in Deutschland regelmäßig Alkohol.9

Der Alkoholkonsum von Jugendlichen, der im Jahre 2005, im Vergleich zu 2004, zurückgegangen war, stieg danach wieder an, so dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung feststellt, dass der "Anstieg besonders auffällig bei den 16 - bis 17 - jährigen männlichen Jugendlichen ist. Bei den Jungen dieser Altersgruppe lag die durchschnittliche wöchentliche Trinkmenge an reinem Alkohol im Jahre 2004 bei 127 Gramm, sank im Jahr 2005 auf 108 Gramm und lag im Jahr 2007 bei etwa 150 g reinem Alkohol im Wochendurchschnitt. Bei den weiblichen Jugendlichen ist zwischen 2005 und 2007 ein Anstieg in der wöchentlichen Gesamtalkoholmenge von 42 Gramm auf 53 Gramm festzustellen."10

Damit ist " der Alkoholkonsum nach dem Tabakrauchen und Bluthochdruck der bedeutendste gesundheitliche Risikofaktor". 11

Sucht hat massive psychische, soziale und körperliche Auswirkungen. Es sind jedoch nicht nur die suchtkranken Menschen betroffen, sondern auch in massiver Weise ihr Umfeld. Über 1 Mill. Kinder haben einen alkoholkranken Elternteil, und "rund 80 % aller Teenager-Suizidversuche sind durch Alkoholprobleme ihrer Eltern bedingt". 12

Das Alkoholproblem wird dabei in der Öffentlichkeit eher bagatellisiert und ausgeblendet. Alkohol ist leicht verfügbar, der Konsum gilt häufig als wünschenswert. Während in vielen anderen Ländern der Alkoholkonsum zurückging, verringerte er sich in Deutschland wenig . Die Verminderung des Alkoholkonsums von 1970 bis 2003 betrug in Deutschland 0,5 %, im Vergleich dazu in Frankreich 42,7 %, jährlich sterben ca. 42.000 Personen, "deren Tod direkt oder indirekt in Verbindung mit Alkohol steht".13

Bereits 1995 wurden von der Weltgesundheitsorganisation grundsätzliche Aussagen zur Alkoholwerbung gemacht. In ihrer Europäischen Charta Alkohol heißt es: "Alle Kinder und Jugendlichen haben das Recht, in einer Umwelt aufzuwachsen, in der sie vor den negativen Folgen des Alkoholkonsums und soweit wie möglich vor Alkoholwerbung geschützt werden." Eine Einschränkung von Alkoholwerbung kann den Alkoholkonsum wirksam bekämpfen. So könnte nach einer US-Studie ein


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Werbeverbot für Alkoholika den Alkoholkonsum bei Jugendlichen um mehr als 16 Prozent minimieren, bei Rauschtrinken sogar um über 40 Prozent.14

Zu ähnlichen Aussagen kommt ein Forschungsbericht des Instituts für Suchtforschung in Zürich. Der Autor des Berichts kommt zu dem Schluss, dass Alkoholwerbung "bei der Rekrutierung neuer Generationen von potentiellen Alkoholkonsumenten" hilft.15

EU-Kommissar Markos Kyprianou ist der Meinung, je mehr Alkoholwerbung junge Menschen sähen, desto wahrscheinlicher sei der Griff zur Flasche. Der Präsident der Bundesärztekammer, Hoppe, fordert deshalb ein Verbot der Alkoholwerbung. Vor allem Kinder und Jugendlichen vermittle der lockere Umgang damit falsche Vorstellungen.

Alkoholwerbung baut ein positives Image auf, das Alkoholkonsum mit sozial angenehmen Verhaltensweisen wie Kameradschaft, sozialer Akzeptanz in der Altersgruppe und Männlichkeit verbindet.16

In einzelnen Bereichen des Bezirksamtes wird bereits im Sinne des Begehrens der Bürgerin verfahren. Um eine konsequente und einheitliche Vorgehensweise gegen Tabakwerbung im Interesse der Kinder und Jugendlichen zu erreichen, wird die Anregung der Bürgerin aufgenommen und in o.g. Weise umgesetzt.

B). Rechtsgrundlage:

§15 BezVG

C). Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:

 

a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

nicht vorhersehbar

 

b) Personalwirtschaftliche Ausgaben:  keine

 

Berlin, 24.04.2008

Bezirksbürgermeister                                  Bezirksstadtrat

 

 

28.05.2008

 

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Die Vorlage des Bezirksamtes wird in den Ausschuss für Wirtschaft, Bürgerdienste, Ordnungsamt und in den Ausschuss Soziales und Gesundheit (ff) überwiesen.

 

 

26.06.08

WirtAS empfiehlt dem federführenden Ausschuss, der BVV zu empfehlen, die DS745/III zur Kenntnis zu nehmen. 

 

03.07.2008

Ausschuss für Soziales und Gesundheit

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

Die Vorlage des Bezirksamtes wird zur Kenntnis genommen. 

 

16.07.08 BVV

 

Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:

 

Die Vorlage des Bezirksamtes wird zur Kenntnis genommen

 
 

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