Erfahrungen im Außendienst

Waste Watcher unterwegs

Inzwischen habe ich erste Erfahrungen bei der Begleitung der Doppelstreifen im Außendienst der Waste Watcher gemacht. Zu Beginn nahm ich an einem Kontrollgang im Frühdienst am Reumannplatz bzw. in der Favoritenstraße im 10. Wiener Bezirk teil, einem Verunreinigungshotspot, wie mir die Kolleg/innen sagten. Es handelt sich um eine Einkaufsstraße, die in der Frühe gern von Hundebesitzer/innen sowie von Berufstätigen, die zu den U-Bahn-Eingängen strömen, bevölkert wird. Später sind es vornehmlich Anwohner/innen, die zum Einkaufen unterwegs sind. Auch einige Seitenstraßen dieser Magistrale wurden bestreift.

Tags darauf war das Ziel die Mariahilfer Straße, ebenfalls eine Einkaufsstraße, deren westlicher Teil (sogenannte „äußere Mariahilfer Straße“) eher von Anwohner/innen genutzt zu werden scheint, während sich in ihrem östlichen Teil, der auch als Begegnungszone nach der Straßenverkehrsordnung ausgewiesen ist und in den Stadtkern rund um das Museumsquartier mündet, auch größere Läden und Kaufhäuser befinden, die auch von Wiener/innen aufgesucht werden, die aus anderen Bezirken kommen. Zusätzlich wird dieser Teil der Straße offenbar auch bereits von Touristen frequentiert.

An einem anderen Tag stand der nicht ganz so zentral gelegene 21. Gemeindebezirk Floridsdorf im Fokus der von mir begleiteten Waste Watcher.

Auffällig war bei allen Kontrollgängen, dass es die – häufig in unmittelbarer Nähe von Mistkübeln mit Vorrichtungen zum Entsorgen von Zigaretten – weggeworfenen Zigarettenreste sind, die den Löwenanteil der amtlichen Feststellungen darstellen. Ich schätze, dass sie bei den Kontrollgängen, an denen ich bislang teilgenommen habe, 90 bis 95 % aller Amtshandlungen ausmachen. Der restliche Anteil verteilt sich auf das Wegwerfen von Lebensmittelresten, insbesondere durch das Füttern von Tauben, sowie auf das Abstellen bzw. Entsorgen von Paletten bzw. Verpackungsmaterial durch Gewerbetreibende im Außenbereich vor ihren jeweiligen Läden.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass bei der Vornahme der Amtshandlungen sehr wenig Aufsehen erregt wird. Zwar sind die Mitarbeiter/innen für aufmerksame Passant/innen erkennbar an ihren Westen, den sogenannten „Gilets“ mit dem Aufdruck „Waste Watcher“ auf dem Rücken, der aber häufig zumindest teilweise durch den mitgeführten Rucksack, in dem sich Zahlscheinblöcke und anderes Material befindet, verdeckt wird. Die Ansprache erfolgt jedoch jeweils derart zurückhaltend, dass die Amtshandlung von in der Nähe befindlichen Personen kaum wahrgenommen wird. Sowohl das äußere Auftreten als auch der Dialog mit Betroffenen erfolgt daher in einer stets deeskalierenden Weise. Die Mitarbeiter/innen zeigen ihr Dienstabzeichen vor und beginnen die Amtshandlung in der Regel mit den Worten: „Grüß Gott, Magistrat der Stadt Wien…“ Sodann weisen sie darauf hin, dass soeben beispielsweise ein Zigarettenrest weggeworfen wurde und dass dies „eine Verunreinigung nach dem Wiener Reinhaltegesetz“ ist. Im Anschluss erfolgt eine Identitätsfeststellung, d.h. die Betroffenen werden aufgefordert, ihren Ausweis, Führerschein oder eCard (Versichertenkarte) für die Aufnahme der Daten zur Verfügung zu stellen (wobei jedoch in Österreich keine Pflicht zum Mitführen eines Ausweises besteht) und ihre Wohnadresse anzugeben. Es wird anschließend erklärt, dass ein Organmandat ausgestellt wird (in selteneren Fällen wird nur eine Ermahnung ausgesprochen; auch dabei werden Daten aufgenommen) und gefragt, ob bar oder unbar gezahlt wird. Bei Barzahlung werden die Daten lediglich notiert und ggf. eine Quittung ausgestellt, bei Nichtbarzahlung wird zusätzlich ein Zahlschein ausgehändigt und darauf hingewiesen, dass innerhalb einer Frist von 2 Wochen gezahlt werden kann, bevor das Verfahren in ein Verwaltungsstrafverfahren übergeführt wird. Zeitpunkt und Ort der Feststellung werden notiert, zum Schluss wünschen die Mitarbeiter/innen in der Regel „trotzdem noch einen schönen Tag“.

Kann sich jemand nicht ausweisen, so erfolgt eine Überprüfung der Angaben per Fernabfrage. Will sich jemand nicht ausweisen und macht auch keine oder falsche Angaben, so wird i.d.R. die Polizei hinzugezogen. Bislang bin ich nicht Zeuge einer Amtshandlung geworden, bei der die Hinzuziehung der Polizei erforderlich war. Die Waste Watcher dürfen Personen zwar anhalten, wohlgemerkt jedoch nicht festhalten.

Eine der von mir begleiteten Doppelstreifen der Waste Watcher trat stets gemeinsam an die Verursacher/innen von Verunreinigungen heran, andere treten eher einzeln auf und führen Amtshandlungen auch allein durch, bewegen sich aber stets mit Sichtkontakt zum Streifenpartner bzw. zur Streifenpartnerin.

Die meisten Amtshandlungen sind sehr ruhig verlaufen. Selten wollte oder konnte jemand deren Sinn und Zweck nicht nachvollziehen oder zeigte sich uneinsichtig. Mal war ein Österreicher ungehalten darüber, dass nach seiner Wahrnehmung ausschließlich Österreicher im Fokus der Amtshandlungen stehen, ein anderes Mal war die Verständigung mit einer seit langer Zeit in Wien ansässigen Ausländerin schwierig, die darüber hinaus offensichtlich uneinsichtig blieb, auch nachdem man ihr begreiflich gemacht hatte, worum es ging. Generell finden in den touristisch interessanten Gebieten deshalb weniger Kontrollgänge als in anderen Bereichen statt, damit die Waste Watcher nicht in den Ruf geraten, Touristen abzuzocken. Touristen verhalten sich ohnehin „brav“, wie mir gesagt wurde. In der Tat sind gerade die Bereiche rund um Touristenattraktionen und Sehenswürdigkeiten besonders sauber. Sie werden anscheinend auch intensiv gereinigt.

Auch das Herauswerfen von Zigarettenstummeln aus (fahrenden) Fahrzeugen wird verfolgt. Zeit, Ort und Kfz.-Kennzeichen werden notiert. Im Zuge einer „Lenkererhebung“ (= Halterabfrage) werden im Innendienst die erforderlichen Ermittlungen getätigt, um Anzeigen zu fertigen.

Gegen Ende eines der Kontrollgänge wurden wir Zeugen eines epileptischen Anfalls eines Passanten, der auf dem Gehweg lag, zitterte und von offensichtlich verwandten Personen betreut wurde, die aber um Hilfe riefen. Geistesgegenwärtig gaben die Waste Watcher, die sämtlich über eine Erste-Hilfe-Ausbildung verfügen, Handlungsanweisungen und riefen die Notrufnummer an.

Spätestens nach jeweils zwei Kontrollgängen bzw. Schichtdiensten werden die Bareinnahmen bei einer der 24 Stadtkassen eingezahlt. Grundsätzlich verbringen die Waste Watcher jeweils ca. 1 Stunde am Ende ihres Dienstes mit der Befüllung des sogenannten „Tagebuchs“, die elektronische Datenbank, in welche die unterwegs handschriftlich aufgenommenen Daten und Angaben übertragen werden.

Bei den Kontrollgängen greifen etwa auch bestimmte Taktiken Platz. So reicht es nach den Erfahrungen der Waste Watcher aus, jeweils vor Oberschulen ein einziges Organmandat wegen Wegwerfens eines Zigarettenstummels auszustellen. Den bzw. die Verursacher/in der Verunreinigung trifft es zwar subjektiv hart. Welche Schülerin bzw. welcher Schüler verfügt schon ohne weiteres über € 50.-, ohne ggf. die Eltern dafür in Anspruch nehmen zu müssen? Andererseits werden Schülerinnen und Schüler vom Lehrpersonal und der Schulleitung sicherlich regelmäßig darauf hingewiesen, sich auf mögliche Strafen bei entsprechenden Verstößen einzurichten. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass es sich in der betreffenden Schule schnell herumsprechen wird, dass die Waste Watcher vor Ort waren und ein Organmandat ausgestellt haben. Ziel und Zweck der Strafen sind schließlich und endlich auch nicht die Strafen selbst, sondern die Aufrechterhaltung der Sauberkeit.

Hund

Liegen gelassener Hundekot („ohne unnötigen Aufschub nicht beseitigt“) wird offenbar kaum mehr Gegenstand von Amtshandlungen der MA 48. Dies mag einerseits daran liegen, dass es in den ersten Jahren nach Einrichtung der Waste Watcher viele entsprechende Amtshandlungen gegeben haben soll, die zu einer dauerhaften Disziplinierung der Hundebesitzer/innen geführt hat. Andererseits werden Hunde, deren Hinterlassenschaften verbleiben, ggf. bewusst zu Tageszeiten ausgeführt, zu denen die Waste Watcher nicht unterwegs sind. Auch gehe ich davon aus, dass die Mitarbeiter/innen der MA 42 (zuständig für die Stadtgärten) ggf. mehr entsprechende Feststellungen tätigen. Im öffentlichen Straßenland jedenfalls nehme ich bedeutend weniger „Tretminen“ wahr als in Berlin.

Bei den von mir begleiteten Kontrollgängen wurden im Schnitt jeweils etwa 10 Amtshandlungen vorgenommen. Es ist keineswegs so, dass die Waste Watcher eine bestimmte Mindestanzahl an Mandaten vorweisen müssen. Der Gedanke der Prävention steht im Vordergrund. Grundsätzlich, so sagte mir auch der Abteilungsleiter Herr Thon, muss man sich von dem Gedanken verabschieden, dass sich Projekte bzw. Einrichtungen selbst tragen sollten. In bedeutsame Projekte der öffentlichen Hand muss demnach ggf. auch investiert werden ohne zuvor oder im Anschluss zu hinterfragen, ob sie sich finanziell in irgendeiner Weise lohnen.

Es findet übrigens jedes Jahr eine Waste-Watcher-Gala statt, eine Veranstaltung, an der alle Mitarbeiter/innen teilnehmen können und die der Würdigung ihrer Arbeit durch den Magistrat dient – wie ich meine, eine schöne Geste der Wertschätzung.

Joachim Wenz