„Välkommen till Stockholm“

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Nachdem ich in der ersten Woche die nationale Behörde Migrationsverket sowie die verschiedenen Abteilungen der Arbeitsmarkt- und Sozialverwaltung der Stadt Stockholm kennengelernt habe, treffe ich diese Woche Institutionen, die eng mit dem Integrationsprozess auf lokaler Ebene verzahnt sind. Dabei wird mir noch einmal bewusst, dass sich die Struktur der Verwaltung in einigen wesentlichen Punkten zu Berlin unterscheidet. Es gibt viele stadteigene Betriebe und dies hat zur Folge das ca. 40.000 Menschen für die Stadt Stockholm arbeiten. Das heißt sowohl die Mitarbeiter*innen vom Medborgarkontoret (eine lokale Citizen Office auf Bezirksebene für alle), als auch die Koordination und Sozialarbeit einer Unterkunft für Unbegleitet Minderjährige Geflüchtete und die Einheit der Sozialverwaltung, welche für Belegung der Unterkünfte und Wohnungen verantwortlich ist, sind Angestellte der Stadt Stockholm.

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Was mir als erstes ins Auge sticht ist, dass die schwedischen Mitarbeiter*innen die Diversität der Menschen mit denen sie arbeiten auch abbilden. Es gibt viele Personen die Tigrinya, Somali oder Arabisch sprechen. Das liegt zum Teil daran, dass Schweden eine längere Tradition der Migration aus Länder wie Somalia und Eritrea hat die weit vor dem Jahr 2015 begann. Wenn ich an Berlin denke, wo das Thema „Interkulturelle Öffnung“ der Verwaltung seit Jahren auf der Agenda steht und ich Kolleg*innen mit arabischem oder gar tigrinischen Background mit einer Lupe suchen muss, schlucke ich innerlich. Fairerweise ergänze ich, dass das Bezirksamt bei den neuen Auszubildenden mittlerweile geschafft hat, dass fast 40 % einen „Migrationshintergrund“ haben. Das lässt hoffen, dass sich die Diversität von Berlin bald auch in der Mitarbeiterschaft spiegeln wird.

Dies hat insoweit Auswirkungen, dass Fragen mit denen ich in Berlin ständig konferiert bin, z.B. wie soll eine Übersetzung bei bestimmten Behörden organisiert werden, so dass im Job Center, Jugendamt, Standesamt aber auch in den Unterkünften oder im Krankenhaus gewährleistet ist, dass jeder Mensch die Information bzw. Beratung bekommt die ihm zusteht. Hinter allem steht die Frage wer für die Finanzierung dieser Infrastruktur zuständig ist. Hier stehen den Mitarbeiter*innen von Intro Stockholm, einer Abteilung der Sozialverwaltung, welche die Belegung der Menschen in temporären Wohnungen (Modularen oder regulären Wohnungen) organisiert und die Menschen dort auch empfängt entweder Übersetzer*innen zur Verfügung oder die Mitarbeiter*innen sprechen selbst die Sprache. Gleiches wurde mir über Krankenhäuser berichtet, dort stehen ebenfalls ausreichend finanzielle Mittel für Übersetzungen zur Verfügung und im Notfall wird auf einen online Service oder Skype zurückgegriffen. Das Thema Datenschutz und Privatsphäre in Schweden könnte Bände füllen, nur soviel sei gesagt mit Namen und „personnummer“ ist es kein Problem die Adresse und das Gehalt meiner Kollegin zu ermitteln.

Ich will kurz von dem Besuch in einer neugebauten Modularen Unterkunft für Familien und dem Empfang einer sechsköpfigen afghanischen Familien durch Intro berichten. Voraus schicken muss ich, dass Intro nur für Menschen zuständig ist die einen sicheren Status und das Asylverfahren durchlaufen haben oder die durch das UNHCR Resettlement Programm von Schweden aufgenommen wurden. Intro bekommt bereits vier Wochen im Voraus von Migrationsverket eine Mitteilung an welchem Tag exakt die Familie ankommen wird und um wieviele Personen es sich handelt. Ungefähr zwei Wochen vorher werden die genauen Personendaten übermittelt, so dass die Mitarbeiter*innen bereits Termine planen können. Am Tag selbst sind vier Personen (zwei Mitarbeiter von Intro, ein Übersetzer und die Managerin der Unterkunft) in der Modularen Unterkunft und nehmen die Familie freundlich in Empfang. „Välkommen till Stockholm“. Es ist ein bisschen wie bei einer Wohnungsübergabe, die Zimmer werden besichtigt, es werden Verträge unterschrieben, Schlüssel quittiert allerdings wird deutlich gemacht es handelt sich um eine temporäre Wohnung die nach zwei Jahren verlassen werden muss. Dies wird schriftlich festgehalten. Das wichtigste ist die Registrierung für die Warteliste, denn um eine Mietwohnung in einem Stockholmer Vorort zu bekommen, dauert es im Durchschnitt zehn Jahre. Kein Wunder bei über 80% Eigentumswohnungen und mangelndem Wohnraum. Wo die Familie nach den zwei Jahren hinziehen soll, falls sie keine eigene Wohnung hat, kann mir allerdings niemand beantworten.

Von dem Treffen, dass fast zwei Stunden dauert, bin ich trotzdem beeindruckt. Alle Fragen werden ausführlich und stets freundlich beantwortet. Fahrkarten werden verteilt und schon am nächsten Tag hat die Familie ihren ersten Termin bei der Sozialarbeit von Intro, dort erfährt sie wie es weitergeht mit Themen Finanzierung, Wohnungssuche, Kredit für die Wohnungseinrichtung, Schule etc. Die Familie ist seit drei Jahren im Land, die Jugendlichen sprechen fließend schwedisch und wie alle Jugendlichen interessiert sie am meisten, ob das Wifi funktioniert.
Gelassen wird mir von der Mitarbeiter*innen erklärt, es laufe nicht immer so bilderbuchmäßig wie dieses Mal. Well, ich kann mich dem Gefühl nich erwehren, dass sich die viele Evaluation der Sozialverwaltung und die größere Summe an finanziellen Mitteln, die dadurch zur Verfügung steht, sehr wohl bemerkbar macht. Kritikpunkte und Unsicherheiten gibt es trotzdem aber dazu später mehr.

Friederike Krentz