Castellano & Catalan

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Mein täglicher Weg ins Büro geht 4 Kilometer kontinuierlich aufwärts. Damit hat sich die Frage, wann und wo ich die nächsten Wochen morgens joggen gehe werde, nach meinem ersten Arbeitstag wieder erledigt – auch gut. Dazu hat es der Verkehr in sich. Ich war heilfroh, dass ich an meinem zweiten Arbeitstag einen Fahrradweg in Richtung Büro entdeckt habe. Und ab dem dritten Tag kam ich ohne die Hilfe von Google-Maps bei CJAS an, ohne mich zwischendurch in den vielen, kleinen Einbahnstraßen zu verirren.

CJAS – Centre Jove d’Atenció a les Sexualetats (Jugendzentrum für sexuelle Gesundheit) ist ein freier Träger, akkreditiert und finanziert vom katalanischen Gesundheitsministerium und der Stadtverwaltung Barcelona. Angeboten werden unter anderem Beratung und Testung im Rahmen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Das Team ist ähnlich aufgestellt wie in den Berliner Zentren, heißt, hier arbeiten Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen, Gynäkologinnen, Krankenschwestern und Hebammen. Weitere Mitarbeiterinnen bieten vor allem Workshops und Fortbildungen an oder arbeiten im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, dem Vertrags- und Rechnungswesen. Und natürlich eine Kollegin, die für die Terminplanung und der Organisation der Workshops und Fortbildungen verantwortlich ist.

Die erste Woche hatte ich die Gelegenheit bei den verschiedenen Beratungen zu hospitieren. Die Sprechzeiten sind Montag bis Donnerstag von 11 bis 19 Uhr und Freitag bis 17 Uhr, ich habe also einen relativ langen Arbeitstag. Junge Frauen, die wegen einer Notfallverhütung (Pille danach), einem Schwangerschaftstest, einer Schwangerschaftskonfliktberatung oder wegen Fragen zu Verhütungsmethoden kommen, werden immer sofort beraten. Das Durchschnittsalter der jungen Leute liegt bei knapp 21 Jahren. Um diese Zielgruppe zu erreichen, muss die Kontaktaufnahme und Erreichbarkeit so unkompliziert wie möglich gestaltet werden. Heißt lange Sprechzeiten, viele Angebote ohne Termin, kurze Wartezeiten, Beratung und Kontaktaufnahme auch telefonisch, über Email und What’s App. Und natürlich – ganz, ganz wichtig – wifi im Wartebereich.

An einem Tag begleitete ich die Sozialarbeiterin Raquel in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Sie gab für die zehn Sozialarbeiterinnen der Einrichtung einen sechsstündigen Workshop zum Thema Sexualerziehung in Wohnprojekten. Es wurde sehr offen, rege und laut diskutiert, ganz ohne Moderation oder Meldungen, ständig wurde zwischen den Sprachen Castellano und Catalan gewechselt. In der Regel beherrschen die Katalanen beide Sprachen gleich gut und wechseln damit innerhalb eines Gesprächs, manchmal auch innerhalb eines Satzes, immer wieder die Sprache. Zwischenzeitlich hatte ich Mühe dem Diskussionsverlauf zu folgen. Eine so lebhafte und turbulente Diskussion habe ich unseren Arbeitskreisen, Fortbildungen usw. eher selten erlebt. Jedenfalls gab es bei diesem Thema viel zu lachen…

Ich bin sehr gespannt, was die kommende Woche mit sich bringt.

Angela Scherer

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