Stolpersteine Pariser Str. 6

Hausansicht Pariser Str. 6, Foto: H-J. Hupka

Hausansicht Pariser Str. 6, Foto: H-J. Hupka

Die folgenden Stolpersteine wurden am 22.6.2014 verlegt.

Die Geschwister Knopf wurden in Birnbaum (poln. Miedzychod) in Posen geboren, Hedwig am 17. Januar 1883, Lina am 5. Januar 1885 und Martin am 31. März 1891.
Der Vater hieß Salomon (Sally) Knopf, er war Kaufmann, der Name der Mutter ist unbekannt. Die Eltern zogen mit ihren Kindern von Birnbaum nach Berlin, wie viele andere Familien aus Birnbaum mit dem Nachnamen Knopf.
Die kleine Stadt Birnbaum galt mit ihren 11000 Einwohnern als „Wiege der deutschen Kaufhäuser“. Oscar Tietz ist der bekannteste der Kaufhausgründer. Aber nicht nur die Familie Tietz stammte aus Birnbaum, sondern auch sieben weitere jüdische Warenhausgründer, wie die weniger bekannten Familien Ury und Knopf.
Ob Salomon Knopf und seine Kinder mit den Kaufhausbesitzern verwandt waren, ist denkbar aber nicht nachgewiesen. Die Familie Knopf wohnte in Berlin in der Jablonskistraße 20 in Prenzlauer Berg. Salomon Knopf verstarb 1929 in der Jüdischen Privatklinik Dr. Alexander in der Trautenaustraße 5, seine Frau war einige Jahre vor ihm -1924 oder 1925- verstorben.

Stolperstein Hedwig Goldstein, Foto:H.-J. Hupka

Stolperstein Hedwig Goldstein, Foto:H.-J. Hupka

HIER WOHNTE
HEDWIG GOLDSTEIN
GEB. KNOPF
JG. 1883
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Hedwig Goldstein geb. Knopf war mit dem Kaufmann Hugo Goldstein verheiratet, die Ehe blieb kinderlos. 1925 verstarb Hugo Goldstein in einer Privatklinik am Nollendorfplatz. Hedwig arbeitete als Näherin und wohnte zunächst mit ihrem Mann, später als Witwe in der Grolmannstraße 62, ab dem 17. August 1938 war sie in der Pariser Straße 6 im Gartenhaus, 4.Etage gemeldet. Hedwig wurde vor der Deportation in die Auguststraße 17 eingewiesen. Das ursprünglich als jüdisches Ausbildungsheim für Krankenpflege gegründetes Haus diente ab 1936 als Mädchen- und Frauenwohnheim der Jüdischen Gemeinde. Es war für wohnungslose Frauen und Mädchen ein Obdach und wurde zur Zeit der Massendeportationen auch als Sammelstelle für die Menschen eingerichtet, deren Abtransport in die Vernichtungslager bevorstand. Am 12. Januar 1943 wurden 74 Personen aller Altersstufen aus der Auguststraße 17 in einem insgesamt 1196 Menschen umfassenden Transport in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Fast alle wurden sofort in den Gaskammern von Birkenau ermordet.

Stolperstein Lina Knopf, Foto:H.-J. Hupka

Stolperstein Lina Knopf, Foto:H.-J. Hupka

HIER WOHNTE
LINA KNOPF
JG. 1885
DEPORTIERT 9.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Lina Knopf , Hedwigs jüngere Schwester, blieb ledig und kinderlos. Eine Berufsangabe ist in den vorhandenen Dokumenten nicht zu finden. Lina wohnte bis 1931 in der Jablonskistraße 20 in der elterlichen Wohnung. 1938 zog sie zu ihrer Schwester Hedwig in die Pariser Straße 6. Wo sie zwischenzeitlich gelebt hat, ist unbekannt. Sie bewohnte dort ein Zimmer, ausgestattet mit einem Tisch, zwei Stühlen, einem Bettgestell, einem Waschtisch, zwei Kleiderschränken, einer Chaiselongue, einer Liege, einem Ziertisch und einer Musiktruhe. So ihre Angaben in der „Vermögenserklärung“, die alle Juden wenige Tage vor ihrer Deportation auszufüllen hatten. Möglicherweise hatte der Bruder Martin dort vorher schon gewohnt. Er gab jedenfalls in seiner „Vermögenserklärung“ an, schon seit 1936 unter dieser Adresse gemeldet gewesen zu sein. Am 9. Dezember 1942 wurde Lina Knopf als erste der drei Geschwister deportiert. Der „24. Osttransport“, mit dem sie in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurde, umfasste 1060 Menschen. Wir wissen nicht, ob Lina Knopf zu den 25 Frauen gehörte, die in das Lager eingewiesen wurden, oder ob sie sofort nach ihrer Ankunft in einer Gaskammern sterben musste.

Stolperstein Martin Knopf, Foto:H.-J. Hupka

Stolperstein Martin Knopf, Foto:H.-J. Hupka

HIER WOHNTE
MARTIN KNOPF
JG. 1891
DEPORTIERT 19.4.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Martin Knopf machte in Berlin eine ungewöhnliche Karriere. Nach dem Schulabschluss arbeitete er als Ermittlungsbeamter bei der Firma Siemens & Halske.
Aus dem ersten Weltkrieg, in den er als Kriegsfreiwilliger eingetreten war, kam Martin Knopf verwundet zurück. Wieder zurück in Berlin, machte er sich als Detektiv selbstständig und gründete 1919 die Firma „Ermittlungs Zentrale Martin Knopf – Jerusalemer Straße 22“.

Am 30. März 1922 heiratete er die am 26. August 1885 in Gestenhof bei Nürnberg geborene Emilie Busse geborene Lauinger. Emilie hatte zwei Töchter aus ihrer ersten Ehe, Bertha und Eva Gertrud.
Emilie erinnerte sich, dass Martin Knopf vor der Eheschließung in einer gut eingerichteten Junggesellenwohnung im Bayrischen Viertel in Schöneberg lebte. Die Familie zog dann in eine 4-Zimmerwohnung in der Hardenbergstraße 13 und später in eine 5-Zimmerwohnung in der Flotowstraße 6, „mit allem Komfort“. Es ging der Familie finanziell gut. „Mein Ehemann besaß einen Personenkraftwagen. Ich beschäftigte in der Wohnung ein Mädchen und eine Aufwartefrau…..Wir lebten damals sorgenfrei.“, erklärte Emilie später gegenüber dem Entschädigungsamt.

Martin Knopf kaufte 1927 die alteingesessene Firma „Auskunftei Schmeisser & Co“ auf und wurde deren alleiniger Inhaber. Die Räume in der Jerusalemer Straße waren nach der Ausweitung seiner Firmen zu klein geworden und er zog mit seinen Ermittlungszentralen um in die Friedrichstraße 167.
Martin Knopf galt in seinem Fach als Spezialist und wurde von der Großindustrie und Großbanken zur Aufklärung von Scheckfälschungen herangezogen. Für die IG Farben klärte er unter anderem einen Patentdiebstahl auf, ausgeführt von einem Direktor des Konzerns.

Der Bankoberbeamte und Kriminalist der Deutschen Bank, Franz Barczel, fand nur lobende Worte für ihn:

bq. Abgesehen davon, daß Knopf Schwindler und Schwindlerinnen, von denen die Welt sprach, entlarvt hat oder zu ihrer Entlarvung Wesentliches beigetragen hat, so z.B. die Affären des falschen Prinzen Wilhelm von Preussen alias Domela, der Anastasia, des ‚Kronprinzen‘ von Kurdistan u.a. mehr, hat er auch bei der Aufklärung von Fälscher – Affären größten Ausmaßes oft mitgewirkt.

Laut Angaben von Emilie Knopf erschien in der Illustrierten „Der Stern“ Nr. 16 vom 21. April 1956 ein Foto von Martin Knopf und er wurde in seiner Eigenschaft als Privatdetektiv im Zusammenhang mit dem Fall „Anastasia“ erwähnt.

Er arbeitete auch eng mit dem Berliner Polizeipräsidium am Alexanderplatz zusammen. Zu verschiedenen Kriminalbeamten unterhielt er freundschaftliche Beziehungen, der Kriminalrat Karl Herrmann Krüger war sogar sein Trauzeuge. Im Fall der bekannten Bankräuber Sass war Martin Knopf ebenfalls in die Ermittlungen eingeschaltet, auch wenn er die Brüder damals nicht überführen konnte. Natürlich bearbeitete er auch eine große Anzahl von Einzelaufträgen, u.a. für bekannte Strafverteidiger.

Martin Knopf wurde seit 1933 beruflich völlig aus der Bahn geworfen. Er vertraute Franz Barczel 1936 kurz nach der Olympiade an, er wolle schweren Herzens Berlin, das seine zweite Heimat geworden sei, verlassen und nach Frankreich gehen, wo er sowohl in Paris als auch in Marseille gute Beziehungen zur Sûreté unterhielt. 1937 gingen seine Geschäfte so schlecht, dass er im November einen Offenbarungseid leisten musste und die Firma im Mai 1938 aus dem Handelsregister gelöscht wurde.

Aus den Plänen, nach Frankreich zu emigrieren, wurde nichts. Emilie Knopf flüchtete im April 1939 nach England. Ihre Tochter Bertha war ebenfalls zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach England ausgewandert. Emilie wollte dort für Martin einen Bürgen finden, um seine Ausreise zu ermöglichen. Das misslang jedoch. Sie selbst arbeitete als Köchin und Sekretärin in den Londoner Hyde Park Mansions, Chapel Street 5. Martin wurde indessen in Berlin zur Zwangsarbeit bei Siemens & Schuckert im Labor für einen Hungerlohn von 22 RM monatlich herangezogen. Seine Wohnung hatte er aufgeben müssen. Er hatte schon seit 1936 in der Pariser Str. 6, vermutlich auch mit seiner Frau Emilie, gewohnt. Unklar ist, wer der Hauptmieter der Wohnung war, Hedwig Goldstein, die dort erst ab 1938 gemeldet war, oder Martin, der in seiner „Vermögenserklärung“ angab, ein Zimmer zur Untermiete bei seiner Schwester bewohnt zu haben.

Über Martins Knopfs Vermögen existieren widersprüchliche Aussagen. Er selbst gab in seiner „Vermögenserklärung“ an, der Eigentümer der Grundstücke und Häuser Kurfürstendamm 26 und Sakrower Landstraße 87 in Kladow gewesen zu sein. Das Haus am Kurfürstendamm habe einen Wert von 2 000 000 RM gehabt, belastet mit 300 000 RM von der „Zentral Boden Kredit“, und das unbelastete Grundstück mit vier Häusern und einer Scheune in Kladow sei 700 000 RM wert gewesen. Im Schriftverkehr zwischen dem Oberfinanzpräsidenten und anderen Behörden in den Jahren 1943 und 1944 wurde jedoch mehrfach darauf verwiesen, dass beide Immobilien seit 1925 im Besitz des jüdischen Gastwirts Karl Kutschera gewesen seien. Ob und wann Karl Kutschera Grundbesitz von Martin Knopf erworben haben soll, konnte nicht belegt werden.

Martin Knopf wurde als letzter der drei Geschwister am 19. April 1943 mit dem 37. Osttransport in das Konzentrations-und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Insgesamt waren 681 Menschen aus Berlin, Potsdam und anderen kleineren Orten in Brandenburg in dem Zug. Ob Martin Knopf zu den Häftlingen gehörte, die nach der Ankunft registriert und in das Lager eingewiesen wurden, oder ob er sofort in einer der Gaskammern in Birkenau ermordet wurde, ist nicht bekannt.

Eva Gertrud Busse, die jüngste Tochter aus der ersten Ehe von Emilie Knopf, geboren am 07. Juni 1909 in Berlin emigrierte in die Niederlande. Am15. Juli 1942 wurde sie gefangen genommen und in das Sammellager Westerbork verbracht, von wo aus sie noch am selben Tag nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.

Ihre ältere Schwester Bertha lebte in England, heiratete und bekam einen Sohn.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin WGA
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 – 1944
Scheer, Regina: “AHAWAH Das vergessene Haus“
http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/408-birnbaum-posen

Stolperstein Margarete Mathias, Foto:H.-J. Hupka

Stolperstein Margarete Mathias, Foto:H.-J. Hupka

HIER WOHNTE
MARGARETE MATHIAS
GEB. BIBO
JG. 1898
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Margarete Bibo kam am 29. November 1898 als Tochter des Kaufmanns Isidor Bibo *3. Oktober 1870 und seiner Frau Jenny geborene Davidsohn *4. Juli 1871 auf die Welt. Margarete hatte fünf Geschwister, Hans wurde am 23. Januar 1894 geboren, Else am 23. Dezember 1895, Erna am 9. Mai 1897, Lilli am 31. März 1900 und Alfred am 3. Juli 1909. Alle Kinder wurden in Berlin geboren. Das Schicksal von Else und Erna ist unbekannt.

Die am 19. Juli 1893 geschlossene Ehe von Isidor und Jenny Bibo wurde am 23. Juli 1920 wieder geschieden. Wenige Monate nach der Scheidung von Jenny heiratete Isidor am 31. Dezember 1920 die 1878 geborene Emma Ißleib. Emma war noch nicht Isidors letzte Ehefrau. Er heiratete später die am 1. April 1908 geborene Klara Gutsche aus Kotzenau. Mit ihr hatte er, inzwischen 61jährig, ein siebtes Kind. Ursula Bibo kam am 20. Juni 1931 auf die Welt. Mit ihr hatten die Geschwister Bibo noch eine Halbschwester bekommen. Später stellte Ursula zusammen mit ihren Halbgeschwistern Hans, Lilli und Alfred einen Entschädigungsantrag. Zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in Berlin.

Isidor und Jenny Bibo waren beide Kunst- und Antiquitätenhändler. Isidors Geschäft war zuerst in der Bismarckstraße 62, ab 1929 in der Danckelmannstraße 33, danach in der Lutherstraße 9 gemeldet. Unter dem Namen seiner ersten Frau, Jenny Bibo, war bis 1935 unter der Adresse Neustädtische Straße 17 ein Kunst- und Antiquitätenhandel eingetragen. Nach ihrer Scheidung hatten sie ihre Geschäfte eigenständig getätigt. Der Sohn Hans sprach davon, dass seine Eltern in Berlin bekannte Kunsthändler gewesen seien. Er selbst tat es seinen Eltern gleich, auch er wurde Kunst- und Antiquitätenhändler. Sein Geschäft befand sich in der Friedrichstraße 13, ab 1934 in der Hedemannstraße 11.

Am 11. Dezember 1923 heiratete Margarete den Kürschnermeister und Rauchwarenhändler Erich Mathias. Der gemeinsame Sohn Heinz Siegfried – oft auch Heini genannt – wurde am 25. August 1928 geboren. Die Familie wohnte von Anfang an in einer 5 ½ Zimmerwohnung in der Pariser Straße 6. Die Wohnung war mit wertvollem Mobiliar ausgestattet, das Schlafzimmer war aus Mahagoni und Rosenholz gefertigt, es gab einen Damensalon, ein Herrenzimmer, ein Fremdenzimmer und Heinz‘ Kinderzimmermöbel waren aus weißem Schleiflack. Das Ehepaar besaß auch Bilder zeitgenössischer Maler sowie altes Porzellan und Edelmetalle. Eine komplette Wohnungseinrichtung und je eine größere Summe Bargeld erhielten Margarete und ihre Schwester Lilli als Aussteuer von ihren Eltern. Margaretes wertvolle Pelze waren Geschenke ihres Ehemannes. Erich Mathias‘ Pelzgeschäft befand sich anfänglich in der nahe gelegenen Pfalzburger Straße, ab 1929 in der Beuthstraße 19/20. Diese Angabe ist seit 1935 nicht mehr in den Adressbüchern zu finden, fortan war er nur noch unter seiner Privatadresse eingetragen. Die Ehe von Margarete und Erich Mathias wurde am 14. Januar 1939 geschieden – aus Verschulden des Ehemannes, wie der Bruder Hans Bibo später erklärte. Erich Mathias‘ Spur verliert sich ab diesem Zeitpunkt. Der einzige im Gedenkbuch eingetragene Erich Mathias war im November 1938 bis zum 14. Dezember desselben Jahres in Sachsenhausen interniert und wurde am 14. April 1942 in das Warschauer Getto deportiert, wo er im Mai desselben Jahres ums Leben gebracht wurde. Es ist möglich, dass es sich hierbei um Margaretes Ehemann handelte, denn in der Akte des Oberfinanzpräsidenten findet sich ein Schreiben der BEWAG. „Meldung über evakuierte Juden: Unser früherer Abnehmer Erich Mathias, Pariser Str.6 evakuiert.“

Margarete lebte nach der Scheidung mit ihrem Sohn Heinz in der großen Wohnung in der Pariser Straße. Zwei ihrer Geschwister hatten bereits das Land verlassen. Alfred Bibo flüchtete 1936 nach Argentinien, wo er fortan Alfredo hieß. Lilli Bibo, verheiratete Schäfer – später Shepherd – war 1938 in die USA emigriert. Hans Bibo hatte 1935 sein Geschäft als Kunst- und Antiquitätenhändler aufgeben müssen und seine Wohnungen wurden ihm nacheinander kurzerhand gekündigt. Seit1932 war er mit Frieda Wisniewski verheiratet. Ab 1941 leistete er bis zum Einmarsch der russischen Armee Zwangsarbeit. Aber er überlebte den Holocaust in Berlin und wohnte nach dem Krieg bis zu seinem Tod 1969 in der Giesebrechtstraße 12.

Isidor Bibo nahm sich am 18. März 1944, entrechtet, seines Lebenswerkes beraubt und angesichts der drohenden Deportation das Leben. Über den Tod seiner ersten Frau Jenny – Margaretes Mutter – wissen wir nichts.

Margarete wurde ebenfalls zur Zwangsarbeit für einen Hungerlohn von 20 RM Wochenlohn zuerst bei Siemens und später AEG herangezogen. Davon konnten sie und Heinz nicht leben, die Gesamtmiete allein kostete schon 145 RM. Außer Margarete und Heinz lebten noch ihre frühere Hausangestellte Hanna Schapp und zwei weitere, zwangsweise einquartierte Untermieter bei ihnen. Heinz musste in seinen jungen Jahren mitarbeiten. Er war in der Jüdischen Kultusvereinigung beschäftigt und konnte so einen kleinen Zuschuss zum Lebensunterhalt beitragen.

Margarete Mathias wurde am 3. März 1943 von der Gestapo an ihrer Arbeitsstelle festgenommen und abtransportiert. Gleichzeitig holten sie den 15jährigen Heinz aus der Wohnung in der Pariser Straße. Mutter und Sohn wurden zunächst in die als Sammelstelle missbrauchte Synagoge in der Levetzowstraße 8 gebracht und sogleich mit demselben Transport in den sicheren Tod geschickt.

Mit dem 33. Osttransport, dem 3. Transport aus Berlin nach der “Fabrikaktion”, wurden ausschließlich Berliner Juden nach Auschwitz deportiert. Am 27. Februar 1943 hatten SS und Gestapo begonnen, jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den Fabriken zu holen und in Sammellager in der ganzen Stadt zu bringen. Die letzten noch in Berlin verbliebenen Juden sollten in den Vernichtungslagern ermordet werden. Der Transport umfasste 1750 Menschen, 1033 von ihnen wurden gleich nach Ankunft des Zuges in den Gaskammern von Birkenau ermordet. Ob Margarete und ihr Sohn Heinz zu ihnen gehörten, oder ob sie noch registriert und ins Lager eingewiesen wurden, ist nicht bekannt.

Für Heinz Mathias wurde bisher kein Stolperstein vor dem Haus verlegt.

Text und Recherche: Karin Sievert

Quellen:

  • Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der
    nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
  • Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde
  • Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
  • Landesarchiv Berlin
  • WGA
  • Deportationslisten
  • Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Stolperstein Alfred Rosenthal, Foto:H.-J. Hupka

Stolperstein Alfred Rosenthal, Foto:H.-J. Hupka

HIER WOHNTE
ALFRED ROSENTHAL
JG. 1903
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Alfred Rosenthal kam am 19. Oktober 1903 in Budsin, Kreis Kolmar, dem heutigen Budzyn, in Posen auf die Welt. Seine Eltern hießen Samuel und Bertha Rosenthal. Alfred war der Jüngste der vier Geschwister Rosenthal. Sein ältester Bruder war Ludwig *19. Juli 1897, gefolgt von Margarete *15.August 1898 und Käthe *15. Februar 1901.

Käthe Rosenthal heiratete am 9. Dezember 1930 in Berlin Theodor Adolph Altenberg; sie bekamen am 23. Mai 1935 die Tochter Beatrice Jenny. Die Familie emigrierte in die USA und lebte in Los Angeles.
Ludwig Rosenthal wohnte in Prenzlauer Berg, Weissenburger Straße 72 mit seiner Ehefrau Gerda (Gertie) geborene Lewitz.
Margarete Rosenthal wohnte in Schöneberg, sie blieb unverheiratet und verbrachte ihre letzten Lebensjahre bis zu ihrer Ermordung zusammen mit ihrem Bruder Alfred.

Alfred Rosenthal hatte beruflich die Auslieferung des „Jüdischen Gemeindeblattes“ an rund 40000 Abonnenten unter sich. Er führte den „Botendienst Alfred Rosenthal“ als selbstständiges Unternehmen, in dem er zahlreiche Angestellte als Zusteller beschäftigte. Im Januar 1939 wurde das Blatt verboten.

Am 26. März 1938 Jahr heiratete er die am 7. März 1911 in Hildesheim geborene Dorothea Karoline Loewenstein, Tochter des jüdischen Dentisten August Loewenstein und seiner nichtjüdischen Frau Maria. Dorothea hatte 1930 ein Philologiestudium in Berlin begonnen und musste als Halbjüdin 1933 das Studium abbrechen und die Universität verlassen. Sie arbeitete daraufhin in dem jüdischen „Schocken Verlag“ als Sekretärin – Salman Schocken war Zionist und verlegte jüdische Autoren. Ende 1938 verlor sie die Stellung, da der Verlag aufgelöst wurde. Das junge Ehepaar stand nun völlig ohne Einkünfte da. Alfred und seine Frau sahen nur in der Auswanderung nach England einen Ausweg. Dorothea erhielt ihr Visum als Erste und reiste sogleich im Juni 1939 aus. Alfred war bereits im Besitz eines gültigen deutschen Auswanderungspasses, sein Visum war jedoch noch in Bearbeitung, als der Krieg ausbrach und die Grenzen geschlossen wurden. In Liverpool arbeitet Dorothea als Dienstmädchen und wohnte mit 8 weiteren Flüchtlingen in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Bis zu ihrem Tod 2004 in Manchester lebte sie in sehr bescheidenen Verhältnissen.

Zur Zeit der Eheschließung wohnte Alfred Rosenthal in der Lutherstraße 52, der späteren Keithstraße 16. Dorothea hatte bis dahin bei ihrer Mutter Maria Loewenstein in der Neuen Kantstraße 27 gelebt. Nach der Ausreise seiner Frau zog Alfreds Schwester Margarete mit in die 3-Zimmer Wohnung ein, einer Aussage Dorotheas zufolge wohnte auch sein 90jähriger Vater Samuel bei ihm. Infolge des Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden konnten jüdische Mieter von heute auf morgen gekündigt und zwangsumgesetzt werden. Dadurch sollten bevorzugt große „Judenwohnungen“ freigemacht werden, um Wohnraum für Funktionäre des NS – Regimes zu schaffen. Die Vermieterin der Wohnung in der Keithstraße gab an, dass die jüdischen Mieter am 30. Juni 1942 die Wohnung räumen mussten und auf sechs Wochen notdürftig in der Hohenstaufenstraße 13 untergebracht wurden, von wo aus sie laut Gestapo evakuiert wurden. Auf der Deportationsliste ist allerdings die Keithstraße 16 als letzte Adresse angegeben. Vorübergehend muss Alfred Rosenthal auch als Untermieter in der Pariser Straße 6 gewohnt haben, denn in der Volkszählung vom Mai 1939 wurde er dort namentlich erfasst.

Alfred wurde gleich nach seinem gescheiterten Ausreiseversuch in Berlin zu schwerster Zwangsarbeit im Straßenbau herangezogen, danach arbeitete er bis zum Tag seiner Deportation in der Akkumulatorenfabrik in Oberschöneweide. Auch für einen 39jährigen Mann war das eine kräftezehrende Schufterei, zumal es Juden untersagt war, sich nach den langen Arbeitstagen in den öffentlichen Verkehrsmitteln hinzusetzen.

Seine bei ihm wohnende Schwester musste bei Osram in der Helmholtzstraße Zwangsarbeit leisten.

Am 15. August 1942 wurden Alfred und Margarete Rosenthal von der Gestapo abgeholt und vom Güterbahnhof Moabit aus mit dem „18. Osttransport“ nach Riga verschleppt. Nach drei qualvollen Tagen in den Güterwaggons wurden die etwa 1000 Insassen des Zuges bald nach ihrer Ankunft auf dem Bahnhof Riga – Skirotava in den Wäldern von Rumbula und Bikernieki ermordet.

Ludwig Rosenthal, der ältere Bruder, wurde am 4. März 1943 nach Auschwitz deportiert und kam dort 11 Tage später ums Leben. Seine Frau Gerda war drei Tage vor ihm nach Auschwitz deportiert und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt ermordet worden.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
  • Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
  • Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde
  • Deportationslisten
  • Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Stolperstein Heinz Mathias

Stolperstein Heinz Mathias

HIER WOHNTE
HEINZ MATHIAS
JG. 1928
DEPORTIERT 3.3.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ