Drucksache - 0298/4  

 
 
Betreff: Datenschutz bei Räumungsklage
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Wuttig/Al Abed 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
16.08.2012 
11. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
Beantwortung

Ich frage das Bezirksamt:

Ich frage das Bezirksamt:

 

1.                   Auf welcher Rechtsgrundlage übermittelt das Amtsgericht Charlottenburg die persönlichen Daten von Personen, gegen die eine Räumungsklage erhoben wurde, an das Bezirksamt?
 

2.                   Wer hat Zugriff auf die übermittelten Daten und wie verfährt das Bezirksamt mit Daten von Personen, die keine Hilfe in Anspruch nehmen wollen?
 

3.                   Wie viele Personen haben in 2011 die Hilfe des Bezirksamtes zur Erhaltung Ihres Mietverhältnisses bzw. Ihres Wohnraumes in Anspruch genommen?
 

4.                   Auf welche Weise greift das Bezirksamt wann  in den Vorgang ein, d. h. mit welchen Mitteln hilft das Bezirksamt Menschen, denen der Verlust ihrer Wohnung in einem Räumungsrechtsstreit droht und wer wird in den Vorgang mit einbezogen (Vermieter bzw. dessen Rechtsanwälte, Gericht, etc.)?
 

5.                   Welche Kosten sind im Jahr 2011 für die Bearbeitung der Mitteilungen des Amtsgerichts Charlottenburg zu den anhängigen Räumungsklagen entstanden und wie viele Mietverhältnisse der Personen, die Hilfe des Bezirksamtes in Anspruch genommen haben, konnten erhalten werden?

 

 

Zur Beantwortung Herr BzStR Engelmann:

 

 

Frau Vorsteherin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich beantworte die Große Anfrage der SPD-Fraktion im Namen des Bezirksamtes wie folgt:

 

Zu 1.

Gemäß Abschnitt 2 Ziffer 4 der allgemeinen Verfügung der Anordnung über die Mitteilung in Zivilsachen sind die Amtsgerichte verpflichtet, eingehende Klagen der Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzug des Mieters nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 569 Abs. 3 BGB dem Bezirksamt, Bereich Soziales, bzw. dem Job Center mitzuteilen, je nach dem welche Stelle in jeweiligen Amtsgerichtsbezirk für die Entgegennahme zuständig ist. Weitere Rechtsgrundlagen ergeben sich aus § 22 Abs. 9 SGB II für Leistungsempfangende von ALG II und anlog § 36 Abs. 2 SGB XII, für alle anderen Bedürftigen.

 

In Charlottenburg-Wilmersdorf ist durch die Kooperationsvereinbarung mit dem Job Center geregelt, dass die Mitteilungen über Räumungsklagen direkt an die Abteilung Soziales und Gesundheit, soziale Wohnhilfe, weitergeleitet werden. Diese Regelungen dienen dazu, umgehend Beratungshilfen anbieten zu können. Mitzuteilen sind dabei:

 

1.      der Tag des Eingangs der Klage und  falls die Klage bereits zugestellt ist, auch der Tag der Rechtshängigkeit der Klage,
 

2.      die Namen und Anschriften der Parteien,
 

3.      die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete sowie
 

4.      die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
 

5.      der Termin der mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
 

 

zu 2.

Alle Mitteilungen zur Räumungsklagen vom Amtsgericht Charlottenburg werden in der Arbeitsgruppe Sozialdienst für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe zentral erfasst. Anschließend wird festgestellt, ob minderjährige Kinder betroffen sind. In diesen Fällen geht die Mitteilung umgehend an den jeweils zuständigen, regionalen sozialpädagogischen Dienst (RSD) im Jugendamt. Analog wird mit dem Gesundheitsamt verfahren. Der überwiegende Anteil der Mietaufhebungsklagen verbleibt im Sozialdienst für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe. Allen Betroffenen wird umgehend ein schriftliches Beratungsangebot mit dem Verweis auf die zuständige Sozialarbeiterin unterbreitet. Die Daten der Personen, die keine Hilfen in Anspruch nehmen, werden nach zwei Jahren vernichtet.

Auf die Daten der eingegangenen Räumungsklagen haben bis zur Verteilung in Folge anderer Zuständigkeiten ausschließlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Sozialdienst für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe Zugriff.

 

Zu 3.

Im Bezirksamt gibt es keine statistische Erfassung über eingehende Mitteilungen des Amtsgerichts Charlottenburg, des Grundsicherungsamtes oder des Jobcenters über Mieträumungsklagen oder Mietrückstände. Beispielhaft kann hier die Datenlage des Sozialdienstes für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe genutzt werden. Insgesamt wurden 1.520 Personen zu Miet- und/oder Energierückständen beraten und ggf. entsprechende Hilfen umgesetzt oder eingeleitet. Im Jahr 2011 wurden durch die Sozialarbeiterinnen des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes insgesamt 16 Familien beraten, die vom Verlust ihres Wohnraums bedroht waren bzw. sie wurden bei der Erhaltung des Mietverhältnisses unterstützt. Davon waren insgesamt acht Familien von einer Räumungsklage betroffen, die teilweise abgewehrt werden konnte. Teilweise fanden die Familien selbst neuen Wohnraum im Vorfeld der Räumung oder konnten die Mietschulden begleichen.

 

Zu 4.

Hierbei bestehen verschiedene Zugänge der Betroffenen. Zum einen, wie oben beschrieben, Menschen, die das Beratungsangebot des Anschreibens annehmen, zum anderen Verweise der Betroffenen des Job Centers an den Sozialdienst für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe, mit Hilfe eines schriftlichen Prüfungsauftrages oder Selbstmelder oder Träger der Maßnahmen für Leistungen nach § 67 und § 68 SGB XII sowie andere Beratungsstellen. Grundsätzlich wird der Sozialdienst für Erwerbsfähige und soziale Wohnhilfe nur dann tätig, wenn die Betroffenen damit einverstanden sind und mitwirken. Anzumerken hierzu wäre, dass die Betroffenen auch im eigenen Interesse ihre finanzielle Lage und die soziale Situation offenlegen, damit ggf. zur Erhaltung des Wohnraums oder Mietverhältnisses eine sozialpädagogische Stellungnahme gegenüber der kostenbewilligenden Stelle abgegeben werden kann. Der o. g. Sozialdienst berät und prüft die Kostenübernahme von Mietrückständen gemäß den rechtlichen Voraussetzungen. Sind die rechtlichen Voraussetzungen zur Kostenübernahme von Mietrückständen erfüllt, werden entsprechend verbindliche Stellungnahmen gegenüber dem Job Center und oder den Leistungsstellen des Sozialamtes erstellt.

 

Darüber hinaus wird geprüft, ob zusätzlich betreuende Hilfen, also Maßnahmen nach § 67 und § 68 SGB XII zum Erhalt oder zur Erlangung von Wohnraum, erforderlich sind und diese werden bei Bedarf eingeleitet. Eine entsprechende befürwortende Stellungnahme wird nur abgegeben, wenn der Wohnraum bzw. das Mietverhältnis tatsächlich erhalten bleibt. Hierzu ist eine Äußerung des Vermieters erforderlich, die durch die Betroffenen selbst beigebracht wird oder per Ausnahme auch mal telefonisch erfolgt. Sofern die Voraussetzungen zum Erhalt des Wohnraums nicht erfüllt sind, erfolgt die Prüfung der Vermittlung von Wohnraum aus dem geschützten Marktsegment und/oder an die Vergabestelle für die bezirklichen Seniorenwohnhäuser. Alle Antragstellerinnen und Antragsteller, die die Kostenübernahme von Mietrückständen beantragen, müssen gegenüber der Sozialarbeiterin eine Datenschutzerklärung unterzeichnen. Diese Erklärung ermöglicht den Sozialarbeiterinnen die persönliche Kontaktaufnahme zu allen in den Fall involvierten Adressaten. Diese können sein:

 

Das Job Center, Leistungsstellen des Sozialamtes, andere Stellen des Bezirksamtes, beispielsweise Seniorenwohnungen, das geschützte Marktsegment oder das Gesundheitsamt, der Vermieter, die Rechtsanwälte der Vermieter, der Gerichtsvollzieher und letztendlich alle anderen Maßnahmeträger.

 

Zu 5.

Zu den Kosten für die Bearbeitung der Mitteilungen des Amtsgerichts Charlottenburg zu den anhängigen Räumungsklagen können leider keine konkreten Angaben gemacht werden, da es hierfür kein eigenes Produkt und infolge dessen auch keine gesonderte statistische Erfassung gibt. Neben vielen weiteren Leistungen findet sich beispielsweise die Beratung und Stellungnahme zur Miet- und Energieschulden nach § 22 SGB XII im Produkt sozialpädagogische Beratung zur Erlangung und Sicherung von Wohnraum wieder. Für dieses Gesamtprodukt wurden im Jahre 2011 insgesamt 348.252,-- Euro an direkten Personalkosten veranschlagt. Eine Differenzierung der Kosten für die Bearbeitung der Mitteilung des Amtsgerichts Charlottenburg zu den anhängigen Räumungsklagen ist somit leider nicht möglich.

 

 

 


 

 
 

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