Drucksache - 1800/2  

 
 
Betreff: Mit Leichtbier leichter genießen
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Grüne/PDS (fraktionslos) 
Verfasser:Koska/Wagner/Apeloig 
Drucksache-Art:AntragVorlage zur Kenntnisnahme
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
26.01.2006 
48. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin überwiesen   
Ausschuss für Sport Beratung
09.02.2006 
48. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Sport      
09.03.2006 
49. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Sport      
Ausschuss für Sport Beratung
Ausschuss für Bauwesen Beratung
19.04.2006 
80. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Bauwesen      
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
18.05.2006 
52. Öffentliche/nichtöffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin      

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
1. Version vom 25.04.2006
2. Version vom 19.05.2006
3. Version vom 16.10.2006

Die BVV möge beschließen:

Die BVV hat in ihrer Sitzung am 18.05.2006 folgenden Beschluss gefasst:

 

 

Das Bezirksamt wird aufgefordert zu prüfen, wie ab der Fußballsaison 2006/2007 im direkten Umfeld des Olympiastadions an Veranstaltungstagen der ausschließliche Verkauf von alkoholreduziertem Bier (Leichtbier) gewährleistet werden kann. Der Verkauf und Ausschank anderer alkoholischer Getränke ist möglichst zu verbieten.

 

Der BVV ist bis zum 31.05.2006 zu berichten.

 

 

Hierzu wird Folgendes berichtet:

 

Die nachfolgende Darstellung bezieht sich sowohl auf Gewerbetreibende und Händler im Innenbereich des Olympiastadions als auch im unmittelbaren Bereich außerhalb des Stadions. Des weiteren beinhaltet die Darstellung die Einschätzung aus gaststättenrechtlicher Sicht als auch aus straßenrechtlicher Sicht.

 

1.      Einschätzung aufgrund gaststättenrechtlicher Normierung

 

a)     Betriebe außerhalb des Stadions

 

Anlässlich besonderer Veranstaltungen, wie z.B. die Veranstaltung von Fußballspielen, ist es aus gaststättenrechtlicher Sicht möglich, Beschränkungen des Alkoholausschankes durchzusetzen. Gemäß § 19 Gaststättengesetz (GastG) kann der gewerbsmäßige Ausschank alkoholischer Getränke vorübergehend für bestimmte Zeit und für einen bestimmten örtlichen Bereich ganz oder teilweise verboten werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

 

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Erforderlichkeit eines derartigen Verbots nur dann zu bejahen ist, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt; eine lediglich abstrakte Gefahr genügt nicht. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 28.4.1988 (VG 4 A 109.88) entschieden und die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs eines Imbissstandbetreibers auf dem Coubertinplatz gegen eine auf § 19 GastG gestützte Anordnung des damaligen Wirtschaftsamtes Charlottenburg anlässlich des Vierländerturniers des DFB, eines Schülerländerspiels und des DFB  - Pokalfinales 1988, mit der der Ausschank von alkoholischen Getränken jeglicher Art (auch Bier) vor, während und nach den Veranstaltungen im Olympiastadion untersagt wurde, wiederhergestellt. In dem Beschluss wird ausgeführt, dass der bloße Hinweis darauf, dass der DFB seinerzeit im Hinblick auf in der Vergangenheit durch alkoholisierte Zuschauer entstandene Schäden bei Fußballspielen ein absolutes Alkoholverbot gefordert habe, konkrete und durch das Verbot wirksam einzudämmende Gefahren nicht belege.

 

 

 

 

 

b)     Innerhalb des Olympiastadions

 

Im gesamten Bereich des Olympiastadions dürfen seit Beginn der Fußballsaison 2003/2004 mit Einwilligung des Polizeipräsidenten in Berlin alkoholische Getränke nach Maßgabe des § 23 der “Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen” des Vorstandes des Deutschen Fußballbundes (DFB) vom 9.5.2003 ausgeschenkt werden. Nach dieser Regelung kann bei nationalen Spielen mit ausdrücklicher Einwilligung der örtlich zuständigen Sicherheitsorgane der Ausschank von alkoholreduziertem Bier (Alkoholgehalt bis zu 3 %), Bier (mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 5 %) oder Getränken mit vergleichbar geringem Alkoholgehalt erfolgen. Bei internationalen Spielen gelten die Richtlinien der UEFA, nach denen ein Alkoholausschank im gesamten Stadionbereich nicht zulässig ist. Nach halbjähriger Testphase wurde die Einwilligung des Polizeipräsidenten – Direktion 2 - am 3.2.2004 unbefristet erteilt. Nach Abschluss der Umbauarbeiten im Olympiastadion ist bei der Konzessionierung der gastronomischen Einrichtungen der Ausschank von Alkohol mit den o. g. Einschränkungen entsprechend der Vorgabe des Polizeipräsidenten in Berlin genehmigt worden.

 

Dem Bezirksamt liegen keine negativen Erkenntnisse seit der Wiedereinführung des Vollbierausschanks im Olympiastadion vor, die eine restriktivere Handhabung erfordern würden. Zu berücksichtigen ist auch, dass infolge der vorangeschrittenen Kommerzialisierung des Sports im Zuge des Umbaus des Olympiastadions großzügige VIP- und Logenbereiche geschaffen wurden, die bei einem Alkoholverbot im gesamten Stadionbereich möglicherweise nicht mehr vermarktbar wären und damit die wirtschaftliche Existenz des Veranstalters Hertha BSC gefährdet sein könnte. Im Hinblick auf das unterschiedliche Gefahrenpotenzial wäre zwar eine Sonderregelung für den Alkoholausschank in den VIP- und Logenbereichen denkbar, die dadurch entstehende “Zwei – Klassen – Gesellschaft” war aber auch schon Thema in der BVV Charlottenburg (Kleine Anfrage KA 075/XVI vom 4.5.2000).

 

Aufgrund der zuvor beschriebenen Entwicklung liegt für das Bezirksamt keine Grundlage vor, den Alkoholausschank innerhalb des Stadiongeländes stärker einzuschränken. In dem umfassenden Sicherheitskonzept der Olympiastadion Berlin GmbH ist vorgesehen, dass Besucher, die unter Einfluss von Alkohol und/oder Drogen stehen, durch den vom Veranstalter zu stellenden Sicherheits- und Ordnungsdienst auszuschließen sind. Auch dürfen Besucher keine alkoholischen Getränke in das Stadion mitbringen. Es ist davon auszugehen, dass die Betreibergesellschaft einer derartigen Einschränkung unter Hinweis auf das umfassende Sicherheitskonzept des Olympiastadions mit rechtlichen Mitteln begegnen würde und bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine derartige Anordnung keinen Bestand hätte, da eine aktuelle Tatsache, die eine derartige Maßnahme begründen könnte, nicht dargelegt werden kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

2.      Darstellung aufgrund straßenrechtlicher Normierungen

 

Das Bezirksamt Charlottenburg sprach im Jahr 2000 aufgrund des vorliegenden Prüfauftrages der BVV Drs. Nr. XVI/1057 für alle Händler ein Verbot des Ausschankes von Vollbier aus (Bedingung in der Sondernutzungserlaubnis).

 

Wie bereits in der Schriftlichen Anfrage Nr. 912/2 dargelegt, wurde in einem daraus resultierenden Rechtsstreit durch das Oberverwaltungsgericht die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichtes aufgehoben, die zum Inhalt hatte, die Abgabe von Vollbier trotz der festgelegten Bedingung zu dulden. Die Einschränkung des Warenangebotes durch das Bezirksamt auf alkoholarmes Bier wurde damit wiederum als rechtmäßig anerkannt.

 

Innerhalb des Olympiastadions wurde zunächst als Probelauf bis Ende 2003 wieder der Ausschank von Vollbier zugelassen. Für die Händler außerhalb des Stadions wurde zunächst bis Ende 2003 und trotz anderslautender Einschätzung der Polizei, die Beschränkung auf alkoholarmes Bier aufrecht erhalten. Nach erfolgreichem Ablauf des Probelaufes wurde dann ab 2004 auch außerhalb des Stadions wieder der Ausschank von Vollbier zugelassen.

 

3.      Fazit:

 

Aus den zuvor dargelegten Erwägungen hält das Bezirksamt zurzeit weder ein generelles, auf § 19 GastG gestütztes Verbot zum Ausschank alkoholischer Getränke im Umfeld des Stadions noch eine Beschränkung des Alkoholausschanks im Stadion für adäquat.

 

Durchaus denkbar und umsetzbar ist allerdings, dass bei Spielen, die durch die Polizei im Vorfeld als besonders risikobehaftet eingeschätzt werden, ein auf § 19 GastG gestütztes Verbot verhängt wird, sofern die polizeiliche Lage- und Gefahrenanalyse belegt, dass dadurch einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entgegengetreten werden kann (z. B. Erkenntnisse über anreisende “Fans”, die insbesondere unter Alkoholeinfluss zu Störungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und Gesetzesverstößen neigen.

 

Grundsätzlich gilt ohnehin für alle Betriebe mit Alkoholausschank, dass gemäß § 20 Nr. 2 GastG der Ausschank von Alkohol an erkennbar Betrunkene verboten ist und gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 9 GastG bußgeldbewehrt ist.

 

Nicht unerwähnt sollte der Umstand bleiben, dass bei einer stärkeren Einschränkung des Alkoholausschanks im Umfeld des Stadions diejenigen, die den Besuch einer Fußballveranstaltung mit Alkoholkonsum verbinden, sich im Einzelhandel mit Bier und Spirituosen eindecken und diese vor dem Zugang zum Stadionbereich konsumieren. Dem könnte lediglich durch eine restriktivere Zugangskontrolle des Sicherheitsdienstes (z. B. “Pustekontrolle”) begegnet werden, da die gaststättenrechtlichen Maßnahmen insoweit ins Leere liefen.

 

Nach aktueller Befragung der zuständigen Polizeidienststelle bleibt festzustellen, dass sich im Hinblick auf den Ausschank von Vollbier auch bei risikobehafteten Spielen keinerlei negative Erkenntnisse ergeben haben. Diese Feststellungen decken sich ebenfalls mit den Aussagen der Sicherheitsbeauftragten von BVG und S-Bahn. Auch die Erkenntnisse aus den stattgefundenen Spielen der Fußballweltmeisterschaft 2006 erfordern keine Abkehr vom Vollbierausschank.

 

Das Bezirksamt bittet daher, den Beschluss als erledigt zu betrachten.

 

 

 

 

Monika Thiemen                                                                  Klaus-Dieter Gröhler

Bezirksbürgermeisterin                                                      Bezirksstadtrat


 

 
 

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