Auszug - Vorstellung der Erziehungs- und Familienberatung  

 
 
27. Öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses
TOP: Ö 4
Gremium: Jugendhilfeausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 07.06.2018 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 19:06 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Minna-Cauer-Saal
Ort: Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

 

Bereits vor Sitzungsbeginn wurden durch Frau Jacob (Leiterin der EFB) Flyer und Informationsmaterial auf den Tischen zur Kenntnis und Mitnahme verteilt.

 

Frau Röder begrüßt Frau Jacob mit der Bitte, über die Arbeit der EFB zu referieren und erteilt ihr das Wort.

 

Frau Jacob führt anhand einer PowerPoint-Präsentation (siehe Anlage) aus, dass Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Eltern oder an der Erziehung Beteiligte die Beratung der EFB in Anspruch nehmen können. Die EFB hat sich seit über 100 Jahren bewährt, verfügt über einen umfangreichen Erfahrungsschatz sowie klare Standards und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Vor 100 Jahren wurde diese noch von Psychiatern wesentlich geprägt. Im Jahr 1973 wurden die bis heute wichtigen „Grundsätze für die einheitliche Gestaltung der Richtlinien der Länder für die Förderung von Erziehungsberatungsstellen“ beschlossen, in denen die Eckpunkte des Selbstverständnisses der Erziehungsberatung wie Freiwilligkeit, Schweigepflicht, fachliche Unabhängigkeit, Kostenfreiheit und Multidisziplinarität formuliert wurden. Das Berliner Modell, welches bundesweit als einzigartig und innovativ eingeschätzt wird, hat sich bewährt. Das Abgeordnetenhaus hat im Jahr 2006 das Berliner Modell in die Regelversorgung überführt, ein Modell das in gemeinsamer Verantwortung sowohl durch öffentliche als auch freie Träger getragen wird. In der dazugehörigen Leistungs- und Qualitätsbeschreibung werden die berlinweit verbindlichen fachlichen Qualitätsstandards beschrieben. Die EFB ist eine Pflichtleistung, deren Fachkräfteausstattung in Anlehnung an die WHO Richtlinie von 1956 bemessen wird. Danach sind 13 Stellen als Berater(innen) für 100.000 Einwohner(innen) vorzuhalten. Im Land Berlin konnte diese Vorgabe bislang nicht umgesetzt werden, es fehlen derzeit insgesamt 284 Fachkräfte. Aufgrund der wachsenden Stadt und des Aufgabenzuwachses der EFB haben Bezirksstadträtinnen/-räte für Jugend im Jahr 2016 einstimmig gefordert, die Kapazität an Fachberater(innen) um eine Stelle beim freien Träger und um eine Stelle in der kommunalen EFB pro Bezirk auszubauen, um dem Ausstattungsmangel in einem ersten Schritt zu begegnen. Der Landesjugendhilfeausschuss unterstützt dies und will dies im Sommer in einem Beschluss untermauern.

 

Die EFB des Bezirks befindet sich seit ca. 10 Jahren am Standort Haubachstr. 45 in 10585 Berlin, abgegrenzt von allen anderen Bereichen des Jugendamtes und bietet Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Eltern oder an der Erziehung Beteiligten niedrigschwellige Hilfen an. Kinder und Jugendliche dürfen auch ohne ihre Eltern beraten werden, wenn ansonsten die Beratung verhindert werden würde. Die Berater(innen) werden je nach Alter des Kindes und Problemstellung versuchen, von den Kindern das Einverständnis zu bekommen, ihre Eltern einbeziehen zu dürfen.

Die Beratungen erfolgen auf Wunsch auch anonym, folgen dem Grundsatz der Freiwilligkeit und unterliegen der Schweigepflicht. Der Zugang zu den Beratungsstellen/Hilfen ist niedrigschwellig, indem er für alle Berliner(innen) ohne Antragsverfahren und ohne Krankenschein möglich ist. Das Klientel kommt meist auf Empfehlung der Schulen, Kitas, Ärzte etc.. Das Erstgespräch soll innerhalb von zwei bis vier Wochen, bei Dringlichkeit innerhalb von 48 Stunden stattfinden. Bei Flexibilität der Ratsuchenden ist dies auch möglich. Viele der Ratsuchenden kommen wegen Trennung oder Scheidung, aus Patchwork-Familien, mit Erziehungsfragen oder wegen Überforderung. Mit gerichtlich beauflagten Eltern wird lösungsorientiert gearbeitet, um einvernehmliche Absprachen zu finden. Bezüglich der Unterstützung von Eltern bei ihrer Trennung oder Scheidung ist ein noch größerer Unterstützungsbedarf vorhanden, wenn man berücksichtigt, dass bei 80 % der Kinder, die in einer Fremdunterbringung leben, sich die Eltern getrennt haben. Frühzeitige Erziehungsberatung könnte hier zur Prävention von Fremdunterbringung mit genutzt werden. Die EFB erbringt Leistungen nach § 28 SGB VIII und berät junge Volljährige auf der Grundlage des § 41 SGB VIII. Zentrales Ziel der EFB ist es, die Erziehungskompetenz von Eltern zu stärken, um das gesunde Aufwachsen der Kinder zu unterstützen.

 

Ende des letzten Jahres wurde in einer unabhängig durchgeführten bundesweiten Studie, die hohe Effektivität der EFB nachgewiesen. Die Studie soll fortgeführt werden.

 

Frau Dr. Vandrey schätzt die Arbeit der EFB sehr. Als Rechtsanwältin für Familienrecht hat sie jedoch den Eindruck, dass die Jugendämter aufgrund personeller Unterbesetzung den Bedarf an Beratungsleistung nicht decken können. In diesem Zusammenhang weist sie auf die Problemanzeige der Gerichte hin.

 

Frau Jacob teilt mit, dass die EFB bemüht ist, schnelle Termine zu vergeben. Oft sind es die Eltern, die eine enge Zeitschiene vorgeben. Es gibt keine Wartezeiten. Bei dem kommunalen und freien Trägern in Charlottenburg-Wilmersdorf fehlen 3,7 Stellen (50 % zum Soll) bzw. insgesamt 22 Fachkräfte (100 % zum Soll). Diese Versorgungslücke kann durch zusätzliche Stellen nur geschlossen werden, wenn zusätzliche Finanzmittel für den Bereich der EFB zur Verfügung gestellt werden.

 

Auf die Nachfrage von Herrn Förschler, ob Fallzahlen nach Regionen benannt werden können, teilt Frau Jacob mit, dass dies bisher nicht ausgewertet wird. Eine Schwierigkeit dabei wäre, dass ein Teil der Ratsuchenden nicht alle Daten angeben und sich anonym beraten lassen. Grundsätzlich dürfen nur Daten erhoben und erfasst werden, die für die Beratung erforderlich sind. Herr Dr. Thuns ergänzt, dass der Jugendförderplan hierzu fortgeschrieben werden muss.

 

Frau Biewener fragt an, welche Daten an das Jugendamt weitergegeben werden, ob die EFB sich auch kleiner Probleme annimmt und Flyer der EFB an Erstgebärende übersandt werden. Frau Jacob teilt hierzu mit, dass keine Mitteilungen ans Jugendamt erfolgen, da die Beratungen grundsätzlich der Schweigepflicht unterliegen. Bei Kindeswohlgefährdung, muss der RSD einbezogen werden, wenn Beratung allein nicht ausreichend ist, um die Gefährdung abzuwenden und es weitere Hilfen braucht. Sofern der Wunsch nach Unterstützung geäußert wurde, berät die EFB selbstverständlich auch bei kleineren Problemen. Wichtig ist die Einschätzung der Eltern, sich Unterstützung zu wünschen. Bislang erhalten Erstgebärende nach der Geburt keine Informationen zur EFB, sie hält dies jedoch für sinnvoll und wird die Anregung mitnehmen.

 

Für Herrn Dr. Thuns ist die Prävention wichtig. Zur Stärkung der Familienförderung können neben der professionellen Arbeit der EFB auch die Familienzentren kontaktiert und aufgesucht werden. Der RSD erteilt keine Auskunft über Behandlungen.

 

Herr Taschenberger kann nicht nachvollziehen, warum der landesweite Beschluss zur personellen Aufstockung der EFB im Bezirk bislang nicht umgesetzt wurde. Hier wäre für die Verwaltung die Unterstützung des JHAs wünschenswert, um die Versorgungslücke schließen zu können.

 

Auf Nachfragen teilt Frau Jacob mit, dass die therapeutische Arbeit in den Beratungsstellen bundesweit abgenommen hat und sie eine Begleitung langer Prozesse nur sehr begrenzt anbieten kann. Die EFB ist mit ihrem präventiven Leistungsangebot noch immer nicht ausreichend bekannt. Es gibt eine hohe Bewerberzahl für die Mitarbeit in der bezirklichen EFB, ein Problem der Stellenbesetzung mit Fachkräften besteht bisher im Bezirk nicht.

 

Frau Röder weist darauf hin, dass die Personalplanung des Jugendamtes bei der Anmeldung des Stellenbedarfs in zukünftigen Haushaltsberatungen berücksichtigt werden muss. Der JHA ist am genannten Antrag des Landesjugendhilfeausschusses beteiligt.

 

Herr Seifert fragt an, wie das Jugendamt dem Bedarf nach Erziehungs- und Familienberatung gerecht werden kann. Hierzu teilt Frau Jacob mit, dass alle Ratsuchenden ein Erstgespräch erhalten. Bei hoher Nachfrage wird geschaut, ob die Beratungstermine etwas weiter auseinander liegen, der Beratungsprozess etwas zeitlich verzögert begonnen werden kann, in dem die Eltern z.B. im Erstgespräch erste Hinweise zur Überbrückung erhalten. Bei hohem Falldruck werden präventive Angebote eingeschränkt. Junge Menschen werden mit ihrem Beratungsanliegen bevorzugt.

 

Frau Sonnert stellt fest, dass das Verfahren für die Genehmigung einer Lerntherapie zu lange dauert. In diesem Zusammenhang erläutert Frau Jacob, dass die EFB in Kooperation mit dem „Schulpsychologischen Dienst“ nur für die fachliche Einschätzung zuständig ist, ob eine ILT als geeignete Hilfe angesehen wird. Durch die EFB erfolgt eine schnelle Bearbeitung der durch den Schulpsychologischen Dienst erstellten Fachdiagnostik. Für die Bewilligung der Lerntherapien ist der RSD zuständig. Berlinweit gibt es eine stetig wachsende Zunahme von Lerntherapien.

Herr Dr. Thuns weist darauf hin, dass der Stellenplan hinsichtlich der EFB ausgeschöpft ist. Die Finanzierung neuer Stellen muss hinterlegt und Fachstandards für Stellenbesetzungen diskutiert werden.

 

Frau Röder dankt Frau Jacob für die ausführliche Darstellung der Arbeit der EFB.

 


 

 
 

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