Auszug - Vor Ort beim Integrationspreisträger 2013: Frau V. Boetticher - Seeling-Treff" Frau Marie Therese Reichenbach - Projekt "Frostschutzengel"   

 
 
22. Öffentliche Sitzung des Integrationsausschusses
TOP: Ö 3
Gremium: Integrationsausschuss Beschlussart: erledigt
Datum: Mi, 26.02.2014 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 - 18:55 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: Seelingtreff. Seelingstraße 9, 14059 Berlin
Ort: Seelingstraße 9, 14059 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

Frau von Boetticher stellt den Seelingtreff vor und beantwortet die Fragen

Frau von Boetticher stellt den Seelingtreff vor und beantwortet die Fragen.

 

Der Seelingtreff existiert als Tagestreff für Wohnungslose seit ca. 30 Jahren. Es handelt sich dabei um einen geschützten Raum, in dem Essen und Trinken, eine Kleiderkammer sowie die Möglichkeit zum Duschen und  Wäschewaschen angeboten wird. Der Seelingtreff ist gegenwärtig von Montag bis Samstag von 8.00 - 16.00 Uhr geöffnet. Am Dienstagvormittag ist  Frauentreff. Mittwochs und freitags gibt es ein spezielles Frühstück für Obdachlose. Am Samstag gibt es von 9 .00 - 14.00 Uhr einen Brunch, für den 2 ? bezahlt werden muss. Das Essen, das an anderen Tagen angeboten wird, ist kostenlos.

 

Der Treff wird gegenwärtig täglich von durchschnittlich 50-60 Personen, meistens Männern, aufgesucht, im Winter sind es mehr als im Sommer. Ein wachsender Teil der Besucher/innen besteht aus jüngeren männlichen Wanderarbeitern aus Osteuropa. Zum Frauentag kommen vor allem ältere deutsche Frauen, die häufig nicht obdach-, sondern mittellos sind. Jüngere Frauen kommen sehr selten und meistens nur einmal.

 

Der Seelingtreff verfügt gegenwärtig über 4 Mitarbeiter/innen mit 3 ¼ Planstellen, die alle über eine pädagogische Ausbildung verfügen, 1- 2 Praktikant/innen und ehrenamtliche Helfer/innen, darunter einen Lehrer im Sabbatjahr. Eine Zeit lang verfügte der Treff zusätzlich über einige Mitarbeiter/innen auf MAE- Basis. Ihre Stellen wurden inzwischen gestrichen. Einige arbeiten nach dem Auslaufen ihrer Stellen auf ehrenamtlicher Basis weiter in der Küche des Seelingtreffs mit.    

Zweimal in der Woche werden die pädagogischen Mitarbeiter/innen des Seelingtreffs durch die mehrsprachigen Mitarbeiter/innen des Projektes "Frostschutzengel" unterstützt.

 

Die Angebote des Seelingtreffs wollen den Obdachlosen nicht nur einen Schutzraum bieten, sondern sie auch dazu motivieren, sich von den pädagogischen Fachkräften über die für sie bestehenden Möglichkeiten zur Rückkehr ins Sozialhilfesystem oder ggf. auch auf den Arbeitsmarkt beraten zu lassen.  Die Arbeit der Mitarbeiter/innen steht unter dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe". "Stammgäste" sind im Seelingtreff daher eigentlich nicht erwünscht. Sie stellen dennoch etwa ein Viertel der täglichen Besucher/innen.  

 

Der bereits seit einigen Jahren starke Zulauf von Obdachlosen aus Mittel - und Osteuropa stellt die Mitarbeiter/innen des Treffs vor besondere sprachlich- kulturelle Herausforderungen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese eigentlich keinen Anspruch auf Leistungen aus dem deutschen Sozialhilfesystem haben.

 

Im Anschluss an den Bericht von Frau von Boetticher und die Nachfragen der Ausschussmitglieder berichtet Frau Reichenbach über das berlinweit tätige Projekt "Frostschutzengel", das sich vor allem an Obdachlose aus  den mittel- und osteuropäischen EU - Staaten richtet.  Die 3 Mitarbeiter/innen verfügen daher auch über entsprechende sprachliche Kompetenzen: Außer rumänisch sind bei ihnen alle mittel - und osteuropäischen Sprachen vertreten. 

 

Das Projekt wurde vor 1 1/2 Jahren gegründet, weil damals plötzlich sehr viele Menschen aus den neuen EU - Ländern in die Einrichtungen der Kältehilfe kamen und die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen sich davon überfordert fühlten. Die Aufgabe der Frostschutzengel besteht darin, mit diesen Personen Kontakt aufzunehmen, für sie zu dolmetschen, sie zu beraten, an andere Beratungsstellen weiter zu leiten, den möglichen Bezug von ALG II - Leistungen abzuklären etc.

 

Eine weitere zentrale Aufgabe der "Frostschutzengel" ist die Zusammenarbeit mit den für diese Zielgruppe relevanten Migrantenprojekten, mit den Gewerkschaften und den Berliner Wohnungslosenprojekten, die sie für die besondere Problemlage der obdachlosen Arbeitsmigrant/innen zu sensibilisieren suchen. Sie bemühen sich darüber hinaus um eine Kooperation mit den jeweils zuständigen Botschaften (z.B. Polen, Lettland und Litauen). 

 

2013 wurden in Berlin insgesamt 305 Personen von den "Frostschutzengeln" beraten. In Charlottenburg - Wilmersdorf hat das Projekt zwei feste Kooperationspartner: Seelingtreff und Bahnhofsmission (Zoo). Weitere 6 Kooperationspartner gibt es in anderen Bezirken.  

Allerdings wurden sie bisher kaum von den Berliner Behörden um Unterstützung gebeten.

 

Bei ihrer Arbeit konnten die "Frostschutzengel" feststellen, dass die Gefahr, in die Obdachlosigkeit abzugleiten und in der Notübernachtung zu landen, erwartungsgemäß bei denjenigen Migrant/innen am größten ist, die ohne finanzielle Mittel, ohne Deutschkenntnisse und ohne Kontaktpersonen nach Berlin kommen. Diese Personen finden oft keine legalen Arbeitsplätze und werden auf ihren Arbeitsstellen ausgebeutet. Die schnellste, gerade auch gesundheitliche Verelendung, war bei jungen Männern aus EU - Staaten feststellbar, die keinen Anspruch auf soziale Unterstützungsleistungen haben.     

 

Die Arbeit der 3 "Frostschutzengel" wird aus den Mitteln einer Stiftung und aus Spenden finanziert, die aber immer weniger werden. Diese Finanzierung ist aber nur noch für 2014 gesichert ist. Frau von Boetticher wünscht sich daher eine finanzielle Unterstützung des Projektes durch das Bezirksamt.   

 

Die Ausschussmitglieder sind sich einig, dass die Arbeit der Frostschutzengel, besondere ihre Funktion als Sprachmittler/innen, sehr wichtig ist. Sie raten Frau Reichenbach, Kontakt mit Frau Lüke, der Landesbeauftragten für Migration und Integration aufzunehmen und die Vernetzung weiter voran zu treiben.   

 


 

 
 

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