Auszug - Finanzieller Kollaps der Grünpflege?  

 
 
51. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.2
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 14.04.2011 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
2062/3 Finanzieller Kollaps der Grünpflege?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Schmitt/Klose 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung BzStR Gröhler:

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Klose, das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage wie folgt:

 

Zu 1.

In der Tat, so wie ich gestern bereits den zuständigen Fachausschuss der BVV unterrichtet habe und wie es sich heute bereits bei den Spontanen Fragen und auch in Ihrer Begründung dargestellt hat, befindet sich die finanzielle Situation des Grünflächenunterhaltungsetats in einer inzwischen dramatischen Situation. Es ist richtig, dass ich ja in den vergangenen Jahren schon immer darauf hingewiesen habe, dass wir nicht auskömmlich sind. Die Begrifflichkeit „nicht auskömmlich“ kann jetzt nicht mehr ausreichend die tatsächlich eingetretene Situation beschreiben, sondern wir haben jetzt einen Punkt erreicht, wo wir uns von vielen Dingen, die wir in den letzten Jahren als Standard noch gehalten haben, verabschieden müssen und ich habe das ja vorhin auch schon dargestellt, wir jetzt auch in eine Situation kommen, wo früher der eine oder andere Nachbarbezirk von uns auch schon reingekommen ist und wo wir immer noch glimpflich daran vorbeigeschrammt sind.

 

Im Einzelnen sieht das wie folgt aus:

Ich hatte ja immer darauf hingewiesen, dass wir dadurch, dass wir unsere Bewässerungskosten für die Grünpflege, aber auch z. B. für die Friedhöfe, nicht mehr aus den A08-Geldern decken dürfen, sondern nach Auffassung des Steuerungsdienstes wir das aus dem jeweiligen Fachetat rausnehmen müssen, wir schlicht und ergreifend das Problem haben, dass wir 260.000,-- Euro alleine für das Wässern auf den Grünflächen ausgeben müssen, rein an Wassergeld und 140.000,-- Euro auf den Friedhöfen und in der Bezirksgärtnerei. Zusammengenommen also 400.000,-- Euro. Darüber hinaus haben wir das Problem, dass wir einen sehr sehr großen Auftrag erteilen müssen zur Beseitigung von Totholz in den über 44.000 Straßenbäumen. Der Anteil des Totholzes in den Bäumen hat sich massiv verstärkt. Wir führen das zurück auf den erhöhten Tausalzeinsatz und auch auf veränderte Vegetations- und Witterungsbedingungen im innerstädtischen Bereich. Wir hatten in den früheren Jahren etwa einen jährlichen Umfang der Totholzpflege zwischen 450 und 500.000,-- Euro, je nach dem  wie die Situation war. Dass wir nunmehr um die 800.000 beauftragen müssen, liegt zum einen an diesen Gründen, die ich Ihnen eben geschildert habe und zum anderen daran, dass wir diese Maßnahmen nicht weiter aufschieben können. Es hat bereits erste Schäden durch Totholz, z. B. an abgestellten PKW’s gegeben, und wir hatten auch die Aufforderung des Rechnungshofs, dass wir die frühere Arbeit so nicht mehr fortsetzen können. Es war bei uns praktisch eine Tradition, dass man immer versucht hat, stückweise die Straßen zu sammeln, wo wir Totholzfeststellungen hatten, um dann die Aufträge zu erteilen, um natürlich die Kosten zu minimieren, um die Unternehmen nicht zu jedem einzelnen Baum rauszuschicken, sondern das immer straßenzugsweise oder kiezweise zu machen.

 

Das heißt, wir haben früher die Totholzbeseitigung längere Zeit einfach gesammelt. Das können wir nicht mehr machen. Die Situation, die jetzt entstanden ist, müssen wir auch beauftragen. Ich kann ja nicht einfach sagen, ich lasse das Totholz dauerhaft in den Bäumen drin, weil wir das Geld nicht haben.

Das ist echte Gefahrenbeseitigung, weil das Runterfallen eines Astes, insbesondere wenn dadurch Leib oder Leben eines Passanten gefährdet oder gar beschädigt wird, dann haben wir ein ernst zu nehmendes, auch strafrechtliches Problem. Insofern sind diese 800.000,-- Euro zu verausgaben.

 

Ich habe im Bezirksamt einen Antrag gestellt auf zusätzliche Mittel. Dieser Antrag konnte nur in Höhe von 300.000,-- Euro bewilligt oder wurde nur in Höhe von 300.000,-- Euro bewilligt. Der Steuerungsdienst hat mich sehr intensiv darauf hingewiesen, dass ja bereits jetzt die Grünflächenpflege ein defizitäres Produkt ist und man sich das als Bezirk nicht so weiter leisten könne, Grünflächen im bisherigen Umfang zu pflegen.

 

Ich habe vorhin jeder Fraktion ein dreiseitiges Papier gereicht, weil viele Fragen einfach zu kompliziert sind, um im Rahmen einer großen Anfrage beantwortet zu werden und deshalb will ich es stichpunktartig ein Stück weit zusammenfassen.

 

Wir sind also aktuell in der Situation, dass uns ein Betrag von mehr als 200.000,-- Euro aktuell fehlt. Das heißt, wir konnten zwei Aufträge nicht unterschreiben oder ich konnte sie nicht unterschreiben, die normalerweise Ende März/Anfang April zu beauftragen wären. Nämlich die Müllbeseitigung im Wilmersdorfer Teil des Bezirks mit 350 Abfallbehältern, u. a. hatten wir bisher ja die Beauftragung, dass im Preußenpark täglich alle Müllbehälter ab 1. April geleert wurden. Im Volkspark Wilmersdorf war es viermal in der Woche. Am Hochmeisterplatz viermal in der Woche usw.

Darauf mussten wir jetzt verzichten, d. h. diese 350 Abfallbehälter werden nicht mehr von einer Fachfirma entleert und der Müll wird nicht mehr entsprechend von dieser Firma abgefahren und beseitigt.  Darüber hinaus konnten wir einen zweiten Auftrag in einem Umfang von 100.000,-- Euro nicht beauftragen, nämlich die Mahd auf  Mittelstreifen von Straßen und wenn Sie sagen, so schlimm ist es nicht, ob man da mal mäht oder nicht, doch, auch das ist eine Frage der Verkehrssicherungspflicht, weil dieser Auftrag umfasst auch den Schnitt von Austrieben, von Ausschlägen an den Baumstämmen und Sie wissen, wie es dann im Juni oder Juli aussieht, viele Baumarten schlagen unten rum aus und manchmal steht es dann 80/90 cm hoch auf den Radwegen oder auch so, dass ABC-Schützen teilweise verdeckt werden oder das Autofahrer Regressansprüche gegen uns geltend machen, weil sie sagen, ich habe mir gerade das Auto an der Robinie zerkratzt.

 

Dieser Auftrag konnte auch nicht erteilt werden mit der Konsequenz, dass wir durch externes Unternehmen z. B. den Mittelstreifen Otto-Suhr-Allee, Bundesallee, Kaiser-Friedrich-Straße, Kantstraße, Kurfürstendamm, Hohenzollerndamm usw. nicht mähen lassen können.

 

Zu 2.

Waren wir noch 2002 172 Arbeitskräfte, so waren wir vier Jahre später nur noch 160 und sind heute, fünf Jahre später, nur noch 121, d. h. innerhalb von weniger als zehn Jahren hat die Zahl sich von 172 auf 121 verringert. Darüber hinaus müssen Sie sehen, dass das Durchschnittsalter bei 54 Jahren angekommen ist, in einem Bereich, wo Leute gewerblich arbeiten und insbesondere auch Wind und Wetter ausgesetzt sind und sie auch eben eine Arbeit haben, die, ich sage mal, den Körper stark beansprucht. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet ein Durchschnittsalter von 54 Jahren zu haben.

Unser aktueller Krankenstand beträgt jetzt, außerhalb des Winters, mehr als 10%, d. h. von den 121 können Sie also noch mal mehr als 10 abziehen. Darüber hinaus sind von den 121 viele Mitarbeiter, die bestimmte Aufgaben einfach nicht mehr ausführen können, weil ihre gesundheitliche Situation besonders schwere Arbeit nicht mehr zulässt.

 

Zu 3.

Ich sage Ihnen erst einmal die Nachpflanzung von Straßenbäumen: Sie wissen, wir haben in den letzten Jahren immer wieder eine abnehmende Tendenz in der Frage gehabt. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass wenn die Situation so weitergeht, wir es auch klar sehen werden. Wir mussten in dieser Saison 336 Straßenbäume fällen und 250 konnten nur nachgepflanzt werden. Das heißt, dass Delta ist im sechsten Jahr in Folge größer geworden. Und die 250 Bäume, die nachgepflanzt wurde, konnten ausschließlich aus Spenden und Ausgleichsabgaben gepflanzt werden. Eigenes Geld aus dem Grünflächenetat ist nicht reingeflossen.

 

Inzwischen sind 3.000 Baumscheiben unbepflanzt. Davon, da gehen wir von aus, dass über 2.200 nachgepflanzt werden sollten. Der Rest sind Standorte, die sich als nicht positiv, auch für den Baum z. B. dargestellt haben. Aber man kann sagen, dass über 2.200 aktuell erkennbar auf den Straßen fehlen.

 

Um mit der Situation jetzt umzugehen, haben wir uns entschieden, dass am Branitzer Platz die Frühjahrsbepflanzung nicht mehr stattfindet und damit auch die Sommer- und sonstige Wechselbepflanzung nicht. Diese Maßnahme haben wir abgesprochen mit der Gartendenkmalpflege auf Landesebene. Wir haben uns entschieden, auch in der Douglasstraße die Wechselbepflanzung auf einem Beet nicht mehr durchzuführen. Darüber hinaus müssen wir als Notmaßnahme die Bepflanzung hier im Rathaus- innenhof, wenn denn jetzt die Stiefmütterchen abgeblüht sind und wir Ende Mai die Sommerbepflanzung pflanzen müssten, kann auch diese nicht mehr erfolgen. Und die Wechselbepflanzung am Olivaer Platz wird nach der Frühjahrsbepflanzung ebenfalls eingestellt.

Warum haben wir das gemacht, meine Damen und Herren? Um die Kräfte, die normalerweise diese Anlagen wässern und jäten und pflegen zusammenzuziehen in einem Notprogramm, um wenigstens teilweise eine Müllentsorgung sicherzustellen und teilweise eine Mahd auf dem Mittelstreifen vorzunehmen, wobei wir auch sagen müssen, dass wir in vielen Teilbereichen die Geräte zum Mähen der Mittelstreifen gar nicht mehr haben, weil dadurch, dass wir es ausgessourcet haben in den letzten Jahren, weil das Personal ja fehlte, haben wir natürlich auch die kaputten Aufsatzrasenmäher nicht mehr repariert, sondern verschrottet. Das heißt, uns fehlt auch inzwischen das Arbeitsgerät.

 

Ich komme zu 4., den fünften habe ich ja ein Stück weit eben in der Darstellung des Notprogramms schon mit dargestellt.

 

Wir werden die Spielplatzpflege im Rahmen der Notversorgung natürlich aufrecht erhalten, d. h. es wird dort weiterhin die wöchentliche und monatliche Sicherheitskontrolle geben. Dadurch, dass wir aber in den letzten beiden Jahren alle Investitionsmaßnahmen, also zehn und elf für den Spielplatzersatzbau streichen mussten, haben wir inzwischen Spielplätze, die das zwanzigste Lebensjahr überschritten haben.

 

Normalerweise sollten alle 15 Jahre Spielplätze runderneuert werden, d. h. ich muss leider prognostizieren, dass wenn auf einem Spielplatz ein Großgerät schadhaft wird und es nicht mehr durch eine Reparaturmaßnahme in Ordnung gebracht werden kann, wird es ersatzlos abgeräumt werden müssen. Bedenken Sie bitte, ein Großgerät kostet immer zwischen 25.000,-- und 38.000,-- Euro, je nach Qualität. Und dieses ist bei der angespannten Haushaltslage aus den Unterhaltungsmitteln des Grünflächenetats nicht mehr darstellbar.

Ich muss abschließend  nicht hinzufügen, dass ich diese Situation äußerst bedauere, aber das ist das Ergebnis, wenn man durch die Politik der Landesregierung in dieser Frage praktisch Schach matt gesetzt wird.

 

 

 

 

 
 

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