Auszug - Neuausrichtung JobCenter 2011  

 
 
50. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 17.03.2011 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
2017/3 Neuausrichtung JobCenter 2011
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:SPD-Fraktion 
Verfasser:Verrycken/Hansen 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


 

Zur Beantwortung Frau BzStR Schmiedhofer:

 

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Wittke, ich kann gerne versuchen Klarheit zu bringen, aber ob Sie dann mit der Antwort zufrieden sind, wage ich zu bezweifeln. Ich fange mal an:

 

Zu 1.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Mischorganisation der Job Center aus Bund und Kommunen im Dezember 2007 für verfassungswidrig erklärt hatte, war eine neue Regelung der Organisation nötig. Die Zwischenstufen haben wir hier mehrmals diskutiert. Die Grundstruktur einer Mischverwaltung wurde dann durch Änderung des Grundgesetzes und durch Änderung des Sozialgesetzbuches II in sogenannten gemeinsamen Einrichtungen beibehalten. Dazu kommt, dass für Berlin organisatorische Neuerungen durch ein Ausführungsgesetz zum SGB II beschlossen wurden, das noch einmal grundsätzlich die Strukturen regelt und verändert. Die gemeinsame Einrichtung, also, so heißt das Job Center, nimmt die Aufgaben der beiden Träger wahr.

Der kommunale Träger hat die Aufgaben der kommunalen Eingliederungsleistungen, wie psychosoziale Betreuung, Suchtberatung und Schuldnerberatung. Er muss die Leistungen der Unterkunft und Heizung finanzieren und die Erstausstattung für Wohnung, Bekleidung, bei Schwangerschaft und Geburt und für mehrtägige Klassenfahrten.

 

Die Bundesagentur für Arbeit ist Leistungsträger für alle anderen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und damit vor allem für die Integration oder die Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt, weil es geht ja darum, dass die Leute Transferleistungen beziehen, weil sie arbeitsuchend sind. Jeder Träger ist verantwortlich für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung seiner Leistungen und hat, und das ist neu, in seinem Aufgabenbereich ein Weisungsrecht gegenüber dem Job Center. Das bedeutet, dass das Arbeitsmarktprogramm nicht mehr von der Trägerversammlung beschlossen, sondern nur noch zur Kenntnis genommen wird. Das heißt, also dass in diesem Gremium es formal keine Möglichkeit mehr gibt, auf die Arbeitsmarktpolitik aktiv durch Abstimmung Einfluss zu nehmen. Lediglich im Kooperationsausschuss, der sich zusammensetzt aus der für Arbeit zuständigen Senatsverwaltung und Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit, werden jährlich die Ziele und Schwerpunkte der Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik auf Landesebene vereinbart. Hier gibt es natürlich keine direkte Einflussmöglichkeit des Bezirkes.

 

Die Trägerversammlung ersetzt die bisherige Trägervertretung. Sie ist das oberste Beschlussgremium für die organisatorischen Rahmenbedingungen und Verwaltungsabläufe. Sie besteht weiterhin aus je drei Vertretungen der Agentur für Arbeit auf der einen und der Kommune auf der anderen Seite. Durch ein Landesauführungsgesetz wurde neu bestimmt, dass die Benennung durch die Senatsverwaltung erfolgt, für zwei Sitze auf Vorschlag des Bezirksamtes und einen bestimmt die Senatsverwaltung aus ihren Reihen selbst. Außerdem hat sich die Senatsverwaltung für Fragen von gesamtstädtischer Bedeutung ein Weisungsrecht gegenüber dem bezirklichen Vertreterinnen und Vertretern selber gegeben in das Gesetz, sie erwartet sich dadurch eine Positionsstärkung gegenüber der Regionaldirektion für Arbeit.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zunächst für fünf Jahre von den jeweiligen Trägern dem Job Center  zugewiesen. Das Grundbeschäftigungsverhältnis und die Vergütung bleiben gleich, aber der Geschäftsführer hat jetzt die Fach- und Dienstaufsicht. Er muss auch die Stellenpläne selber bewirtschaften. Es gibt eigene Dienstvereinbarungen und es gibt jetzt, das ist auch neu, eigene Personalvertretungen. Die sind auch schon gewählt worden.

 

Für die Kundinnen und Kunden sind bezogen auf Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Aufbau- und Ablauforganisation keine unmittelbar spürbaren Veränderungen durch die neue Organisationsform eingetreten. Es kann direkte Auswirkungen geben, z. B. bei der Übernahme von Mietrückständen. Denn jetzt ist die Entscheidung des kommunalen Trägers, der ja die Verantwortung für diese Leistung hat, bindend und dadurch können oder sollen sozialpädagogische Gesichtspunkte stärker in die Entscheidung einbezogen werden. Die Praxis funktionierte in unserem Job Center aber auch schon vorher hervorragend aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der sozialen Wohnhilfe. Außerdem sind einheitliche Standards vereinbart worden zur Überprüfung von internen Abläufen und auch zur Betreuung  von Menschen mit Behinderungen  und ähnliche Kundinnen und Kunden, die sich besonderen Herausforderungen gegenüber sehen. Und nach einem erfolgreich verlaufenden Pilotprojekt im Job Center Charlottenburg-Wilmersdorf wurde jetzt für alle Job Center eine Festnetznummer eingerichtet und die kostenpflichtige 0180-Einwahlnummer aufgegeben.

 

Zu 2.

Die Reduzierung der Haushaltsmittel betrifft insbesondere die Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, das ist auch logisch, weil die Grundsicherung, also der Regelsatz, kann ja nicht per Haushaltsstreichung einfach gekürzt werden. Die Eingliederungsleistungen sind ungefähr analog dem Verhältnis auf Landesebene, auch hier um etwa 40,5 Mio. auf etwa 30 Mio. reduziert worden, also um ungefähr 25 %. Es droht noch eine weitere Kürzung der Mittel aus dem Eingliederungstitel, und zwar durch die Joboffensive. Die soll durch neues Personal für die arbeitsmarktnäheren Kundinnen und Kunden einen besseren Personalschlüssel schaffen, und zwar von Eins zu Hundert und mit dem soll dann die Integration in den ersten Arbeitsmarkt besser erfolgen. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und in unserem Job Center sollen dafür 49 Menschen zuständig sein, 28 werden neu eingestellt werden. Da sich das Land Berlin, anders als ursprünglich mindestens von der Senatsfachverwaltung geplant oder verhandelt, nur im Rahmen des kommunalen Finanzierungsanteils von 15, 2 %, der im übrigen auch noch im Haushalt von Sen IAS gesperrt wird, beteiligt, muss der Verwaltungsetat durch den Eingliederungstitel verstärkt werden. Also, es war ursprünglich geplant, dass es aus dem Land Berlin auch einen Anteil von 100 Beschäftigten gibt, der ist nun aber nicht gekommen, so dass eine Umschichtung in Höhe von ungefähr 1 Mio. erfolgen muss, allerdings ohne weitere Belastung von Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Also, diese werden wenigstens dadurch nicht weiter gekürzt, das war allerdings eine nicht unerhebliche Auseinandersetzung, die dann letztlich zu dieser Entscheidung führte. Das heißt, weniger gekürzt werden die ganzen Maßnahmen, die direkt in die Förderung in den ersten Arbeitsmarkt führen, also berufliche Weiterbildung, Aktivierung, Bewerbungspersönlichkeitstraining oder auch der Eingliederungszuschuss oder Bewerbungskosten, die direkt auf bestimmte Arbeitsverhältnisse bezogen sind.

 

Und so betreffen die Kürzungen verstärkt die sogenannte öffentlich geförderte Beschäftigung, d. h. Maßnahmen, bei denen in nur einem begrenzten Umfang eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt erwartet wird, also beispielsweise die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante oder die Mehrheitsaufwandsentschädigung, deren Anteil sank bei den gesamten Eingliederungstitel auf 38 %, während er vorher, im Vorjahr noch bei 43 % lag, das ist ein Minus von 8 Mio.

 

Zu 3.

Die Situation betreffend des Teilhabepaketes ist noch sehr unübersichtlich. Es gibt bisher für das Bezirksamt noch keine belastbaren Informationen zur Umsetzung. Es gibt mehrere Arbeitsgruppen unter der Federführung der Senatsverwaltung für Bildung mit Beteiligung von Stadträtinnen und Stadträten und der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Geplant oder die Idee ist derzeit ein bürgerfreundliches Verfahren, wonach die Gutscheine jeweils von einer Stelle ausgefertigt werden, die schon alle notwendigen Daten hat und zu der die Antragsteller sowieso regelmäßig gehen. Außerdem soll es eine zentrale Abrechnungsstelle für das Land Berlin geben. Wie das konkret aussieht, ist eben noch nicht klar, es verbliebe dann beim Jugendamt nur die Verrechnung der Gutscheine im Bereich der Tagespflege und vielleicht auch bei der Hortbetreuung. Wenn die Entscheidungen getroffen sind, muss die Umsetzung sehr schnell erfolgen. Es muss aber unbedingt auch dafür noch Personal eingesetzt werden, egal ob es jetzt im Job Center oder in den Bezirksämter umgesetzt werden soll.

 

Zu 4. und zu 5.

Die Integrationsquote wird sechs Monate nach Maßnahmeende gemessen, deswegen ist der Stand August 2010, da wurden ungefähr von 3.000 Maßnahmeteilnehmer knapp 1.000 integriert, also ungefähr 33 %, 45 % im Bereich beruflicher Weiterbildung, 43 % bei der Aktivierung und im Bereich AGH-Entgelt 38 %, AGH-Mehraufwand 21 %. Es gibt keine statistische Erfassung, wer danach noch weiter Leistungen erhält, aber es wird sehr häufig beklagt, dass viele Beschäftigungsverhältnisse Stundenlöhne unter 7,-- Euro haben und damit mehr oder weniger automatisch der SGB-Leistungsbezug weitergeführt werden muss.

 

Die Trägervertretung liegt alleine in der Verantwortung der Agentur für Arbeit. Die meisten Angebote werden von den Kundinnen und Kunden selber ausgewählt. Es müssen alle zertifiziert sein und letztlich werden die Ergebnisse der Integration zur Grundlage genommen für die Maßnahmeplanung  des Folgejahres.

 

 

 

 
 

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