Auszug - War die Normenkontrollklage wegen des Bebauungsplans VII-272a vermeidbar?  

 
 
48. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.1
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 20.01.2011 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
1969/3 War die Normenkontrollklage wegen des Bebauungsplans VII-272a vermeidbar?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion DIE LINKE. 
Verfasser:Tillinger/Tazegül/Prof.Dr.Bärwolff 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, Herr Tillinger, bevor ich zur eigentlichen Beantwortung komme, muss ich hier sagen, sowohl in Ihrer Großen Anfrage als auch in Ihren weiteren Ausführungen zur Begründung habe ich den Eindruck, dass hier versucht wird, irgendwie eine relativ große Nummer aufzuziehen. Vielleicht hat es etwas mit dem 18. September zu tun, aber entspricht nicht so ganz den Realitäten, die tatsächlich passiert sind. Was ist passiert? Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat sich in die ehrenvolle Kette der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, des Bezirksamtes Neukölln von Berlin, des Bezirksamtes Pankow von Berlin und zahlreicher anderen Kommunen der Bundesrepublik Deutschland einreihen dürfen, nämlich, es ist einmal mit einem Bebauungsplanverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert.

Ich sage mal in der Quote der Verfahren, die wir bisher unter meiner Amtszeit zu vertreten hatten, ist es zwar unschön, weil damit die Marke von mehr als 95 % aller Verfahren, die wir führen mussten, bisher gewonnen wurden und ich glaube, jetzt liegen wir unter 95 %, aber ich kann damit umgehen, meine Damen und Herren, weil so ist es nun mal in Rechtsstaat, man kann auch mal vor Gericht unterliegen.

 

Aber nun  zu den eigentlichen Fragen, die hier gestellt worden sind:

 

Zu 1.

Der Ausgang des Rechtstreits, Herr Tillinger, war für uns so nicht vorhersehbar. Weil zu dem Zeitpunkt, als der Bebauungsplan im Bezirksamt bearbeitet wurde, zu dem Zeitpunkt, als Sie, meine Damen und Herren, dem Bebauungsplan zugestimmt haben und zu dem Zeitpunkt, als die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihn geprüft hat, war die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, wie sie sich seit der Entscheidung zum Spree-Dreieck gegen den Senat im Dezember 2008 entwickelt hat, nicht voll zu erkennen und mit Erlaubnis der Frau Vorsteherin zitiere ich aus einem Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, nämlich die Rechtsprüfungsstelle, vom 23.05.2006, an das Bezirksamt.

 

„Ergebnis des Anzeigeverfahrens ist, dass der Bebauungsplan nicht zu beanstanden ist. Das Bezirksamt kann den Bebauungsplan gemäß § 6 Abs. 5 AGBauGB als Rechtsverordnung festsetzen.“

 

Also, um es noch einmal zusammenzufassen, Herr Tillinger, zum Zeitpunkt, als der Bebauungsplan hier verabschiedet wurde, war nicht zu erkennen, dass das Oberwaltungsgericht Berlin-Brandenburg derart restriktiv entscheiden würde. Und im übrigen erlaube ich mir auch den Hinweis, Sie haben ja irgendwie die Bemerkung, ich habe das eben nur mit einem halben Ohr gehört, dass wir irgendwo willkürlich Investorenwünsche umgesetzt haben, dann schauen Sie mal in die Begründung der Entscheidung des OVG hinein. Das sagt ganz deutlich, so wie das Bezirksamt mit Daimler Chrysler und mit dem vom Daimler Chrysler beauftragten Büro zusammengearbeitet hat, da ist nichts daran zu beanstanden. Dass das Bezirksamt  nicht eigene Abwägungen getroffen hat, dass die BVV nicht einen eigenen Entscheidungsspielraum hatte, das steht überhaupt nicht im Raum, sondern das OVG hält dieses Verfahren an der Stelle für völlig korrekt.

 

Zu 2.

Sie sprechen ein Schreiben des damaligen Rechtsamtsleiters vom 23.07.2001 an. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht Baustadtrat, aber selbstverständlich stehe ich da in der Kontinuität meines Vorgängers und habe auch damalige Vorgänge heute nach zehn Jahren Ihnen gegenüber zu begründen. Ja, in der Tat, der Rechtsamtsleiter hat damals darauf hingewiesen, dass im Verfahren noch Mängel sind. Aber Sie müssen ja einmal schauen, wo wir damals waren. Wir waren vor der Trägerbeteiligung. Und der Rechtsamtsleiter hat damals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Begründung für die Überschreitung der Geschossflächenzahl noch nicht dargelegt ist und auf der Planzeichnung auch nicht ersichtlich ist. Also, er hat damals bemängelt, die Begründung sei noch nicht ausreichend (2001). Anschließend, im weiteren Verfahren, ist die Begründung erheblich verstärkt und aus damaliger Sicht ausreichend nachgeholt worden. Und das Bezirksamt ist ja dann in den weiteren Bearbeitungsschritten nie ohne Rechtsamt gewesen. Sie wissen, das Bezirksamt darf nie ohne Vertreter des Rechtsamtes tagen. Und in allen weiteren Verfahrensschritten, auch in der Vorlage an die BVV, ist das Rechtsamt selbstverständlich immer mit eingebunden gewesen und hat zu keinem Zeitpunkt eine Beanstandungssituation gesehen, also, insofern mögen Sie sagen, die Äußerungen des damaligen Rechtsamtsleiters waren prophetisch, ja, aber sie haben nicht eine Veranlassung geboten, das B-Planverfahren an der Stelle zu verändern. Zumal es, ich sage es noch einmal für alle, die nicht im Stoff so sehr drinstecken, zumal es vor zehn Jahren die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes in der Form noch nicht gab, sie hat sich erst im Dezember 2008 entwickelt.

 

Zu 3.

Da vermitteln Sie ja den Eindruck, wir haben uns mit dem Thema „gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im B-Planverfahren und seiner Erwägung“ überhaupt nicht auseinandergesetzt. Das ist falsch, meine Damen und Herren. Und übrigens, wenn es immer so heißt, bei der Umbauung des Wohnhauses, also, dann schauen wir mal rein, in die Entscheidung des OVG, es ist ein bestehendes Wohnhaus, mit 25 Wohnungen und zwei an einen bordellartigen Betrieb vermietete Gewerbeeinheiten. Also, jetzt tun wir bitte einmal nicht so, als wenn wir uns da irgendwo im reinen Wohngebiet befinden und wir uns mit der Frage gar nicht auseinandergesetzt haben. Sehr wohl hat es zur Abwägung zur Frage „gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ gegeben. Die Abwägung muss ja so perfekt gewesen sein, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in ihrer Rechtsprüfung keinerlei Beanstandungen hatte. Das Gericht hat das nachher anders gesehen. Auch diese Art der Rechtsprechung war zum Zeitpunkt, als wir den B-Plan bearbeitet haben, so in Berlin nicht vorhanden und war nicht abzusehen. Aber wir werden ja durch dieses Oberverwaltungsgericht immer alle noch ständig klüger.

 

Und zu Ihrer Frage, warum wir keine einvernehmliche Lösung mit der Betroffenen hergestellt haben? Ein Bebauungsplan ist nicht dazu da, einvernehmliche Lösungen zu erarbeiten. Das würde man wahrscheinlich mit einem Bebauungsplan nie machen können. Sondern, was ist die Aufgabe eines Bebauungsplans? Auch das sagt ja das Oberverwaltungsgericht ganz deutlich: „Nach § 1 Abs. 1 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.“ Das haben wir gemacht. Wir haben gegeneinander aus unserer Sicht und untereinander gerecht abgewogen. Allerdings kann man es nicht immer Jedem recht machen. Und die Klägerin selbst hat ja im Verfahren für sich eine geschossflächenzahldichte Festsetzung von 6,2 für das Gründstück haben wollen. Und dem konnten wir nicht folgen. 6,2 hätte übrigens das Oberverwaltungsgericht auch bemängelt, weil wir damit auch weit über die Dichtesituation aus der Baunutzungsverordnung rausgeschossen wären  .

 

 

Zu 4.

Da sage ich, Herr Tillinger, dann gucken wir uns doch einmal, da hat es ein zweites Gerichtsverfahren zu gegeben. Nämlich vom Verwaltungsgericht Berlin vor der 19. Kammer, das Verfahren 137/8, und dieses Verfahren hat das Land Berlin gewonnen bzw. teilweise hat es eine Rücknahme durch die Klägerin gegeben. Das war ein IFG-Verfahren, also ein Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Da hat die Klägerin bemängelt, dass ein Schriftsatz, den sie ans Bezirksamt geschickt hat, nicht in der Bebauungsplanakte war. Da hatte er aber auch nichts zu suchen, weil die Abwägung im Bebauungsplanverfahren hatte längst stattgefunden. Das B-Planverfahren war beendet und wir packen nicht anschließend, wenn ein B-Planverfahren abgeschlossen ist, Schriftstücke, die später eingehen, in ein B-Planverfahren. Selbstverständlich ist die entsprechende Zusendung an das Bezirksamt natürlich bearbeitet worden und auch vorhanden, aber nicht in der B-Plan-Akte. Aber darauf besteht auch kein Anspruch und sonst hätten wir auch das Verfahren vom Verwaltungsgericht in dieser Frage nicht gewonnen.

 

Zu 5.

So, zu Ihrer letzten Fragestellung darf ich Ihnen sagen: Die Kosten, die dem Land Berlin entstanden sind durch das verlorene Verfahren, sind 1.692,82 Euro und Gerichtskosten in Höhe von 680,-- Euro, die wir von der Bezirkskasse Charlottenburg-Wilmersdorf an die Landeskasse Berlin überweisen durften. Also, ziemlich übersichtlich, weil sozusagen in sich abgerechnet. Insgesamt sind also Kosten von 2.372,82 Euro entstanden.

Die Schadensersatzansprüche, Herr Tillinger, die Sie immer in den Raum stellen, vermag ich überhaupt nicht zu erkennen und sie entstehen auch nicht dadurch, dass man ständig nach ihnen fragt oder ständig mit ihnen droht. Aus Sicht des Bezirksamtes ist der klagenden Seite in dem Verfahren gar kein Schaden entstanden. Bei uns sind auch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Wenn sie geltend gemacht würden, dann würden wir uns mit den uns rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen wehren und ich bin sehr zuversichtlich, dass das Land Berlin an der Stelle auch gar keinen Schadensersatz zu zahlen hat. Weil, wie gesagt, kein Schaden entstanden ist, das ist nämlich die erste Grundvoraussetzung für einen entsprechenden Anspruch.

 

 
 

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