Auszug - Kältehilfe im Bezirk sichern!  

 
 
47. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.2
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 09.12.2010 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 20:30 Anlass: ordentliche Sitzung
1916/3 Kältehilfe im Bezirk sichern!
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Schmitt/Halten-Bartels 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

 

Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:

 

Sehr geehrte Frau Halten-Bartels, ich freue mich sehr, dass Sie diese Anfrage stellen und ich würde mich noch mehr freuen, wenn wir über dieses Thema einmal in der wärmeren Jahreszeit reden, weil die Grundlage für Biografien, die dann z. T. sehr tragisch oder sehr elendig enden, werden immer nie im Kalten gelegt, sondern in der warmen Jahreszeit. Von daher bin ich auch jedes Jahr begeistert, wenn es sehr viele Angebote für wohnungslose Menschen gibt, die können sich in der Weihnachtsjahreszeit kaum retten, auch vor Einladungen, manchmal zu außergewöhnlichen Mahlzeiten, für sie Weihnachtsbraten und ähnliches, aber ich habe oft das Gefühl, in der anderen Jahreszeit vergisst man das dann wieder.

Aber ich beginne jetzt erst einmal mit der Beantwortung Ihrer Fragen:

 

Zu 1.

Es gibt zwei rechtliche Grundlagen. Das eine, wird Sie vielleicht überraschen, ist das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Berlin. Daraus ergeht ganz allgemein, dass wir Gefährdung des Lebens und der Gesundheit schützen müssen und das heißt in diesem Fall, wenn es eisig kalt ist, dann sind wohnungslose Menschen in Gefahr und dann muss das Sozialamt als Ordnungsbehörde tätig sein. Die andere, während des ganzen Jahres praktische Arbeit der Wohnungslosenhilfe bedeutet in erster Linie Vermeidung von Wohnungsverlust und die leitet sich aus dem SGB XII ab, wo z. B. durch die Übernahme von Mietschulden oder andere Weise gleich im Ansatz verhindert wird, dass ein Mensch überhaupt wohnungslos wird, bzw. wenn das nicht mehr möglich ist, dann werden die Leute in Pensionen oder betreuten Einrichtungen untergebracht und das ist eine Pflichtaufgabe nach dem SGB XII, also auch unabhängig von der Haushaltssperre. Das Bezirksamt betreibt, wie Sie wahrscheinlich wissen, dazu auch ein eigenes Projekt, das Probewohnen in der Güntzelstraße 4, in dem das selbstständige Wohnen erlernt wird. Weil, es ist auch so, viele Menschen, die warum auch immer, länger auf der Straße gelebt haben, haben sehr große Probleme, wenn sie wieder eine Wohnung kriegen, sich dort auch einzurichten, dass sie diese nicht wieder verlieren. Deswegen ist das eine Maßnahme, dass man dort üben kann, wie man sich wirtschaftlich und auch sozial einrichten muss, damit man dann in einer eigenen Wohnung auch besteht.

 

Bei den Angeboten der Kältehilfe geht es in der Regel um den Personenkreis, der behördliche Kontakte ablehnt, d. h. man kann ihnen nicht helfen, also man erreicht sie nicht in der eigentlich wünschenswerten Weise, dass sie wieder in einer normalen Wohnung leben können. Unser Bezirk hat aufgrund seiner geografisch zentralen Lage für wohnungslose Menschen eine besondere Bedeutung. Die City West ist Treffpunkt für viele Menschen, auch für Menschen, die wohnungslos sind aus der ganzen Stadt. Die Versorgung, die bei uns in der Wohnungslosenhilfe vorgenommen wird, daran beteiligen sich sehr viele Träger. Wir haben insgesamt 14 Kältehilfeprojekte, also Tagesstätten, Suppenküchen, Wärmestuben, Nachtcafes, Straßensozialarbeit, wir haben auch das Hygieneprojekt am Bahnhof Zoo, was Sie eben angesprochen haben, dieser Toilettencontainer wird von einem Träger übernommen werden. Also, sie müssen sich jetzt nicht die Sorge machen, dass der geschlossen wird. Wir sind da in Gesprächen. Der gehört im Prinzip zur Bahnhofsmission, also wird im wesentlichen von den Benutzern der Bahnhofsmission in Anspruch genommen, weil die Bahnhofsmission den Leuten, die bei ihr essen, keine Toilette anbietet, das hat immer wieder zu Problemen geführt und wir haben das viele Jahre übernommen und jetzt wird es dort eine andere Lösung geben.

 

Die Projekte sind alle zuwendungsfinanziert, aber sie werden, also die Arbeit dort wird auch in einem sehr großen Teil von ehrenamtlichen Menschen geleistet. Es gibt dann auch noch Notübernachtungen in der Franklinstraße und für Frauen in der Detmolder Straße. Die Träger der Kältehilfe sind seit Jahren unter unserer Leitung niedrigschwellig vernetzt, d. h. wir arbeiten schon seit Jahren mit denen zusammen und gucken immer, welche Angebote müssen wie gemacht werden und wie kann man dann auch schnell umstrukturieren.

 

Zu 2.

Wir gehen davon aus, also von den Daten, die wir von den Trägern haben, dass ungefähr 10% mehr Menschen die Angebote wahrnehmen aus verschiedenen Gründen. Ich habe auch die detaillierten Zahlen, die kann ich gerne mal im Ausschuss darstellen.

 

Zu 3.

Die Menschen, die die Angebote der Kältehilfe nutzen, sind unterschiedliche Gruppen. Also, es sind die, die auf der Straße leben, sich nicht integrieren können. Es ist ein nicht unerheblicher Anteil von Menschen aus den EU-Beitrittsländern, von denen viele hier auch tagsüber arbeiten und dann abends diese Angebote nutzen. Es sind auch manchmal Menschen, die eine eigene Wohnung haben, aber damit einfach nicht klarkommen. Also, das sind natürlich die, die dann vorrangig in den Einrichtungen auch tagsüber zum Essen gehen. Berlin hat im Rahmen der Kältehilfe, also Gesamtberlin, eine sehr sehr gute Infrastruktur.
Die Angebote kosten nichts, sie sind niedrigschwellig. Die Leute werden dort nicht gefragt, wo sie herkommen, wie sie in die Lage gekommen sind, so dass wir feststellen müssen, dass insbesondere wohnungslose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen auch aus anderen Bundesländern, Sie sprachen ja eben München an, hier auch in der oft gewünschten Anonymität Angebote finden, die vielleicht im Heimatort nicht vorhanden sind, d. h. wir gehen davon aus, dass ungefähr 20 % der Leute nicht aus Berlin kommen. Das heißt auch klar, wenn irgendwo ein Angebot nicht zur Verfügung gestellt wird, dann gucken die Leute, wo es eins gibt.

 

Zu 4.

Auch da haben wir, wie in all den Jahren vorher, die Angebote abgestimmt. Wir haben ohnehin zwei Mal im Jahr Kältehilfekonferenz, wir haben auch Sondersitzungen, so haben wir z. B. im Februar ein Fachtag gemacht zum Thema „Besucherinnen und Besucher aus den neuen EU-Beitrittsländern in den Einrichtungen der Kältehilfe“, weil uns das immer wieder das als ein großes Problem geschildert worden ist, auch wie die Gäste untereinander dann umgehen.

 

Aufgrund der jetzt frühen Kälte hat die City Station bereits begonnen, ihre Einrichtungen an zwei Tagen während der Woche auch nachts zu öffnen. Das lässt sich auch noch ausweiten. Auch die Degewo ist bereit, zusätzliche Plätze zur Verfügung zu stellen. Wir als Bezirk haben jetzt nicht mehr Mittel, als vorher, wir haben aber der Senatsverwaltung deutlich gegenüber gesagt, dass sie auch in der Pflicht ist und es gibt Hinweise, dass diese Pflicht auch wahrgenommen wird. Also, letztes Jahr wurde da zusätzlich Geld bereitgestellt, weil Wohnungslosigkeit ist wirklich keine Aufgabe, die man nur per Bezirk machen kann, weil die Leute ja auch nicht aus den Bezirken kommen oder nur teilweise.

 

Zu 5.

Die finanziellen Mittel sind natürlich seit Jahren sehr knapp. Auch wenn wir sie bei uns nie reduziert haben. Aber das, was wir bezahlen, wird immer nur ein Teil des Bedarfes decken. Insbesondere die Kirchengemeinden sind auf Spenden angewiesen, die seit einigen Jahren weniger werden. Sie sind auch angewiesen auf Ehrenamtliche, die recht verantwortlich diese Arbeit machen.

Aufgrund der Kälte sind die Sammelunterkünfte bereits jetzt sehr nachgefragt. Es herrscht z. T. Enge. In unserem Bezirk sind, aktuelles Ergebnis, alle Plätze belegt, aber es muss noch niemand weggeschickt werden, d. h. die Kapazität reicht noch. Es ist natürlich wünschenswert, wenn noch mehr Einrichtungen kurzfristig mit geringerer Platzzahl ans Netz gingen, denn gerade für obdachlose Menschen, die sehr große Einzelgänger sind, viele von ihnen ist die Unterkunft in einer vollen Sammelunterkunft manchmal ein großer Stress und viele von ihnen müssen wirklich vom Kältebus mit sehr viel Energie überredet werden, mitzukommen.

 

Ich möchte damit schließen, dass es kein gesellschaftliches Ziel sein kann, dass man möglichst viele gute Notunterkünfte für obdachlose Menschen hat, sondern es muss frühzeitig präventiv gearbeitet werden, damit diese Notlage gar nicht erst entsteht. Das ist unsere Hauptaufgabe und wir tragen durch eine auch im Bezirksvergleich ziemlich gute Ausstattung mit Sozialarbeiter/innen in der sozialen Wohnhilfe auch dazu bei.

 

 
 

Legende

Ausschuss Tagesordnung Drucksache
BVV Aktenmappe Drucksachenlebenslauf
Fraktion Niederschrift Beschlüsse
Kommunalpolitiker/in Auszug Realisierung
   Anwesenheit Schriftliche Anfragen