Auszug - Der neue Personalausweis auf dem Prüfstand  

 
 
45. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.3
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 07.10.2010 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
1836/3 Der neue Personalausweis auf dem Prüfstand
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Schmitt/Halten-Bartels 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Herr BzStR Krüger:

Zur Beantwortung Herr BzStR Krüger:

 

Frau Vorsteherin, meine Damen und Herren, ich darf der Antwort der Großen Anfrage einige Bemerkungen vorausschicken, damit da auch wirklich keine Differenz dort gesehen wird, wo es keine gibt. In meinen Augen - und ich bin sicher, in den Augen des Bezirksamtes - ist dieser neue Personalausweis notwendig, reagiert er doch auf die offensichtlichen Herausforderungen in einer modernen mediennutzenden Gesellschaft, insbesondere, was den Dienstleistungssektor angeht. Er kann beschleunigen, ohne in die Sicherheit einzuschränken, ohne diese zu vernachlässigen, immer unter der Voraussetzung, dass die Menschen gut mitgenommen werden und aufgeklärt werden. Er ermöglicht vieles, erzwingt nichts, belastet allerdings durch hohe Kosten, da kommen wir gleich noch mal drauf und unsere wichtigste Aufgabe ist es, und das bitte ich mir abzunehmen, das es unser Hauptziel ist, die Bürger mitzunehmen, möglichst viele Bürger mitzunehmen in die Vorzüge, so sie die denn nutzen wollen, zu verdeutlichen und gleichzeitig klar zu machen, dass, wer das alles gar nicht will, auch praktisch in der alten Funktion den neuen Ausweis nutzen kann.

 

Zu 1.

Ich will nicht verhehlen und bin immer dafür, dass man ehrlich da miteinander umgeht, dass es durchaus erhebliche Probleme gibt, in der Phase, in der wir jetzt stecken, die ja schon seit 1 ½ Monaten dauert und nun unmittelbar der Einführung dieses Personalausweises vorangeht. Was ist zu tun? Ganz klar, es ist eine neue Hardware, eine neue Software, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Die Mitarbeiter müssen geschult werden, das Ganze ist nach einer Einführungsphase, ja, man kann schon fast sagen über mehrere Jahre, zumindest doch über eine ganze Anzahl von Monaten an vielen Ecke der Bundesrepublik getestet und doch, meine Damen und Herren, hatten wir ein Ergebnis, was uns hier im Bezirk nicht begeistert hat. Unser hier in der Nachbarschaft beheimatetes Bürgeramt waren die ersten Mitarbeiter, die geschult worden sind, kaum war deren Schulung durch, und wir hatten ein wenig Aufatmen drin, da wurde uns mitgeteilt, dass das dabei verwendete Handbuch zurückgezogen ist, die Technik zurückgezogen worden ist und durch eine neue ersetzt worden ist.

 

Das führte dann dazu, dass mit dem zweiten Bürgeramt wieder neues geschult wurde, wir eigentlich mit dem ersten Bürgeramt noch mal antreten müssen, da war man nur noch in der Lage, eine Person zu schulen, weil man sonst gar nicht durchgekommen wäre und ich mache an dieser Stelle darauf aufmerksam, dass war nicht das Versagen des ITDZ, was sich redlich bemüht hat, sondern die Ebenen die davor liegen, haben da nicht so gearbeitet, wie wir uns das alle erhofft hatten.

Warum sage ich das hier, meine Damen und Herren? Mir geht es überhaupt nicht darum, eine Schuldzuweisung zu machen, etwa zu sagen, der Senat hat sich da über den Bundesrat zu wenig eingesetzt oder der Innenminister hätte da zu wenig Power gemacht. Ich spreche das vor allen Dingen deshalb an, weil ich befürchte, dass in den nächsten Wochen und Monaten es gerade unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein werden, die vor Ort das durchzusetzen haben und die vor Ort dem Bürger dann zu erklären haben, warum vieles noch nicht so läuft, wie es laufen sollte, denn gerade bei einem neuen System ist es notwendig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Chance gehabt zu haben, das konkret auszuprobieren und das ist, das könne wir jetzt schon sagen, im Vorfeld des ersten Novembers so gut wie nicht mehr möglich.

Ich stell mich hier also ausdrücklich vor meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer auch sonst schwierigen, wir haben es vorhin angesprochen, Personalsituation, insbesondere, was die Hintergründe der Möglichkeiten dieses Ausweises angeht, ist es für den Einzelnen außerordentlich schwer, sich Informationen zu verschaffen, wenn wir sie als politisch Verantwortliche nur in sehr geringem Maße haben.

 

Ich erlaube mir die Antwort zu 3. vor der Antwort zu 2. zu sagen, weil von daher der Aufbau aus meiner Sicht ein wenig logischer wird.

 

Zu 3.

Wenn man den Ausweis beantragt, so hat man, wie Sie sicherlich schon gelesen haben, zunächst die Möglichkeit zu entscheiden, ob man die Speicherung von Fingerabdrücken auf dem Chip des Personalausweises haben will. Hier wird uns gesagt, dass die Speicherung der  Fingerabdrücke, die ja freiwillig ist, anders als beim Reisepass, dazu dienen soll, den Ausweis als solches noch sicherer zu machen, das nehmen wir erst einmal hin, mehr können wir den Bürgern dazu noch nicht sagen.

 

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die elektronische Identifizierung in Form des kleinen Chips, den jeder Ausweis enthält, entweder freischalten zu lassen oder auch nicht. Hier hat der Bürger die Entscheidung, ob er diese neue Möglichkeit, auf deren Auswirkungen ich gleich kommen werde, nutzen will oder nicht. Wir können ihm zugleich allerdings auch sagen, und das finde ich auch sehr wichtig, dass, wenn er sich jetzt dagegen entscheidet, er jederzeit zu einem späteren Zeitpunkt  "Ja" zu dieser neuen Technologie sagen kann, also sich dann im nachhinein einbringen kann. Oder wenn er merkt, ich habe doch nicht die Bedarfslage, dass er sie wieder ausschalten lassen kann. Ansonsten kann der Bürger nicht wählen. Es kommen immer wieder Bürger, die sagen, kann ich nicht lieber den alten Personalausweis kriegen, womöglich zu den alten Kosten. Das geht nicht. Ab dem 1. November steht nur diese neue Form zur Verfügung, mit alldem, was dazu gehört.

 

Zu. 2.

Wenn sich der Besitzer des neuen Personalausweises für diese Online-Ausweisfunktion entscheidet, also wenn er diesen Chip freischalten lässt, dann hat er die Chance, eine elektronische Differenzierung in Anspruch nehmen zu können. Das setzt immer voraus, ich will es nur ganz kurz andeuten, dass er sich einer sechsstelligen individuellen PIN bedient, dass er die sogenannte PUK kennt, um entsperren zu können, wenn er sich mehr als dreimal bei der Eingabe verwählt hat, dass er sein Sperrkennwort kennt, falls er das eine oder andere verliert, um dann wieder ins System zu kommen und das er über ein Chiplesegerät verfügt in dem Augenblick, wo er mit dem Ausweis und seinem Computer zu Hause arbeiten will.

 

Wenn er das alles will und immer vorausgesetzt, dass die jeweiligen Geschäftspartner elektronisches Ausweisen in ihren Diensten anbieten, dann kann er eine Fülle von Möglichkeiten eingehen, vom Identitätsnachweis bei Online-Registrierung bis hin zu Zutrittskontrollen, sich an Automaten ausweisen, automatisches Ausfüllen von Formularen vornehmen und vieles andere mehr. Wir sollten das nicht unterschätzen, welche Möglichkeiten da sind. Sicherlich ist das jetzt nicht der Ort, das im Einzelnen zu differenzieren und zu erklären, da kann man das vielleicht in anderer Stelle das noch mal ausweiten. Damit ist allerdings noch lange nicht gesagt, dass der Bürger, der soweit geht mit dem neuen Ausweis, bereits eine qualifizierte elektronische Signatur, diese QES, mit erworben hat. Die ist potenziell möglich hängt aber davon ab, dass er ein Signaturzertifikat erwirbt, was wieder mit den Bürgerämtern nichts zu tun hat, was von einem Zertifikatvergeber auf Bundesebene und da gibt es dann mehrere, so kann man dann nachlesen, welche das sind, wissen wir alles noch nicht, dann in der Lage sind, so etwas zu vergeben und er braucht nicht nur das einfache Chiplesegerät, sondern er braucht ein besonderes Gerät, was dann in der Lage ist, dass er seine PIN-Nummer eingeben kann, dass er über ein Display genau sehen kann, welche Daten übertragen werden, dass sozusagen die Verantwortung vom Computer auf dieses Gerät vorgelagert wird, dass wird mit Kosten verbunden sein, wenn man der Presse folgt. In der Morgenpost gab es mal eine, ansonsten ist dazu ja wenig zu finden, ca. 300,-- Euro muss man für ein solches Gerät rechnen, setzt aber voraus, dass die andere Seite funktioniert. Dass wir genügend Betriebe haben, genügend Kommunen und wie auch immer, die sich auf dieses System einlassen. Hierzu finden Sie auch bei intensiver Suche, zumindest ist es mir nicht gelungen, vielleicht haben Sie mehr Erfolg gehabt, keinerlei wirklich haltbaren Aussagen.

 

Es geistert im Augenblick eine Summe von 1 ½ Millionen Geräten durch die Presse, die angeblich von der Bundesebene kostenlos abgegeben werden sollen. Ich nehme mal an, es handelt sich um die Geräte dieser einfachen Kategorie. Wie die aber verteilt werden sollen, wie der Bürger an sie herankommen soll, da findet man dann so Bemerkungen, wie vielleicht über Betriebe, über Behörden oder so, aber so recht genaues können wir nicht entnehmen. Ich sage das alles nur, weil es natürlich zu der Schwierigkeit führt, dass man dem Bürger nichts konkretes an dieser Stelle, selbst bei bestem Willen, nichts sagen kann.

 

Zu 4.

Der Personalausweis in der jetzigen Form, das wurde hier eben schon von Frau Halten-Bartels angesprochen, ist mit einer Verwaltungsgebühr von 8,-- Euro. minderjährige Jugendliche ab 16 Jahre erhalten ihn bisher gebührenfrei und es gibt schon immer die Möglichkeit, hier auch eine soziale Staffelung in den Kosten bis hin zum Verzicht anzuwenden.

Wir werden zukünftig sehr viel höhere Preise haben, nämlich 28,80 Euro im normalen Bereich. Bei denen, die noch nicht 24 Jahre alt sind und den ersten Ausweis bekommen noch ermäßigt auf 19,80 Euro und dann auch wieder die sozialen Staffelungen.

 

Und damit Sie nun nicht den Eindruck haben, der Bezirk oder das Land oder der Bund würde sich daran gesund stoßen, muss ich Ihnen natürlich sagen, dass wir bisher bei jedem Ausweis 7,24 Euro an die Bundesdruckerei abgeführt haben und zukünftig werden es 22,80 Euro sein, also, da merken Sie schon die Spanne.

 

Wenn wir nun schauen, und das ist ja die Fragestellung, neben dem rein finanziellen und wir hoffen natürlich dann auf eine Basiskorrektur im Bereich der Bezirksmittel, denn wir müssen es ja ausgeben, da müssen wir auch auf die personelle Seite gucken und hier will ich nur ganz kurz verdeutlichen, dass bisher für die Bearbeitung eines Ausweises, mit allem drum herum 16,5 Minuten angesetzt waren. Nach den neuen Berechnungen, und die machen nicht wir, sondern Leute, die da relativ unabhängige Experten sind, müssen wir bis 27 bis 30 Minuten für den gesamten Vorgang rechnen. Das führt für unseren Bezirk dazu, dass, wenn wir das auf Mitarbeiter umrechnen, wir etwas neun bis zehn Mitarbeiter mehr bräuchten, um diese Herausforderung zu rechtfertigen und selbst wenn wir jetzt Gegenrechnen, dass wir im Augenblick ja die Steuerkarten verlieren und dafür etwa ein Volumen von vier Kollegen in Vollzeitarbeit ansetzen, bleibt die Schere mit minus sechs da, hierzu gibt es lediglich eine ganz vorsichtige Anerkennung des Finanzsenators dahingehend, dass er den Mehrbedarf sieht, aber ansonsten sehen wir nichts, wir sehen auch nicht die Chance, schon gar nicht in der jetzigen Haushaltssituation, hier durch den Stellenpool oder sonst irgendwie gefördert zu werden. Und da bin ich wieder bei dem Punkt, den ich zu 1. vorgetragen habe, die Leidtragenden werden die Mitarbeiter sein.

 

Zu 5.

Wir haben durch den § 11 des Gesetzes über Personalausweise in der neuen Fassung eine sehr breite Informationspflicht an die Bürger. Was wir Ihnen zu geben haben, wissen wir bis heute nicht. Wir hoffen, dass wir insbesondere die Broschüre, die wir verbindlich jedem Bürger zu überreichen haben, wirklich bis zum Ende des Monats vorzuliegen haben. Bisher ist, trotz intensiver Nachfrage, leider nichts da. Besser stellt sich die Lage dar über Telefon, Hotline, da gibt es extra eine Nummer, die dafür geschaltet ist, auch die Behördeneinwahl 115 kann man da nutzen, ob das im einzelnen positiv ist, über die Qualität kann ich nichts aussagen. Besser ist das Personalausweisportal, welches es gibt: http://www.personalausweisportal.de, aber wenn Sie genau lesen, löst auch das mehr Fragen als Antworten aus. Und schließlich haben wir uns bemüht und immer wieder von Seiten des Bezirks, diese kleine Broschüre "Alles Wissenswertes zum neuen Personalausweis" der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Seit mehreren Monaten drängeln wir gegenüber dem Bundesinnenministerium, dass wir nun mal so was kriegen. Wir sind auf der langen Warteliste, bis heute haben wir nichts erhalten. Auch eine einseitige Information löst mehr Fragen aus, als sie Antworten gibt. Sie mögen dem entnehmen, dass es nicht so einfach ist, bei bestem Willen die Bevölkerung zu informieren. Die meisten Informationen, die wir noch haben, haben wir über die Presse gezogen, aber ob das immer alles stimmt, wage ich zu bezweifeln. Soweit erst einmal einen Zwischenbericht. Seien Sie sicher, wir bleiben an der Materie dran, denn ich bleibe dabei, was mir am meisten leid tut, ist die Herausforderung an die Mitarbeiter, die teilweise beim besten Willen das nicht besser leisten können, als sie es im Augenblick vorbereiten.

 

 
 

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