Auszug - Ruinöser Wettbewerb bei Hotelbettenentwicklung im Bezirk!?  

 
 
43. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.5
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 17.06.2010 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:05 Anlass: ordentliche Sitzung
1783/3 Ruinöser Wettbewerb bei Hotelbettenentwicklung im Bezirk!?
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 
Verfasser:Ludwig/Dr.Lehmann 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss


Zur Beantwortung Herr BzStR Schulte:

 

Sehr geehrter Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren, die Große Anfrage beantworte ich für das Bezirksamt wie folgt (Dazu wurde auch eine Anlage verteilt):

 

 

Zu 1.

Die Hotelbetten im Bezirk sind im Zeitraum Dezember 2000 von 16.598 Betten bis Februar 2010 auf 25.272 Betten und damit über 52 % gestiegen. Allerdings ist der bezirkliche Anteil an Hotelbetten im Vergleich zur Gesamtzahl im Land Berlin von ursprünglich 26,6 auf 22,8 % gesunken, da es berlinweit sogar insgesamt eine Steigerung der Bettenanzahl um 77,8 % gegeben hat. Charlottenburg-Wilmersdorf Steigerung 52 %, berlinweit 77,8 %. Genaue Zahlen entnehmen Sie bitte den verteilten Blättern.

Dort erkennen Sie auch, dass eine Bettenauslastung trotz dieses Wachstums seit Jahren konstant bei 50 % liegt. Diese zunächst gering erscheinende Zahl relativiert sich natürlich dadurch, dass es im Tourismusbereich saisonale Spitzen gibt, wo eine deutlich höhere Bettenauslastung zu verzeichnen ist. Somit konnte der Anstieg der Tourismuszahlen im gleichen Zeitraum um 65 % problemlos durch die erhöhte Bettenanzahl auch in saisonalen Spitzen aufgefangen werden.

 

Zu 2.

Die Entwicklung der Bettenkapazitäten führt zweifelsohne dazu, dass sich die Berliner Zimmerpreise im europäischen Vergleich im unteren Bereich befinden. Zumal sich das Angebot an low-budget-Unterkünften natürlich in letzter Zeit stark erhöht hat. Sieht man auch bei den farbigen Grafiken.

Für den Berlin-Tourismus sind diese niedrigen Hotelpreise im schärfer werdenden europäischen Wettbewerb natürlich ein enormer Standortvorteil. Im Rahmen der Marketingstrategie der Berlin Tourismusmarkt GmbH werden diese niedrigen Preise unter dem Motto Value for Money auch besonders beworben. Für größere Hotels ist es spürbar, dass die Bettenanzahl rapide angestiegen ist. Das verstärkt den Konkurrenzdruck für viele Häuser und erfordert regelmäßige Preisregulierung. So ist beispielsweise für das Ellington-Hotel momentan noch kein Rückgang der Auslastung zu verzeichnen, allerdings ist der Aufwand an Marketing, Kundenaktion usw. gestiegen, um den Rückgang zu vermeiden. Neue und moderne und individuelle Häuser haben es derzeit einfacher, sich am Markt zu bewähren, weil der Anspruch der Gäste sich dahingegen verändert.

 

Zu 3.

In der Tat ist die Entwicklung gerade für die genannten Betriebe nicht durchgehend positiv zu bewerten. So ist nach Ansicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes der Sättigungsgrad an Hotelbetten überschritten. Zwar sind die Hotels in den Zentren z. T. sehr gut gebucht, der Preis sei aber sehr hoch. Gerade mittelständische privat geführte Hotelunternehmen geraten zunehmend unter Druck. Für mich interessant, die Mehrwertsteuersenkung wurde in der Argumentation aber interessanterweise nicht aufgeführt. Festzustellen bleibt, dass kleinere Häuser, die den Trend zur Erneuerung und Sanierung nutzen, die Investitionen in neuste Technik tätigen, die eine bessere Nutzung des Internets sicherstellten und die Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit ernst nehmen, sich auf dem Markt behaupten können. Denn nur so kann das vorhandene Gästepotenzial gehalten und neue Zielgruppen erreicht werden. Kleine Häuser, ebenso wie privat geführte Hotels, haben es dabei einfacher, schnelle Entscheidungen zu treffen, Richtungen zu ändern, Neues umzusetzen und Neues auch auszuprobieren.


Zu 4.

Die Abteilung Bauwesen hat mitgeteilt, dass seit 2009 insgesamt 16 Anträge gestellt wurden, von denen zehn Baugenehmigungen erteilt worden. Fünf Anträge befinden sich derzeit in Bearbeitung, ein Verfahren ist bereits abgeschlossen. Eine Auflistung der jeweiligen Bettenanzahl ist jedoch mit enormem Verwaltungsaufwand verbunden, da jedes Verfahren einzeln herausgesucht werden müsste. Eine statistische Erfassung erfolgt bislang nicht. Es ist jedoch vorgesehen, in das elektronische Programm elektronische Baugenehmigungsverfahren einen Zusatz für statistische Zwecke einzurichten. Leider existiert keine von den Bezirken gemeinsam geführte Aufstellung. Hilfreich für die Arbeit der Wirtschaftsförderung ist in diesem Zusammenhang eine von der Dehoga geführte Liste, auf deren Unzulänglichkeit die Dehoga selbst hinweist. Sie schreibt nämlich, diese Aufstellung gibt keine Gewähr auf Vollständigkeit, sie wird aktualisiert an Hand der zur Verfügung stehenden Informationen und nach Nachfragen von heute bei dem zuständigen Geschäftsführer wurde auch noch mal darauf gedrungen, dass diese uns nur vertraulich zur Verfügung gestellt wird. Aber ich habe auch mit ihm vereinbart, dass die Fraktion die natürlich sehr gerne einsehen können.

 

Zu 5.

Es existiert zwar ein starker Konkurrenzdruck, einen ruinösen Wettbewerb kann das Bezirksamt momentan aber nicht erkennen. Es ist weiterhin von einem Zuwachs von Übernachtungsgästen auszugehen, die Antragstätigkeit und die vorliegenden Bauanfragen von Investoren zeigen ja auch, dass im Berliner Hotelmarkt noch genügend Potenzial gesehen wird.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Stellungnahme der AG City. Sie geht davon aus, dass der Boom in ca. zwei Jahren vorbei ist und der Markt sich selbst regulieren wird. Die große Anzahl von zusätzlichen Betten wird nach Ansicht der AG City dazu führen, dass die vielen kleinen Pensionen in den Altbauwohnungen verschwinden und, so die AG City, hoffentlich wieder als Wohnungen genutzt werden. Ob dann Büros entstehen, das ist eine andere Frage, aber die AG City hofft hier auf Wohnungen.

 

Eine planungsrechtliche Steuerung von Hotelprojekten nach dem geltenden Planungsrecht ist bezogen auf die Nutzungsart Kerngebiet und Mischgebiet nicht möglich, da hier Hotels sowohl nach der Bauordnung Berlin aus dem Jahre 1958 als auch nach der Baunutzungsverordnung zulässig sind. Lediglich in den allgemeinen Wohngebieten sind planungsrechtliche Beschränkungen für Hotels vorhanden. Nach der Bauordnung Berlin 1958 sind in allgemeinen Wohngebieten mit Pensionsbetriebe mit Frühstücksangeboten zulässig, Hotels dagegen unzulässig. Nach der Baunutzungsverordnung sind Hotels im Allgemeinen Wohngebiet nur ausnahmsweise zulässig, hier ist eine Einzelfallprüfung des Vorhabens im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens möglich. Initiativ werden kann das Bezirksamt zur Frage der Stellplatzreduzierung, speziell bei der Einleitung von Bebauungsplanverfahren, sobald die konkrete Nutzungsart Hotel schon bei Einleitung des Verfahrens bekannt ist. Die Abteilung Bauwesen hat beim Hotelprojekt Lewishamstraße, wir sprachen ja darüber, eine durch den Investor beabsichtigte vollständige Unterbauung des Grundstückes mit einer Tiefgarage vor dem Hintergrund der Überschreitung des Schwellenwertes inhaltlich für nicht tragfähig befunden.

 

 
 

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